Parlamentskorrespondenz Nr. 137 vom 15.02.2017

Sozialausschuss: Gelockerter Kündigungsschutz soll Jobchancen für Arbeitslose über 50 erhöhen

Für alle Betriebsräte gilt künftig fünfjährige Funktionsperiode

Wien (PK) – Der Nationalrat hat im Dezember vergangenen Jahres beschlossen, die Funktionsperiode von Betriebsräten von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Allerdings gilt das derzeit nur für Betriebsräte, die nach dem Arbeitsverfassungsgesetz eingerichtet sind. Nun sollen die neuen Bestimmungen auch für Betriebsräte in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie für die Personalvertretung der Post und Telekom Austria nachvollzogen werden. Ein entsprechender Gesetzesantrag der Koalitionsparteien wurde heute vom Sozialausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach angenommen. Außerdem stimmten die Koalitionsparteien und das Team Stronach einer Initiative der NEOS zu: Ein gelockerter Kündigungsschutz soll die Jobchancen für ältere Arbeitslose erhöhen. Die Grünen bezweifelten diese Wirkung und stimmten dagegen.

Begründet wird die Verlängerung der Funktionsperiode der Betriebsräte (1938/A) von den Koalitionsparteien damit, dass sich die Arbeitswelt und die Anforderungen an die Belegschaftsvertretung grundlegend verändert haben und dies eine Stärkung der Kontinuität der Gremien erforderlich macht. In diesem Sinn sollen auch Behindertenvertrauenspersonen künftig für fünf Jahre gewählt werden. Begleitend zur Verlängerung der Tätigkeitsdauer wird außerdem der Anspruch auf Bildungsfreistellung für Betriebsratsmitglieder um drei Tage auf insgesamt drei Wochen und drei Tage für die Dauer der Funktionsperiode ausgedehnt.

Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen ab Juli gelockert

Mitverhandelt mit der Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien wurde ein Antrag der NEOS (1140/A) zum erhöhten Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen, der unter Berücksichtigung eines S-V-N-Abänderungsantrags schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach angenommen wurde. Die für ältere Beschäftigte geltenden Sonderbestimmungen sollen demnach künftig nicht mehr zum Tragen kommen, wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einstellung bereits älter als 50 Jahre waren. Damit will man die Jobchancen älterer Arbeitloser verbessern. In den Erläuterungen zum Abänderungsantrag wird dazu auch auf das erneuerte Arbeitsprogramm der Regierung verwiesen. Gelten soll die Neuregelung für ArbeitnehmerInnen, deren Arbeitsverhältnis ab Juli begründet wird.

Beschäftigungsaktion für ältere Langzeitarbeitslose

In diesem Zusammenhang fassten die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen auch eine Ausschussfeststellung, mit der sich der Sozialausschuss ausdrücklich zu der von der Bundesregierung beschlossenen "Beschäftigungsaktion 20.000" bekennt. Das Programm zielt darauf ab, jährlich 20.000 Arbeitsplätze für über 50-jährige langzeitarbeitslose Menschen in Gemeinden, über gemeinnützige Trägervereine und in Unternehmen zu schaffen bzw. zu fördern, um die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe zu halbieren. Trotz offener Fragen standen die Grünen der Beschäftigungsaktion positiv gegenüber. Birgit Schatz (G) hoffte aber, dass dies nicht mittels Leiharbeit durchgeführt werde. Dahingegen empfand Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) die Ausschussfeststellung als "Kahlschlag für das Sozialsystem".

Gemäß der Ausschussfeststellung soll das Programm im Juli in Form von Pilotprojekten in allen Bundesländern starten und vorläufig auf zwei Jahre befristet sein. Zur Finanzierung werden zusätzlich zu den vorhandenen Arbeitsmarktgeldern 200 Mio. € zur Verfügung gestellt. Bei einer erfolgreichen Evaluierung der Pilotprojekte im Herbst 2018 könnte sich die Summe verdoppeln. Begleitet werden sollen die Pilotprojekte durch Coachingmaßnahmen, damit will man den Übergang von geförderten Beschäftigungsverhältnissen zu normalen Jobs erleichtern. Weitere Informationen zur Beschäftigungsaktion würden laut Sozialminister Stöger folgen.

Neues Kindergeldkonto erfordert Anpassung bei betrieblichen Pensionskassen

Einstimmig beschloss der Sozialausschuss eine Änderung des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes und des Landarbeitsgesetzes (2003/A). Anlass dafür ist die Einführung des Kinderbetreuungsgeld-Kontos mit 1. März 2017. Für Geburten nach diesem Zeitraum kann Kinderbetreuungsgeld in flexibler Höhe bezogen werden, abhängig von der Bezugsdauer. Das soll laut Antrag auch bei jenen Beiträgen Berücksichtigung finden, die der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) während des Kindergeldbezugs anstelle des Arbeitgebers an die jeweilige betriebliche Pensionskasse leistet. Die Beitragsleistung von 1,53% knüpft demnach künftig am konkret bezogenen Tagesbetrag des Kinderbetreuungsgelds an. In beiden Gesetzen sind zudem legistische Anpassungen vorgesehen.

Gemeinsam mit dem Koalitionsantrag zur Diskussion stand die Forderung der FPÖ nach einer gesetzlichen Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts (1175/A(E)). Abseits von Kollektivverträgen gebe es keinen Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, monieren Werner Neubauer und Herbert Kickl. Ihrer Meinung nach könnten das ausländische Firmen ausnutzen, um Lohndumping zu betreiben. Es sei eine Einigung mit den Sozialpartnern zu finden, so Neubauer. Der Handlungsbedarf ist bekannt, meinte dazu Gabriel Obernosterer (V). In Österreich decken die Kollektivverträge einen Großteil der Ansprüche ab, schwächte er aber die Dringlichkeit ab. Auch Markus Vogl (S) konnte die Überlegungen nachvollziehen. Es werde daran gearbeitet, begründete Obernosterer die Vertagung seitens der Regierungsparteien.

Zur Forderung des Team Stronach nach einer Imagekampagne für die Lehre (1998/A(E)) merkte Walter Bacher (S) an, dass auch er für die Attraktivierung des Lehrberufs und die Hebung des Images sei. Der Antrag wird aber dennoch abgelehnt, da das Wirtschaftsministerium dafür zuständig ist. Birgit Schatz (G) wollte auch in die Lehre investieren. Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie seien alarmierend, daher wolle sie die Qualität und Quantität betrieblicher Ausbildungen verbessern.

Opposition beharrt auf Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern

Zum Themenblock Sozialversicherung lagen dem Ausschuss mehrere Anträge der Opposition vor. So pochen die Grünen auf ein einheitliches Sozialversicherungssystem mit gleichen Beitragssätzen und gleichem Leistungskatalog für alle (1810/A(E)). Als ersten Schritt zur Reduzierung der Sozialversicherungsträger auf eine einzige Pensionsversicherung schlagen sie eine einzige Krankenversicherung und eine Unfallversicherung die Abschaffung von Mehrfachversicherungen für Personen mit mehreren Jobs vor (1968/A(E)). Gertrude Aubauer (V) verwies diesbezüglich auf das aktuelle Arbeitsprogramm der Regierung. Die NEOS äußerten sich zustimmend zu den Forderungen und NEOS drängen auf einen Aufnahmestopp: Insbesondere in den Bereichen Verwaltung und Verrechnung sollen die Sozialversicherungsträger vorerst keine neuen MitarbeiterInnen mehr einstellen dürfen (1972/A(E)). Auch die FPÖ möchte die Effizienz steigern und tritt für eine Potentialanalyse ein (1176/A(E)).

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker forderte die Einrichtung einer Transparenzdatenbank im Sozialbereich (1647/A(E)). Loacker erhofft sich davon eine bessere Steuerung bei der Gewährung von Sozialleistungen und Verfahrensbeschleunigungen. Es gebe bereits eine Transparenzdatenbank, meinte Aubauer. Für weitere Schritte wollte sie auf eine von Sozialminister Alois Stöger international in Auftrag gegebene Studie zur Evaluierung des österreichischen Sozialversicherungssystems warten. Diese internationalen Experten würden einen "Blick von außen" auf das österreichische System werfen, erklärte Stöger. Er wolle sich den Ergebnissen stellen, wichtig sei ihm aber, bestehende Leistungen für die Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Zur Transparenzdatenbank meinte er, der Zugang zu den Daten sei gegeben, der Datenaustausch funktioniere. Mit Hinweis auf die erwartete Studie wurden die Anträge zum Kapitel Sozialversicherung vertagt. (Schluss Sozialausschuss) gro/gs

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