Parlamentskorrespondenz Nr. 1337 vom 30.11.2016

Innenausschuss gibt grünes Licht für Enteignung von Hitlers Geburtshaus

Weitere Verwendung ist noch offen

Wien (PK) – Der Innenausschuss des Nationalrats hat heute grünes Licht für die Enteignung von Hitlers Geburtshaus in Braunau gegeben. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen und die NEOS einem entsprechenden Gesetzentwurf von Innenminister Wolfgang Sobotka zu. Durch die Enteignung will man verhindern, dass das Haus eine Pilgerstätte für Neonazis bzw. Rechtsextremisten wird. Die weitere Verwendung des Gebäudes ist noch offen, in Frage kommt laut Sobotka sowohl eine Nutzung für sozialpädagogische Einrichtungen als auch für Verwaltungseinheiten. Er habe das Land Oberösterreich und die Gemeinde Braunau um entsprechende Vorschläge gebeten. Baulich soll das Gebäude jedenfalls so umgestaltet werden, dass es sich nicht mehr als Erinnerungsort eignet.

Gegen das Gesetz stimmten die FPÖ und das Team Stronach. Sie halten eine Enteignung des Gebäudes, die zivilrechtlich schärfste Maßnahme, wie FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz anmerkte, für überschießend. Es wäre angebracht gewesen, weitere Gespräche mit der Eigentümerin zu führen, betonte er. Zudem glaubt er nicht, dass man mit einer Enteignung zweifelhaftes Gedenken vor Ort unterbinden kann.

Nach Meinung von Christoph Hagen vom Team Stronach würde es ausreichen, den vor dem Gebäude befindlichen Mahnstein zu entfernen. "Nur weil ein paar Ewiggestrige dorthin rennen", sei eine Enteignung des Gebäudes nicht gerechtfertigt. Zudem sei nicht einmal klar, dass Hitler tatsächlich in diesem Gebäude geboren wurde. Rosenkranz äußerte den Verdacht, dass der eigentliche Grund für die Enteignung ein schlechter Mietvertrag ist.

Innenminister Wolfgang Sobotka wies darauf hin, dass das Ministerium fünf Jahre lang versucht habe, das Gebäude zu kaufen. Verhandlungen mit der Eigentümerin seien aber an deren Unwillen gescheitert. Dem Einwand der FPÖ, dass man zweifelhafte Umtriebe vor Ort auch mit anderen Mitteln unterbinden könnte, hielt der Minister entgegen, dass ein stilles Gedenken nach dem Verbotsgesetz nicht belangbar sei. Überdies müsse man auch die "permanente Insultierung" der Braunauer BürgerInnen bedenken. Ob es sich tatsächlich um Hitlers Geburtshaus handelt oder nicht, ist für ihn unerheblich.

Ausdrücklich für eine Enteignung sprachen sich auch SPÖ-Abgeordneter Harry Buchmayer, ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Prinz und Grünen-Abgeordneter Harald Walser aus. Man habe sich jahrelang um eine Lösung bemüht, es bleibe letztendlich aber nichts anderes übrig, betonten sowohl Buchmayr als auch Prinz. Laut Buchmayr ist die Lebenshilfe im Jahr 2011 deshalb aus dem Gebäude ausgezogen, weil die Besitzerin notwendige Umbauarbeiten im Haus verweigert hat.

Für Abgeordneten Walser ist es wesentlich, dass neonazistische Aktivitäten vor dem Haus nachhaltig verhindert werden. Es habe in den vergangenen Jahren einige sehr unschöne Szenen gegeben, meinte er. Was die weitere Nutzung des Gebäudes betrifft, wertete es Walser als positiv, dass die Kommission zum Schluss gekommen ist, dass sich das Haus nicht als Museum eignet. Eine befriedigende Lösung wird es seiner Überzeugung nach jedenfalls nur dann geben, wenn die Behörden und die Bevölkerung in Braunau eingebunden werden. Gedanken machen solle man sich auch darüber, ob der Gedenkstein vor dem Haus nicht eine Markierung des Gebäudes ist.

Nikolaus Alm von den NEOS hätte es für sinnvoller gehalten, zunächst festzulegen, was mit dem Haus weiter passiert, ehe über eine Enteignung entschieden wird. Man solle verschiedene Varianten durchdenken, auch eine Schleifung oder einen bewussten Verfall des Gebäudes. Ein von ihm eingebrachter Vertagungsantrag erhielt aber nicht die erforderliche Mehrheit. Zu den Empfehlungen der eingesetzten Kommission merkte Alm an, er teile zwar das grundsätzliche Ergebnis, das vorgelegte Papier sei aber eher meinungsbasiert als faktenorientiert. Unter anderem vermisst er Zahlenmaterial in Bezug auf den tatsächlichen Rechtsextremismus-Tourismus vor Ort. Ein Problem werde mit der Enteignung in jedem Fall nicht gelöst, so Alm, Braunau werde als Ort nicht von der Landkarte verschwinden.

Denkmalschutz steht Umbau oder Abriss nicht entgegen

Dem Gesetzentwurf (1250 d.B.) zufolge soll die Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr. 15 unmittelbar nach Leistung einer Entschädigungssumme amtswegig an den Bund übertragen werden, wobei sich die Republik Österreich dazu verpflichtet, diese entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes – Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts – zu nutzen und nicht weiter zu veräußern. Eine konkrete Entschädigungssumme wird nicht genannt, diese soll sich nach dem Eisenbahn-Entschädigungsgesetz richten.

In den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass eine vertragliche Lösung mit der Besitzerin der Liegenschaft trotz jahrelanger Anstrengungen nicht möglich gewesen ist. Die vorgesehene Enteignung würde nun die Möglichkeit eröffnen, durch eine "positive Nutzung" der Liegenschaft einen deutlichen Kontrapunkt zur historischen Stellung des Hauses zu setzen. In Frage käme theoretisch auch ein Abriss des Gebäudes, auf Belange des Denkmalschutzes muss explizit keine Rücksicht genommen werden.

Rechtlich beruft sich die Regierung nicht zuletzt auf den im Verfassungsrang stehenden Staatsvertrag von 1955, der Österreich verpflichtet, alle nationalsozialistischen Spuren aus dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu beseitigen und ein Wiederaufleben des Nazismus zu bekämpfen. Derzeit wird das Haus in Braunau am Inn vom Bund bzw. von der Gemeinde Braunau gemietet, seit Beendigung des Untermietverhältnisses mit der Lebenshilfe Oberösterreich im Jahr 2011 steht es allerdings leer. Aufgrund der Enteignung werden in den nächsten Jahren Mietaufwendungen von jeweils rund 56.000 entfallen. (Fortsetzung Innenausschuss) gs