Parlamentskorrespondenz Nr. 826 vom 07.07.2016

Nationalrat erlaubt erste Schritte in Richtung automatisiertes Fahren

Autoklubs dürfen MotorradfahrerInnen Perfektionskurse anbieten

Wien (PK) – Eine Neuregelung der "Lenkerpflichten" ermöglicht KraftfahrerInnen die Nutzung bestehender Assistenzsysteme, etwa von Stauassistenten, und schafft Voraussetzungen für erste Schritte in Richtung automatisiertes Fahren. Der diesbezüglichen Kraftfahrgesetznovelle stimmte der Nationalrat mit breiter Mehrheit zu und erlaubte dem Verkehrsminister, per Verordnung auf bestimmten Straßen bestimmte neue Systeme testen zu lassen. Wie Minister Jörg Leichtfried festhielt, werden die LenkerInnen dabei jederzeit in der Lage sein, Fahraufgaben wieder zu übernehmen. Fahrzeuge werden auch in Zukunft von Menschen gelenkt, sagte der Verkehrsminister gegenüber Bedenken des Verkehrssprechers der Grünen, Georg Willi. An der Vorbereitung der Novelle haben hunderte ExpertInnmen mitgewirkt, sagte Leichtfried, auch die Verordnungen werde er unter Heranziehung von VerkehrssicherheitsexpertInnen, Industrie, WissenschaftlerInnen und AutofahrerInnenvertretern erlassen.

Gerald Klug und Hermann Lipitsch von der SPÖ, Andreas Ottenschläger und Fritz Grillitsch (beide V), Gerhard Deimek und Günther Kumpitsch (beide F) sowie Leopold Steinbichler (T)  begrüßten die Novelle, die Rahmenbedingungen für die Tests von Systemen zum automatisierten Fahren schafft und den Wirtschafts- und Forschungsstandort Österreich stärkt. Die von Georg Willi (G) angesprochenen ethischen und datenschutzrechtlichen Grundsatz- sowie Versicherungs- und Haftungsfragen seien definitiv dann zu klären, wenn automatisiertes Fahren alltagstauglich wird, was nur in Form eines Gesetzes möglich sein wird, wie auch Minister Jörg Leichtfried unterstrich. Insbesondere Gerald Klug wies, wie auch SprecherInnen anderer Parteien auf die Dynamik der Autotechnologie hin, aus diesem Grund sei die Novelle mit der Verordnungsermächtigung der richtige Weg, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren und diese zu begleiten.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried erklärte die aktuellen Trends zur Elektromobilität und zur Entwicklung automatisierter Fahrzeuge für den Wirtschaftsstandort Österreich als sehr wichtig. Bei den Tests, die die Kraftfahrgesetznovelle ermöglicht, bleiben die LenkerInnen stets verantwortlich für alles was geschieht, außer beim automatisierten Einparken, das von der LenkerIn aber ebenfalls jederzeit abgebrochen werden kann.

Nicht überzeugt zeigte sich Georg Willi (G), der auf einen tödlichen Unfall infolge eines technischen Fehlers bei einem automatisierten Auto hinwies und vermisste unverzichtbare Rahmenbedingungen für die – auch von ihm grundsätzlich befürworteten - Tests von automatisierten Fahrsystemen. Er sage nein zu dieser Novelle, weil er Selbstfahrsystemen nicht die Entscheidung darüber überlassen möchte, welches Leben in einer kritischen Situation geopfert werden soll.  

Es gibt Sicherheits- und Haftungsfragen, räumten Gerald Klug und Hermann Lipitsch von der SPÖ ein, unterstrichen aber – wie auch die ÖVP-Sprecher sowie Leopold Steinbichler (T) und Michael Pock (N) - die Chancen durch die Weiterentwicklung automatisierten Fahrens. Daher sei die Verordnungsermächtigung für den Verkehrsminister richtig. Als wirtschaftlichen Aspekte nannte die Abgeordneten, allen voran Gerald Klug, das Interesse von 700 österreichischen Unternehmen mit 150.000 Jobs und 23 Mrd. € Wertschöpfung an der Weiterentwicklung automatisierter Fahrsysteme. Diese gehören als Autopiloten in der Luft und zu Wasser bereits zum Alltag, merkte Gertrude Aubauer (V) an und wies dabei auch auf das große Interesse älterer Menschen an Assistenzsystemen zur Erhaltung ihrer Mobilität hin. Fritz Grillitsch (V) schlug dem Verkehrsminister vor, das ganze Bundesland Steiermark, das als Standort des Österreichrings und wichtiger Automobilzulieferer größtes Interesse an der Weiterentwicklung der Autoindustrie habe, als Testgebiet für automatisierte Fahrsysteme auszuweisen.    

Michael Pock (N) zeigte Verständnis für Georg Willis ethische Bedenken, stimmte der Novelle aber zu, um - auch für die Verkehrssicherheit wichtige – Zukunftsentwicklungen nicht aufzuhalten. In einem Entschließungsantrag drängte Pock auf eine Reform des Kraftfahrbeirats, um im Einklang mit einer Kritik des Rechnungshofs zu verhindern, dass diesem Gremium Organisationen angehören, die zugleich in einem Vertragsverhältnis zum Verkehrssicherheitsfond stehen, was bei Entscheidungen über die Vergabe von Förderungen zu Interessenskonflikten führen könne. Dieser Entschließungsantrag blieb bei der Abstimmung ebenso in der Minderheit wie eine Initiative von Leopold Steinbichler (T), der im Interesse der Verkehrssicherheit größere Rückstrahler auf Mopeds und das verpflichtende Tragen von Signalwesten mit Reflektoren beantragte.

Führerscheingesetz: Autofahrerclubs dürfen Motorrad-Perfektionsfahrten anbieten

Mit breiter Mehrheit verabschiedete der Nationalrat auch eine Änderung des Führerscheingesetzes, die es Autofahrerklubs erlaubt, Perfektionsfahrten mit Motorrädern und Aufstiegsschulungen für die Führerscheinklasse A anzubieten. Zudem regelt die Novelle auch die Genehmigung neuer Testverfahren für verkehrspsychologische Untersuchungen. Aus EU-rechtlichen Gründen hebt Österreich die Berechtigung zum Lenken unbesetzter Omnibusse durch Lenker mit C-Führerschein auf.

Kritik der Grünen an großkoalitionärer Politik für ÖAMTC und ARBÖ

In der Debatte problematisierte Georg Willi (G) die Ausweitung exklusiver Aufgaben von Fahrschulen auf ÖAMTC und ARBÖ, während andere Klubs wie etwa der VCÖ von diesen Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Bei dieser großkoalitionären Politik machen die Grünen nicht mit, sagte Willi, der auch die Begründung ablehnte, es diene dem Umweltschutz und der Verkehrssicherheit, Menschen beizubringen, mit stark motorisierten, schnellen Motorrädern zu fahren.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried wies drauf hin, dass ÖAMTC und ARBÖ die notwendigen Kapazitäten haben, um Schulungen durchzuführen, ob dies auch für andere Autofahrerklubs gelte, werde er prüfen, versprach der Verkehrsminister. 479 Verkehrstote im Jahr 2015 seien jedenfalls nicht hinzunehmen. Da schlechte Ausbildung das Risiko von Verkehrsunfällen erhöhe, insbesondere bei Motorrädern, sind ihm Nachschulungen und Perfektionskurse wichtig, er wolle die Zahl der Verkehrstoten auf null stellen. Die Öffnung des Marktes werde das Schulungsangebot verbessern, zeigte sich der Minister zuversichtlich.

Lob für das Engagement der Automobilklubs für die Verkehrssicherheit

Auch Anton Heinzl (S) unterstrich die Bedeutung von Fahrsicherheitstraining und Perfektionsfahrten und erwartete vom zusätzlichen Wettbewerb auch positive Auswirkungen auf die Preisentwicklung. Die Novelle garantiere die Qualifikation der AusbilderInnen und diene der Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen. Diesen Ausführungen schlossen sich auch Johann Singer (V), Rupert Doppler (o.F.) und Gerhard Deimek (F) an, der es ebenfalls für wichtig hielt, die Autofahrerklubs in die Nachschulung einzubeziehen, weil sie viel in das Fahrsicherheitstraining investiert haben und es verdienten, Perfektionsfahrten anbieten zu können. Auch Michael Pock (N) stimmte der Novelle zu, riet aber dazu, Kriterien für das Anbieten von Perfektionsfahrten auszuarbeiten, statt zwei Organisationen zuzulassen und alle anderen auszuschließen. (Fortsetzung Nationalrat) fru