Parlamentskorrespondenz Nr. 929 vom 13.09.2016

Arbeitsmigration: Blaue Karte light soll Weg in EU ebnen

EU-Ausschuss des Bundesrats hegt Bedenken über unionsweite Harmonisierung von Zulassungsbestimmungen für Hochqualifizierte

Wien (PK) – Die EU braucht Fachkräfte. Hochqualifizierten Personen aus Ländern außerhalb der Union soll daher die Arbeitsmigration erleichtert werden: Mit diesem Vorsatz haben EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Team im laufenden Arbeitsprogramm die Überarbeitung der Blauen Karte angekündigt, die Drittstaatangehörige zu Aufenthalt und Arbeit in der Europäischen Union berechtigt. Angesichts des demografischen Wandels könne Europa seinen Arbeitskraftbedarf sonst nicht decken, so die Befürchtung, denn die Migration in die EU erfolge derzeit vor allem im Zusammenhang mit der Schutzbedürftigkeit von Personen.

Die vor sieben Jahren analog zur Green Card der USA geschaffene Blue Card der EU hatte zum Ziel, als einheitliche unionsweite Regelung im Rahmen einer erfolgreichen Migrationssteuerung für Hochqualifizierte praktikable legale Wege nach Europa zu bieten. Konterkariert wird dieses Konzept nach Meinung der Kommission durch die Vielzahl zusätzlicher nationaler Regelungen mit restriktiven Zulassungsbedingungen, die es deswegen abzuschaffen gelte.

Kritik an einheitlichem Arbeitsmarktzugang

Im heutigen EU-Ausschuss des Bundesrats stieß die Ankündigung einer EU-weiten Harmonisierung von Zuwanderungsregelungen zwar vor allem bei der FPÖ auf Ablehnung, da man nach den Worten von Monika Mühlwerth (F/W) vor allem danach trachten sollte, "die eigenen Leute zu halten", die teuer ausgebildet worden seien. Der aktuelle Richtlinienvorschlag zu "Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassende Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung" veranlasste aber auch SPÖ und ÖVP zu einer kritischen Mitteilung an die Europäische Kommission. Wie Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) ausführte, gebe es große Bedenken bei einer Harmonisierung der Zulassungsbestimmungen auf Kosten nationaler Regelungen; schon aus Subsidiaritätsgründen, da nationale Systeme wie die Rot-Weiß-Rot-Karte besser funktionierten als die Blaue Karte der EU, ergänzte Stefan Schennach (S/W).

Die Grünen schließlich erwarten sich von der Politik vermehrt Maßnahmen, um Österreich für Hochqualifizierte attraktiver zu machen. Ungeachtet dessen sei eine stärkere Abstimmung zwischen Mitgliedsstaaten in diesem Bereich zu befürworten, so Heidelinde Reiter (G/S).

Problem: Fachkräftemangel in der EU

Die 2009 verabschiedete Richtlinie zur "Blauen Karte EU" sollte die Zulassung und Mobilität hochqualifizierter ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten und ihrer Familienangehörigen erleichtern. Das Bestreben war, durch harmonisierte Einreise- und Aufenthaltsbedingungen und der Festlegung bestimmter Rechte für diese Personengruppe dem Mangel an entsprechend qualifizierten Arbeitskräften beizukommen und so Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum der EU zu stärken. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission reicht die Blaue Karte in ihrer jetzigen Form aber nicht aus, um durch gesteuerte Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Immerhin seien von den MigrantInnen, die ein EU-Zielland wählen, 48% gering und nur 31% gut ausgebildet.

Genaue Angaben zur Zahl hochqualifizierter Zuwanderer in die EU, wie sie Christoph Längle (F/V) einforderte, seien derzeit nicht bekannt, meinte ein Experte des Innenministeriums im Ausschuss. Ähnlich wenig könne darüber gesagt werden, ob der Fachkräftemangel in den diversen EU-Ländern in gleichartigen Bereichen vorhanden ist, da die Anforderungen für bestimmte Qualifikationen noch sehr unterschiedlich seien, erfuhr Ingrid Winkler (S/N). Laut EU-Kommission kämpft die europäische Wirtschaft bereits mit strukturellen Qualifikationsdefiziten und Missverhältnissen zwischen dem Arbeitskräftebedarf und dem Arbeitskräfteangebot besonders in Schlüsselbereichen wie den Informationstechnologien, dem Gesundheitswesen oder im Ingenieurbereich. Wachstum, Produktivität und Innovation würden darunter leiden und kleineren Mitgliedsstaaten falle es sehr schwer, im internationalen Wettbewerb um beruflich qualifizierte Fachkräfte zu bestehen. Schulungs- und Höherqualifizierungsmaßnahmen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit könnten den Bedarf nicht vollständig und keinesfalls sofort decken, heißt es in den Erklärungen der Kommission für ihren Vorschlag, aufbauend auf dem bestehenden Modell weitere Erleichterungen einzuführen.

Erleichterungen zum Blue Card-Erwerb

Drei Jahre ununterbrochener Aufenthalt – statt bisher fünf Jahre – sollten dem Richtlinienentwurf zufolge künftig ausreichen, um die Rechtsstellung als InhaberIn einer Blauen Karte erwerben zu können. Diese Änderung sehe man sehr kritisch, zumal dies den geltenden Bestimmungen der Daueraufenthalts-Richtlinie widerspreche, erläuterte der Vertreter des Innenministeriums. Ebenso sei das Vorhaben der Kommission, das System auf hochqualifizierte Asylberechtigte auszudehnen, problematisch, da die Verbindung zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung Österreich vermehrt zu einem Zielland für MigrantInnen machen könne. Grundsätzlich halte man zwar Bestrebungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Union für positiv, der Zuzug Hochqualifizierter sei aber tunlichst nur mit Maß und Ziel zu fördern. Das Verbot paralleler nationaler Zulassungssysteme sei völlig abzulehnen, geht es nach dem BMI, da so nicht mehr flexibel auf Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt reagiert werden könne.

Weitere von Brüssel geplante Erleichterungen zum Erwerb einer Blauen Karte sind die Senkung der Einkommensschwelle sowie der Mindestlaufzeit eines Arbeitsvertrags von 12 auf 6 Monate, vereinfachte und verkürzte Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung sowie die Möglichkeit, in begrenztem Maß freiberuflich bzw. eine Zeitlang im EU-Ausland tätig zu sein.

Zugesichert wird den Mitgliedsstaaten von der Kommission, auch im Falle einer stärker harmonisierten EU-weiten Regelung und der Abschaffung der parallelen innerstaatlichen Regelungen die Zuständigkeit für bestimmte Aspekte beizubehalten. Dazu gehören laut Entwurf unter anderem das im Vertrag verankerte Vorrecht, die zulässige Zahl an ArbeitsmigrantInnen, die aus Drittstaaten einreisen, festzulegen, und die Kontrolle über das Lohnniveau. Erlaubt werden zudem Arbeitsmarktprüfungen in Bereichen, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind, ehe eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wird.

Aufenthaltstitel: Einheitliche Kartenform soll Betrug verhindern

Vereinheitlicht werden soll überdies das äußere Erscheinungsbild von Aufenthaltskarten für Drittstaatenangehörige. Im diesbezüglichen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission heißt es, in den letzten Jahren hätten sich in den Mitgliedsstaaten große Unterschiede bei der Ausgestaltung der Aufenthaltstitel ergeben, vor allem aufgrund zusätzlich angefügter Sicherheitsmerkmale. Durch einheitliches Design und Kartenformat sowie dieselben Sicherheitsmerkmale und Personalisierungstechniken will man nunmehr die Karten besser gegen Betrug absichern. So müssen Grundsicherheitsmerkmale von allem Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Dennoch will die Kommission fakultative Sicherheitsmerkmale weiterhin zulassen. Wie genau diese auszuführen sind, will die Kommission in einem künftigen Durchführungsbeschluss festlegen. Gebilligt werden auch in einigen Ländern verbreitete Kontaktchips auf den Karten für elektronische Behördendienste, obwohl diese zu einer gewissen Uneinheitlichkeit des Formats führen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Aufenthaltstitelkarten werden vom Innenministerium ausdrücklich begrüßt, zumal Österreich bei den Vorarbeiten zur Schaffung des neuen Aufenthaltstitels im Scheckkartenformat aktiv mitgewirkt habe, wie der Vertreter des zuständigen Innenressorts im Ausschuss sagte. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei


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