Parlamentskorrespondenz Nr. 1281 vom 22.11.2016

Brandstetter: Senkung der Gerichtsgebühren kaum möglich

Nationalrat diskutiert Justizbudget für 2017

Wien (PK) - Die Justiz soll kommendes Jahr über rund 1,4 Mrd. € an Budget verfügen. Die Oppositionsparteien werten trotz der Mittelerhöhung gegenüber 2016 – damals hatte der Bundesvoranschlag für Justiz 1,3 Mrd. € betragen - das Justizbudget 2017 als zu gering bemessen. Sprecher aller Fraktionen kritisierten im heutigen Nationalrat auch die Gerichtsgebühren. Diese würden zum Füllen von Budgetlücken genutzt, aufgrund ihrer Höhe würden sie aber großen Teilen der Bevölkerung den Rechtszugang verwehren. Justizminister Wolfgang Brandstetter verwies auf Vorgaben aus dem Finanzministerium, die einer Senkung der Gerichtsgebühren entgegenstehen. Abseits der Tagesordnung wurde von der SPÖ die Reform des Sachwalterschaftsrechts eingemahnt, zumal der entsprechende Gesetzesentwurf vom Ministerrat noch nicht behandelt worden sei.

Der Bundesvoranschlag 2017 für den Bereich Justiz sieht Auszahlungen von 1,435 Mrd. € und Einzahlungen von 1,21 Mrd. € vor. Als größter Posten bei den Ausgaben schlägt im Ergebnisvoranschlag die Rechtsprechung (850,6 Mio. €) zu Buche, in den Strafvollzug fließen 488,8 Mio. €, für Steuerung und Services sind 95,50 Mio. € budgetiert.

Gerichtsgebühren sind zu hoch – Einigkeit unter den Abgeordneten

Trotz eines gut funktionierenden Justizsystems gebe es einiges zu kritisieren, hob Harald Stefan (F) in der Plenardebatte hervor. Beispielsweise seien die Gerichtsgebühren, etwa für Eintragungen ins Grundbuch, viel zu hoch. Letztendlich werde damit das Budget gespeist, der Zugang zum Recht aber erschwert. Albert Steinhauser (G) stößt sich ebenfalls an den hohen Einnahmen aus Gebühren und Strafen. Rechtssuchende würden mehr zahlen, als sie an äquivalenter Gegenleistung erhalten, da die Gelder andernorts eingesetzt würden. Wie Stefan und Steinhauser kritisiert auch Nikolaus Scherak (V) die "unverhältnismäßige Belastung", die BürgerInnen durch Gerichtsgebühren auferlegt werde, um "Budgetlöcher zu stopfen", worin er mit Christoph Hagen (T) übereinstimmte. Die Gebühren seien zu hoch, betonte auch Werner Groiß (V), unterstrich aber, dass der Zugang zum österreichischen Recht gegeben sei. Peter Wittmann (S) stellte die Verhältnismäßigkeit der Gerichtgebühren in Frage. Die Grunderwerbsteuer ist seiner Ansicht nach aufgrund des Vermögenswerts gerechtfertigt, nicht hingegen die Gebühren für die gerichtliche Einmahnung von kleineren Geldbeträgen bis 3000 €. Im Sinne eines effizienten Rechtssystems müssten diese Gebühren gedämpft werden, meinte Wittmann.

Eine Senkung der Gerichtsgebühren sei nicht zu schaffen, ließ Justizminister Brandstetter die Abgeordneten wissen. Aufgrund des Legalitätsprinzips sei er an die Gesetze gebunden, die das Parlament beschließe. So auch an das Haushaltsrecht, das dem Finanzressort unterliege. Würde er jedoch die Adäquanz von Gebühr und Gegenleistung bezweifeln, so würde er die Gerichtsgebühren verfassungsrechtlich prüfen lassen.

Opposition stellt Budgetwahrheit in Frage

2016 seien 164 Mio. € aus dem Justizbudget ins allgemeine Budget geflossen, erinnerte Steinhauser und meinte, auch heuer werde die Justiz über die Kartellstrafen dem Finanzminister als "CashCow" dienen. Folglich müssten Rücklagen zur Finanzierung des Justizbetriebs aufgelöst werden, außerdem lasse die Qualität des Strafvollzugs schwer zu wünschen übrig. Nikolaus Scherak (N) hielt fest, das Justizbudget sei nicht besonders hoch, zumal unsicher sei, ob es in dieser Form halten werde. Er zitierte den Parlamentarischen Budgetdienst, die Bundesvoranschläge zur Justiz seien schon seit Jahren zu gering gewesen. Die jahrelange Unterbudgetierung des Justizressorts veranlasste Hermann Brückl (F) dazu, die Budgetwahrheit in Frage zu stellen. Es sei eine ausreichende Budgetierung sicherzustellen, um den BürgerInnen durch schnelle Entscheidungsfindung rasch Rechtssicherheit zu verschaffen. Die Einführung der Teamassistenz sei ein Schritt in die richtige Richtung, meinte er.

Werner Groiß (V) durchleuchtete das diesjährige Budget im Lichte der Unabhängigkeit der Justiz. Die hohe Eigenfinanzierungsquote von 70 bis 80% soll beispielsweise durch die geplante Homepage jailshop.at weiter ausgebaut werden, anerkannte der die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit der Inhaftierten. Gerhard Schmid (o.F) begrüßte, dass das Justizministerium kostendeckend arbeite. Die Zusammenlegung von Bezirksgerichten ist aufgrund der Erschwernis der öffentlichen Erreichbarkeit nicht in seinem Sinn.

2018 wird eine Finanzierung durch Rücklagen nicht mehr möglich sein, diese sind dann aufgebraucht, wies Klaus Uwe Feichtinger (S) hin. Die Aufstockung der Planstellen bei den Justizwachbeamten sah er durchaus positiv, sprach sich jedoch für eine Initiative aus, um mehr BewerberInnen zu motivieren. Auch Christian Lausch (F) befürwortete die Aufstockung der Planstellen, meinte jedoch, diese könnten nur bei einer entsprechenden Budgetierung besetzt werden. Er verfüge über kein Budget für Inserate, ging Justizminister Brandstetter auf die Wortmeldungen der Abgeordneten ein. Der sparsame Umgang mit dem vorhandenen Budget ist ihm ein wichtiges Anliegen. Dabei bringe er auch modernste Technik zum Einsatz, beispielsweise durch die digitale Aktenführung.

In Hinblick auf Einsparungsmöglichkeiten empfahl Johannes Jarolim (S), Sammelklagen zur beschleunigten Rechtsfindung und somit für weniger finanziellen Aufwand gesetzlich zu erleichtern. An dem Regierungsentwurf würde derzeit intensiv gearbeitet, erfuhr er von Justizminister Brandstetter. Die Erträge aus Kartellstrafen sollten im Sinne der KonsumentInnen an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) gehen, setzte sich Jarolim ein. Entlastung erfahre die österreichische Landesverwaltung und Justiz durch Schlichtungsstellen, führte Ruth Becher (S) aus, und hob die hohe Qualität von Außerstreitverfahren im Mietrecht hervor.

Die vorhandenen Rücklagen sind bald aufgebraucht. Mittelfristig, also bereits ab dem Budget 2018, steht das Justizressort Budgetengpässen gegenüber, sagte der Justizminister. Deshalb trete er an das Parlament mit der Bitte um ein angemessenes Budget heran. Er werde auf einen sparsamen Einsatz der Mittel achten, versprach Brandstetter den Abgeordneten.

FPÖ und Team Stronach propagieren Einsparung bei ausländischen Häftlingen

Als konkrete Maßnahme zur Kostenersparnis angesichts der prekären finanziellen Lage der Justiz empfahl der Freiheitliche Harald Stefan mit einem eigenen Entschließungsantrag, in Österreich verurteilte ausländische StaatsbürgerInnen zur Verbüßung ihrer Strafe in ihr Heimatland zu bringen. Damit konnte er auch Philipp Schrangl (F) für sich gewinnen. Sorge äußerte Hagen (T) in Bezug auf ausländische Häftlinge, diese würden sich immer öfter an JustizbeamtInnen vergreifen. Angesichts der guten Haftbedingungen in Österreich stelle sich die Frage, findet der Team Stronach-Politiker, inwieweit eine Haft dann noch als Strafe zu werten ist. Aus aktuellem Anlass sprach Georg Vetter (V) das Video auf Facebook an, auf dem ein Mädchen von anderen Jugendlichen verprügelt wird. Er thematisierte dann das Spannungsfeld Opferschutz und Zensur.

Brandstetter will Aggressionspotential in Haftanstalten reduzieren

Beim Strafvollzug müsse zwischen den Tätern differenziert werden, forderte Lausch und ging insbesondere auf geistig abnorme aber zurechnungsfähige Täter ein. Um radikale Islamisten unterzubringen regte er an, eine eigene Sicherheitsabteilung einzuführen. Das Budget für solch notwendige Reformen fehle aber, gestand der Abgeordnete ein. Die FPÖ sei ein zuverlässiger Partner, der sich für den Schutz von ExekutivbeamtInnen einsetzt, ließ Schrangl die Regierungsparteien wissen. Nicht nur JustizbeamtInnen, auch ZeugInnen und RichterInnen bedürfen eines stärkeren Rechtsschutzes vor Attacken, regte Schrangl eine Ausweitung der Straferhöhung an.

Eine nachhaltige Sicherheitspolitik beginne bei der Prävention in Schulen und gehe bis zur Nacharbeit nach dem Aufenthalt in einer Justizanstalt, führte der Justizminister dazu aus. Eine Reduzierung der Radikalisierung in den Haftanstalten sei erforderlich. Aus gegebenem Anlass will er forensische Zentren schaffen, um Häftlinge in eigenen Anstalten mit Außenabsicherung zu betreuen. Durchschnittlich 123 € pro Tag koste ein Häftling dem österreichischen Steuerzahler, kritisierte Schrangl (F) die Höhe der Vollzugskosten. Dieser Wert sei durch Investitionen in den Ausbau von Haftanstalten verzerrt, entgegnete der Justizminister gelassen.

Michaela Steinacker (V) wiederum versuchte, die Sorge über das erhöhte Aggressionspotential in Gefängnissen auszuräumen. Nicht nur verfüge die Justizwache nun über eigene Schutzwesten, auch die Zahl der JustizwachebeamtInnen steige, erinnerte sie unisono mit Justizminister Brandstetter. Die Anregung von Lausch, die Geschworenengerichtsbarkeit zu reformieren, nahm der Justizminister gerne an. Petra Bayr (S) setzte sich für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ein und will Menschenrechtsverletzungen aktiver entgegentreten.

Sachwalterschaftsreform lässt noch auf sich warten

Als "klein aber fein" bezeichnete im Widerspruch zur Opposition Michaela Steinacker (V) das Justizbudget. Das Justizressort beweise, wie mit optimaler Mittelverwendung viel geleistet werden kann, beispielsweise gebe es keine Kürzungen bei RichterInnen. Bewiesen habe man die Leistungsbereitschaft überdies mit mehreren schon beschlossenen Gesetzesreformen, vom Strafrecht bis zum Urheberrecht, unterstrich die Vorsitzende des Justizausschusses. Zudem seien Änderungen im Maßnahmenvollzug und das Erwachsenenschutzrecht anstelle der Sachwalterschaft in Planung. Letzterer Punkt rief Johannes Jarolim (S) auf den Plan: Ihm zufolge ist der Entwurf zum neuen Erwachsenenschutzsystem im letzten – heutigen - Ministerrat nicht behandelt worden. Dabei sei es nicht akzeptabel, betonte der SPÖ-Justizsprecher, Betroffene - diese "Ärmsten der Armen" - außen vor zu lassen, und er appellierte ans Plenum, die Reform der Sachwalterschaft nicht länger aufzuschieben. (Fortsetzung Nationalrat) rei/gro