Parlamentskorrespondenz Nr. 714 vom 22.06.2016

Verfassungsausschuss gibt grünes Licht für Dienstrechts-Novelle 2016

Gesetzespaket bringt zahlreiche Detailänderungen für den öffentlichen Dienst

Wien (PK) – Schwer erkrankte Richterinnen und Richter haben künftig die Möglichkeit, ihre Arbeitsauslastung nach einem längeren Krankenstand auf bis zur Hälfte herabsetzen zu lassen. Voraussetzung dafür ist, dass sie eine ärztliche Bestätigung für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorlegen und der Arbeitsreduktion keine dienstlichen Interessen entgegenstehen. Das ist eine von dutzenden Detailänderungen im öffentlichen Dienst, für die Verfassungsausschuss des Nationalrats heute mit breiter Mehrheit grünes Licht gegeben hat. Mit diesem Schritt will man RichterInnen den Wiedereinstieg ins Berufsleben, etwa nach der Diagnose Krebs, erleichtern. Ausverhandelt wurde das Paket zwischen Regierung und Beamtengewerkschaft, einzig die NEOS äußerten gegen einzelne Punkte Vorbehalte.

Zu den neuen Bestimmungen gehört unter anderem auch, dass BeamtInnen, die in Folge eines außergewöhnlichen dienstlichen Ereignisses eine "akute psychische Belastungsreaktion" zeigen und deshalb längere Zeit ihre Arbeit nicht verrichten können, in Bezug auf die Gehaltsfortzahlung gleich behandelt werden wie KollegInnen, die einen Dienstunfall erlitten haben. Außerdem ist – analog zu den neuen Bestimmungen für die Privatwirtschaft – eine Einschränkung von Konkurrenzklauseln vorgesehen. Bei der Bemessung einer Urlaubsersatzleistung werden, in Umsetzung höchstgerichtlicher Urteile, ab sofort auch Sonderzahlungen sowie pauschalierte Nebengebühren berücksichtigt. Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit sind künftig nicht mehr automatisch von jeglicher Verwendung im Bundesdienst ausgeschlossen.

Zur Vermeidung von Rechtslücken werden die Bestimmungen über die "Ruhestandversetzung durch Erklärung" adaptiert, wovon insbesondere die Korridorpension und die Schwerarbeitspension betroffen sind. Im Militärbereich ist eine Aufwertung von Unteroffizieren in Aussicht genommen. Außerdem werden gemäß einem heute von den Koalitionsparteien vorgelegten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag die Gehaltsansätze für Soldatinnen und Soldaten in Chargenverwendungen (M ZCh) angehoben, um die Gehaltsrelation zu wahren. Die Bundesministerien erhalten die Möglichkeit, sämtliche Dienstrechtsangelegenheiten in einer Dienstbehörde bzw. Personalstelle zu konzentrieren. Im Sinne der Harmonisierung der Rechte von Vertragsbediensteten und BeamtInnen können Vertragsbedienstete künftig sämtliche für BeamtInnen vorgesehenen Amtstitel als Verwendungsbezeichnung führen.

Diverse Änderungen kommen auch auf LehrerInnen zu, etwa was die Anerkennung von in anderen EU-Ländern erworbenen Ausbildungsnachweisen sowie Freistellungen für das Nachholen der Lehramtsausbildung für QuereinsteigerInnen in berufsbildenden Schulen und Berufsschulen betrifft. Ebenso sind in Bezug auf die 2015 beschlossene Besoldungsreform für den Bundesdienst noch einzelne Nachbesserungen erforderlich. Insgesamt werden mit dem Paket (1188 d.B.) 15 Gesetze geändert, ein neues Bundesgesetz erlassen und eine nicht mehr notwendige Verordnung aufgehoben (siehe auch Parlamentskorrespondenz Nr. 695/2016).

NEOS vermissen finanzielle Rückstellungen

Das Gesetzespaket wurde grundsätzlich von allen Fraktion begrüßt, wobei unter anderem die Möglichkeit für RichterInnen, unter bestimmten Voraussetzungen künftig auch Teilzeit zu arbeiten, besonders hervorgehoben wurde. NEOS Abgeordneter Nikolaus Scherak äußerte allerdings in zwei Punkten Vorbehalte. Zum einen vermisst er entsprechende finanzielle Rückstellungen durch die notwendige Neuregelung der Urlaubsersatzleistung. Außerdem ist ihm zufolge die Anrechnung von Vordienstzeiten immer noch nicht EU-konform geregelt. Die NEOS werden seinen Angaben nach daher voraussichtlich auch im Plenum gegen die Novelle stimmen. Allgemein hält es Scherak für problematisch, dass die legistische Zuständigkeit für die BeamtInnen im Bundeskanzleramt liegt, während das Finanzministerium für die Beamtenpensionen verantwortlich ist.

Sowohl SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl als auch ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl lobten die Arbeit des öffentlichen Dienstes. Gerstl bedauerte allerdings, dass das Dienst- und Pensionsrecht zwischen der Bundes- und der Landesebene immer weiter auseinanderdriftet. Seiner Meinung nach wäre eine Harmonisierung sinnvoll.

Seitens der Grünen begrüßte Abgeordnete Sigrid Maurer ausdrücklich, dass Opfer von sexueller Belästigung künftig eine Vertrauensperson zur Disziplinarkommission mitnehmen können. Ihr geht der Opferschutz allerdings noch nicht weit genug. Sie sprach sich etwa für eine psychosoziale Begleitung Betroffener und die Möglichkeit kontradiktorischer Einvernahmen analog zu Strafverfahren aus.

Mehr Durchlässigkeit zwischen Verwaltungsgerichten und ordentlichen Gerichten

Staatssekretärin Muna Duzdar hob in einer Stellungnahme unter anderem die neue Regelung hervor, wonach akute psychische Belastungsstörungen künftig als Dienstverhinderungsgrund anerkannt werden. Damit würde man Gehaltseinbußen vermeiden. Als Beispiel nannte sie etwa psychische Probleme nach einer Bergung verwester Leichen oder ähnliche Ereignisse, mit denen PolizistInnen oder Feuerwehrleute konfrontiert sind.

Mehr Durchlässigkeit wird Duzdar zufolge darüber hinaus zwischen Verwaltungsgerichten und ordentlichen Gerichten geschaffen. Demnach wird künftig nach einer fünfjährigen Dienstzeit ein Wechsel von VerwaltungsrichterInnen in die ordentliche Gerichtsbarkeit ohne Richteramtsprüfung möglich sein.

Von Abgeordneter Beatrix Karl (V) darauf angesprochen, ob sie sich auch im öffentlichen Dienst das Modell der Altersteilzeit vorstellen könne, sagte die Staatssekretärin, altersgerechtes Arbeiten werde eines der Schwerpunktthemen des Jahres 2017 sein. Grundsätzlich vorstellen kann sie sich auch eine weitere Ausweitung des Opferschutzes in Disziplinarverfahren. In Richtung Abgeordnetem Gerstl gab Duzdar zu bedenken, dass das Harmonisierungsgebot 1999 aufgehoben wurde und man sich genau anschauen müsste, welche Auswirkungen eine Rückkehr zu einheitlichen Regelungen auf Bundes- und Landesebene auf die Bediensteten hätten.

Allgemein bekräftigte Duzdar, dass sie für einen starken öffentlichen Dienst eintrete. Dieser sei für eine moderne, effiziente Staatsstruktur unerlässlich. Sie sei jedenfalls dagegen, in Form von Neiddebatten Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen.

Nicht berücksichtigt im Gesetzespaket ist die Forderung der FPÖ nach einer Änderung des Disziplinarrechts. Abgeordneter Günther Kumpitsch hält es nicht für gerechtfertigt, dass die Bestimmung, wonach bei einer strafrechtlichen Verurteilung von einer disziplinären Verfolgung abzusehen ist, wenn über den gerichtlich strafbaren Tatbestand hinaus keine Dienstpflichtverletzungen vorliegen, im Falle der Annahme einer Diversion nicht gilt. Ein entsprechender Antrag der FPÖ (1349/A(E)) wurde jedoch abgelehnt. Nach Meinung von Otto Pendl (S) ist es sinnvoll, Straf- und Disziplinarrecht voneinander zu trennen. Das Bundeskanzleramt sieht in der Praxis keine Probleme.

Team Stronach pocht weiter auf eigenes Dienstrecht für Exekutive

Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen machte sich neuerlich für ein eigenes Dienstrecht für ExekutivbeamtInnen stark. Anstelle des derzeitigen Grundgehalts samt einer Vielzahl von Zulagen will Abgeordneter Christoph Hagen ein "All-inclusive-Gehalt" nach bayerischem Muster einführen, welches der Schwere des Dienstes – Wechseldienst, Außendienst bei widrigsten Wetterbedingungen, psychische Belastungen, Gefahr für Leib und Leben – gerecht wird. Der Beruf eines Exekutivbeamten sei mit anderen Berufssparten kaum vergleichbar, mit dem geltenden Dienstrecht würden die besonderen Belastungen nicht adäquat abgegolten, begründet Hagen seine Initiative.

Ein entsprechender Antrag des Team Stronach (166/A(E)) wurde allerdings neuerlich vertagt. Es sei ohnehin eine umfangreiche Dienstrechtsreform geplant und daher nicht sinnvoll, vorab Einzellösungen zu beschließen, argumentierte Rouven Ertlschweiger (V). Abgeordneter Pendl sprach sich gegen eigene Dienstrechte für die verschiedenen Berufsgruppen im Bundesdienst aus.

Hagen kritisiert außerdem, dass es aufgrund von Sparmaßnahmen seit längerem nicht mehr möglich ist, dass ExekutivbeamtInnen ab einem gewissen Alter in den Innendienst wechseln. Das bedeute, dass diese bis zur Pension mit 65 Jahren Außendienst verrichten müssten bzw. de facto mit hohen Abschlägen in die Frühpension gezwungen würden. Körperlich sei ein Außendienst bis 65 kaum machbar.

Eine Vertreterin des Bundeskanzleramtes hielt dazu fest, dass das mittlere Brutto-Jahreseinkommen von ExekutivbeamtInnen 48.759 € betrage. Pensionierungen aufgrund von Dienstunfähigkeit sind ihr zufolge seit dem Jahr 2005 von 69% auf 39% zurückgegangen. Damit habe man das durchschnittliche Pensionsantrittsalter von ExekutivbeamtInnen um 3,7 Jahre auf derzeit 58 Jahre anheben können. Ihr zufolge gibt es außerdem sehr wohl Planstellen im Innendienst für ältere ExektivbeamtInnen.

NEOS verlangen Aus für bezahlte Mittagspause im öffentlichen Dienst

Auf breite Ablehnung stieß die Forderung der NEOS (1595/A(E)), öffentlich Bediensteten – im Sinne einer Gleichstellung mit der Privatwirtschaft – die bezahlte Mittagspause zu streichen. Nikolaus Scherak sieht nicht ein, dass die verpflichtende halbstündige Ruhezeit, die bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden vorgeschrieben ist, im öffentlichen Dienst automatisch als Arbeitszeit angerechnet wird, während das in der Privatwirtschaft nicht der Fall sei.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) hält diese Argumentation allerdings für nicht schlüssig. Es gebe auch in der Privatwirtschaft Kollektivverträge bzw. Betriebsvereinbarungen, die eine bezahlte Mittagspause vorsehen. Zudem sei die wöchentliche Arbeitszeit vielfach auf 38,5 Stunden reduziert, während im öffentlichen Dienst eine 40-Stunden-Woche gelte. Abgeordneter Christoph Hagen (T) sieht die Forderung unter anderem wegen der ständig notwendigen Einsatzbereitschaft der Polizei kritisch. Seitens der FPÖ meinte Günther Kumpitsch, man könnte sich überlegen, auch in der Privatwirtschaft eine halbe Stunde Pause zu bezahlen. Auch SPÖ und ÖVP lehnten den Antrag bei der Abstimmung ab, unter anderem mit dem Hinweis auf höchstgerichtliche Urteile. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs