Parlamentskorrespondenz Nr. 771 vom 29.06.2016

Bundesrat: EU-Maßnahmen gegen Geoblocking könnte unternehmerische Freiheit gefährden

EU-Ausschuss warnt vor negativen Auswirkungen auf Klein- und Mittelbetriebe

Wien (PK) – Auf große Skepsis stieß heute im EU-Ausschuss des Bundesrats auch der Vorschlag der EU-Kommission zur Vermeidung von  ungerechtfertigtem "Geoblocking". Unter diesem Begriff versteht man die im Internet eingesetzte Technik zur regionalen Sperrung von Internetinhalten durch den Anbieter. Die heimische Einschätzung dazu ist von Skepsis geprägt, Nachteile sowohl für die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) sowie für die KonsumentInnen werden nicht ausgeschlossen. Im Ausschuss war von Verletzung des Subsidiaritätsprinzips die Rede. Bundesrat Ferdinand Tiefnig (V/O) äußerte Sorge hinsichtlich tiefer Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der KMU und befürchtete, die EU gehe immer weiter in Richtung amerikanisches System. Dahin deute auch TTIP, sagte er. Der Ausschuss wird sich daher abermals mit der Materie in seiner Juli-Sitzung befassen.

Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zielt darauf ab, umfassend gegen eine direkte oder indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes und damit gegen eine künstliche Segmentierung des Marktes vorzugehen. Anbieter dürfen laut Gesetzesentwurf in Hinkunft den Zugang zu Websites und anderen Online-Schnittstellen nicht mehr aus Gründen des Wohnsitzes sperren oder beschränken und auch Kundinnen und Kunden nicht von einer Länderversion auf eine andere weiterleiten. Somit sollte künftig jeder Europäer und jede Europäerin in der EU digital überall zu gleichen Bedingungen kaufen können. Eine Diskriminierung von Kundinnen und Kunden, die Dienstleistungen oder Waren in einem anderen Mitgliedstaat online oder vor Ort erwerben wollen - sei es durch unterschiedliche Preise, Verkaufs- oder Zahlungsbedingungen – ist demnach verboten. Vorgesehen sind Verkaufspflichten bei Waren, wenn die KäuferInnen die Waren übernehmen, bei Dienstleistungen, wenn sie vor Ort konsumiert werden.

Seitens des Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftskammer warnte man vor einem massiven Eingriff in die Vertragsfreiheit durch den Kontrahierungszwang - darunter versteht man die rechtliche Verpflichtung, mit einem anderen ein Rechtsverhältnis zu begründen, das heißt in der Regel, einen Vertrag zu schließen.

Gerade die KMU seien überfordert, sämtliche Konsumentenschutzrechte, die in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgeprägt sind, zu beachten, argumentiert man die Ablehnung des Entwurfs durch die Wirtschaft. Um sich daher nicht in Gefahr einer teuren Abmahnung zu begeben, können die Unternehmen derzeit angeben, an welches Publikum sie sich wenden und welche Lieferbeschränkungen es gibt. Daher befürchtet man – sollte die Verordnung in Kraft treten - zusätzliche Bürokratie und eine übermäßige Auferlegung von Pflichten für die KMU, vor allem in Bezug auf unterschiedliche Garantie- und Gewährleistungsansprüche bzw. sonstige Rechtsvorschriften für KonsumentInnen. Es könnte auch sein, dass das in Österreich beliebte Zahlungsmodell "Zahlung auf Rechnung" nicht mehr angeboten werden könnte, weil ein KMU nicht das Risiko eingehen wird, in einem anderen Land Zahlung auf Rechnung anzubieten, gibt das Wirtschaftsministerium zu bedenken. Die KMU könnten infolgedessen davon abgehalten werden, Web-shops einzurichten. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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