Parlamentskorrespondenz Nr. 1032 vom 05.10.2016

Klimaschutz: EU-Emissionsziele verlangen extra-Engagement

EU-Ausschuss sieht zusätzliche Maßnahmen zur Zielerreichung unausweichlich

Wien (PK) – Der Klimawandel ist ein grenzüberschreitendes Problem – darüber sind sich die Bundesrätinnen und Bundesräte im Klaren. Maßnahmen dagegen, etwa im Verkehrsbereich seien daher auf europäischer beziehungsweiser internationaler Ebene zu koordinieren. Im EU-Ausschuss der Länderkammer zweifelte heute jedoch die FPÖ daran, dass die von Brüssel angestrebte Lastenteilung bei der Reduktion klimaschädlicher Gase unter den EU-Mitgliedsstaaten gerecht ist – und fand sich damit eines Sinnes mit der Wirtschaftskammer. SPÖ, ÖVP und Grüne befanden wiederum im Einklang mit dem Umweltministerium, vermehrte Maßnahmen seien zur Eindämmung der Klimaerwärmung fraglos nötig, auch wenn sich dadurch Herausforderungen ergeben.

Kommissionsinitiative zum Klimaschutz

Auslöser der Klimadebatte waren zwei Kommissionsvorschläge aus dem sogenannten "Sommerpaket zur Energieunion zur Umsetzung des Klima- und Energierahmens 2030". Damit will Brüssel eine krisenfeste Energieversorgung in der Union absichern und zugleich die Vorgaben des Klimaschutzabkommens von Paris erfüllen. Zum einen werden dabei verbindliche nationale Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021-2030 festgelegt, zum anderen die Emissionen und der Abbau von Treibhausgasen (THG) aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 einbezogen.

Das Klimaübereinkommen von Paris wurde im Dezember 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet und hat zum Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich weniger als 2 °C – möglichst nur 1,5°C - im Vergleich zu vorindustriellen Werten einzudämmen. Die EU soll gemäß dieser Vorgaben die THG-Emissionen bis 2050 gegenüber dem Stand von 1990 um 80-95% verringern.

36% Minderung der Treibhausgase bis 2030 in Österreich

"Mit den derzeit angewendeten Maßnahmen werden die THG-Emissionen voraussichtlich nicht in ausreichendem Maße gesenkt werden, damit die Europäische Union das Ziel einer bis 2030 zu verwirklichenden Reduzierung von mindestens 40% gegenüber dem Stand von 1990 erreichen kann", hält die Europäische Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag zur Treibhausgasreduktion fest. Referenziert wird dabei auf die Zielverpflichtung bis 2030, die die EU im Paris-Abkommen eingegangen ist. Eine Schadstoffminderung in nicht-Emissionshandelssektoren (nicht-EHS-Sektoren) um 30% und im Emissionshandel um 43% gegenüber 2005 sei nur zu erreichen, wenn weitere, ambitiösere Maßnahmen zur Emissionsverringerung ergriffen werden, mahnt die Kommission.

Ähnlich wie die Bundesländer in einer gemeinsamen Stellungnahme zum EU-Klimaschutzpaket meinen Stefan Schennach (S/W), Ferdinand Tiefnig (V/O), und Heidelinde Reiter (G/S), ohne zusätzliche Anstrengungen zum Klimaschutz könnten die Zielsetzungen bis 2030 kaum erreicht werden. Ingrid Winkler (S/N) warnte in diesem Zusammenhang davor, dass einzelne Mitgliedsländer über den Zertifikatehandel die Zielerreichung umgehen könnten, und Schennach betonte überdies, im Falle eines Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der EU – Stichwort Brexit - sei sicherzustellten, dass die Reduktionsziele der Briten nicht einfach auf die restlichen Mitgliedsländer aufgeteilt werden.

Das heimische Umweltministerium unterstütze die Überlegungen der Kommission, so ein Ressortexperte im Ausschuss. Die Vorschläge seien ambitioniert, orientieren sich aber am Beschluss des Europäischen Rats vom Oktober 2014, den Treibhausgasausstoß in der EU nachhaltig zu begrenzen. Zum Handel mit Emissionsrechten meinte der Klimaexperte, dieser habe sich bislang nicht bewährt, da die Zertifikate zu billig am Markt waren, was man nun ändern wolle. Auswegszenarien aus dem Klimaschutzabkommen ergäben sich für die Mitgliedsländer dadurch kaum, da die Zielerreichung sowohl auf UN- als auch auf EU-Ebene überprüft werde.

Effort-Sharing zum Nutzen aller?

Die Mitgliedstaaten sollen gemäß dem Effort-Sharing Prinzip zur EU-weiten Reduzierung bis 2030 entsprechend ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf mit Zielen zwischen 0% und -40% gegenüber dem Stand von 2005 beitragen. Für Österreich würde dies eine Reduktion von 36% bedeuten. Mit Flexibilitätsregelungen will man dabei die Einhaltung der jährlichen Emissionsobergrenzen erleichtern; so soll der Handel von Emissionsrechten zwischen den Mitgliedstaaten weitergeführt werden und jährliche Emissionszuteilungen können vorweggenommen oder auf Folgejahre übertragen werden. Die Lastenteilung zwischen den EU-Ländern sowie die Einbeziehung aller Wirtschaftssektoren zur Verwirklichung der Reduktionsziele sollten auf faire und ausgewogene Weise Kostenwirksamkeit gewährleisten. Verbesserungen verspricht sich die Kommission durch die Schadstoffreduktion insbesondere in den Bereichen Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Verkehr. Die meisten Einsparungspotentiale gibt es in Österreich laut Umweltministerium (BMLFUW) bei Gebäuden und Verkehr sowie in der Industrie. Das bisherige Ziel, bis 2020 16% an Treibhausgasen einzusparen, sollten leicht erreicht werden, so ein BMLFUW-Vertreter im Ausschuss. Um die EU-Vorgaben bis 2030 zu erreichen, koordiniere die Regierung ressortübergreifend und mit den Sozialpartnern eine Integrierte Energie- und Klimastrategie.

Von Sozialpartnerseite äußerte sich allerdings ein Mitarbeiter der Wirtschaftskammer äußerst kritisch zu den EU-Klimazielen bzw. zur Methodik der Lastenteilung: diese sei nicht fair, weil die neuen EU-Mitgliedsstaaten weniger Maßnahmen als Österreich gesetzt hätten und trotzdem niedrigere Zielerreichungswerte hätten. Das -36%-Ziel ist aus WKÖ-Sicht zu streng; es sei nur mit neuen Abgaben zu erreichen. Ähnlich äußerte sich Hans-Jörg Jenewein (F/W), der dabei auf die Verbreitung kalorischer Kraftwerke in Osteuropa hinwies. Besorgt zeigte sich der FPÖ-Mandatar darüber, dass die Nuklearenergie durch das Klimaabkommen in den neuen EU-Ländern an Auftrieb gewinnt. Diese Sorge teilte der BMLFUW-Experte wohl, er gab jedoch zu bedenken, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätten die osteuropäischen Staaten viel weniger Emissionen produziert als Westeuropa. Außerdem sei diesen Ländern ausreichend Spielraum zuzugestehen, um wirtschaftlich aufholen zu können.

Neue Verhaltensweisen gefragt

Für die Grünen ist klar, was es braucht, um bis zur Mitte des Jahrhunderts einen niedrigeren Umsatz von Kohlenstoff zu erzielen: eine Bewusstseinsänderung, gerade in der Wirtschaft, wie Bundesrätin Reiter unterstrich. Letztlich sei eine Weiterentwicklung der Wirtschaft ohne Dekarbonisierung schwer möglich. Benötig würden dafür geeignete Rahmenbedingungen wie etwa Energiesteuern anstelle des Zertifikatehandels.

Grundsätzlich sei ein Übergang zu einer Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß erforderlich, heißt es auch im Verordnungsentwurf der Kommission, wobei dieser Übergang Veränderungen im Wirtschafts- und Investitionsverhalten und Anreize in sämtlichen Politikbereichen erfordere. Eröffneten doch Investitionen und Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien neue Chancen für Wachstum und Beschäftigung. Im Kontext des Übergangs zu sauberer Energie sollten die Mitgliedstaaten daher zusätzliche Strategien und Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen durchführen, Initiativen von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, Städten und Organisationen nachdrücklich fördern und ihre zentralen und lokalen Behörden auf verschiedenen Ebenen zur Zusammenarbeit anhalten. Im Gegenzug ermöglicht der Kommissionsvorschlag einen verringerten Verwaltungsaufwand, da Compliance-Kontrollen nur noch alle fünf Jahre erfolgen sollen. Überschreitungen der nationalen Emissions-Jahresziele würden dann mit entsprechenden Verringerungen für die Folgejahre sanktioniert. Die Luft- und die Schifffahrt macht Bundesrat Tiefnig als entscheidende Aktionsfelder im Klimaschutz aus, auch der Tourismus – vor allem im Winter – dürfe nicht vergessen werden. Jedenfalls sollte Europa im Kampf gegen die Klimaerwärmung die ersten Schritte setzen.

Nachhaltige Waldbewirtschaftung optimaler Beitrag zum Klimaschutz

Eine nachhaltige Forstwirtschaft ist für die waldreiche Alpenrepublik der Joker, wenn es um Klimaschutz geht. Künftig will die EU-Kommission nämlich Emissionen und Kohlenstoffspeicherung in Wäldern bzw. Acker- und Grünland (Landnutzung) im EU-Klimaziel für die Periode 2021-2030 mitregeln, wie aus ihrem Verordnungsvorschlag hervorgeht. Damit würde sich für Österreich die Möglichkeit ergeben, durch nachhaltige Bewirtschaftung die nationale Klimabilanz zu verbessern, so der Ministeriumsexperte. Das Umweltministerium begrüßt diesen Ansatz, wenn auch mit dem kritischen Hinweis, dass die Einbeziehung von Wald in den Klimaschutz lediglich als Flexibilitätsmechanismus – und nicht als eigenständiges Reduktionsinstrument – definiert wird. Die Wertschätzung des Waldes in den Brüsseler Plänen sei zwar positiv, meinte auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer; der Vorarlberger ÖVP-Mandatar hinterfragte aber, inwieweit sich dadurch für Österreich eine tatsächliche Verbesserung bei den Klimazielen ergibt.

Hintergrund der Kommissioninitiative ist das Bestreben, Klimaschäden durch die Land- und Forstwirtschaft - wenn etwa CO2-speichernde Naturflächen in Anbauflächen umgewandelt werden – beizukommen. Die Bereiche Landnutzungsänderungen, Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) können maßgeblich zum Klimaschutz beitragen, neben der Emissionsminderung eben auch durch das Speichern von Kohlenstoffbeständen. Eine "No-Debit-Regel" im Kommissionsentwurf verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, Emissionen im agrar- und forstwirtschaftlichen Bereich zu kompensieren, beispielsweise durch den Abtausch von entwaldeten und aufgeforsteten Flächen. Ungeachtet dessen sollen die Mitgliedstaaten laut Kommissionsplan selbständig entscheiden, welche nationalen Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Bereich LULUCF angemessen sind. Zur Berechnung der Emissionsreduktion sind wiederum einheitliche Parameter vorgesehen. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei


Format