Parlamentskorrespondenz Nr. 872 vom 06.07.2017

Pflegeregress: Auch Bundesrat stimmt für Aus ab 2018

Länder dürfen künftig nicht mehr auf Vermögen von PflegeheimbewohnerInnen zugreifen

Wien (PK) – Die Abschaffung des Pflegeregresses ab 2018 ist endgültig auf Schiene. Der Bundesrat verzichtete heute darauf, gegen den vergangene Woche vom Nationalrat im Eiltempo gefassten Gesetzesbeschluss ein Veto einzulegen, und stimmte ausdrücklich für die neuen Verfassungsbestimmungen, die es den Ländern künftig untersagen, auf das Vermögen von PflegeheimbewohnerInnen und ihrer Angehörigen bzw. ErbInnen zurückzugreifen. Zwar haben einige BundesrätInnen Zweifel daran, dass die den Ländern im Gegenzug zugesagten 100 Mio. € ausreichen werden, der Beschluss fiel dennoch einstimmig.

Mit den neuen, im ASVG verankerten Verfassungsbestimmungen wird in die Kompetenz der Länder eingegriffen, die grundsätzlich für den Pflegebereich zuständig sind. Demnach ist es den Ländern ab Jänner 2018 generell verboten, Ersatzansprüche gegenüber den Betroffenen geltend zu machen. Auch laufende Verfahren sind mit Jänner einzustellen. Anderslautende landesgesetzliche Bestimmungen werden automatisch außer Kraft gesetzt.

Eingebaut wurden die neuen Bestimmungen zum Pflegeregress in das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz, das mehr Rechtssicherheit in der Frage der Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit bringt. Außerdem haben sich die Abgeordneten im Zuge der Beratungen im Nationalrat mit breiter Mehrheit auf die Ausstattung der E-Card mit einem Foto, kostenlose Hepatitis-Impfungen für Mitglieder von freiwilligen Feuerwehren mit besonderem Infektionsrisiko sowie eine bessere Anrechnung von Pensionszeiten für ehemalige Zeitsoldaten verständigt. Für Pflegeheime ist ein neues Medikamenten-Management vorgesehen, das Kosteneinsparungen bringen soll.

"Gesetz ist ein Meilenstein"

Das Gesetz sei ein Meilenstein, begrüßte der Wiener Bundesrat Reinhard Todt namens der SPÖ die Abschaffung des Pflegeregresses. Der bestehende Eigenregress komme einer 100%igen Erbschaftssteuer gleich und sei eine große Belastung für Betroffene und Familien. Zudem gebe es in den Bundesländern derzeit sehr unterschiedliche Regelungen, was den Zugriff auf das Vermögen von PflegeheimbewohnerInnen bzw. ihren EhepartnerInnen betrifft.

Hinsichtlich der notwendigen Gegenfinanzierung warben Todt und seine burgenländische Fraktionskollegin Inge Posch-Gruska für die Einführung einer Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Es gehe darum, dass jene einen Beitrag leisten, die es sich leisten können, sagte Todt. Insgesamt äußerte er großes Lob für das österreichische Pflegesystem, das es in dieser Form in keinem anderen Land der Welt gebe.

Erfreut über die Abschaffung des Pflegeregresses zeigten sich auch die ÖVP-BundesrätInnen Martin Preineder und Sonja Ledl-Rossmann. Damit komme es künftig zu einer Gleichstellung aller betroffenen Personen, unabhängig davon, ob jemand Vermögen angespart habe oder ob er enge Familienangehörige hat, hielt Preineder fest.

Bedauern äußerte der ÖVP-Bundesrat allerdings darüber, dass nicht eingehender über die Finanzierung geredet wurde. Es werde intensiver Gespräche bedürfen, um diese Frage zu lösen, glaubt er. Zumal die Länder mit unterschiedlichen Kosten rechnen würden. Neue Steuern kommen für die ÖVP Preineder zufolge jedenfalls nicht in Frage.

Ledl-Rossmann hatte das Thema Pflege zum Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft im Bundesrat im ersten Halbjahr dieses Jahres gemacht. Der Pflegeregress sei nur ein Teil des großen Themas Pflege, an dem man intensiv weiterarbeiten müsse, hob sie hervor. Unverständlich ist für Ledl-Rossmann, dass keine gemeinsame Entschließung des Bundesrats zu dieser wichtigen Frage zustande gekommen ist: Sie hält die Einsetzung einer Expertenkommission durch die Regierung unter Einbeziehung der Länder und eine Enquete-Kommission des Nationalrats in der nächsten Legislaturperiode nach wie vor für dringend geboten.

Grüne erwarten zähe Verhandlungen über Finanzierung

Zustimmung zum Gesetz kam auch von den Grünen. Er könne "Wahlschnellschüssen ohne Gegenfinanzierung" grundsätzlich zwar wenig abgewinnen, sagte David Stögmüller, die Abschaffung des Pflegeregresses sei aber eine lange Kernforderung seiner Fraktion. Dass die den Ländern zugesagten 100 Mio. € reichen werden, um den erwarteten Einnahmenausfall zu decken, bezweifelt er allerdings. Schließlich rechne allein Vorarlberg mit Zusatzkosten von 60 Mio. €. Auch seine Fraktionskollegin Heidelinde Reiter zeigte sich in Bezug auf die Finanzierung skeptisch und verwies auf ausgesprochen zähe Verhandlungen in Salzburg in der Vergangenheit. Um das Problem zu entschärfen, plädierte Stögmüller für die Einführung einer Vermögensteuer.

Namens der FPÖ beurteilte der Wiener Bundesrat Bernhard Rösch die Abschaffung des Pflegeregresses als "eine gescheite Sache".

Für wenig sinnvoll erachtet Stögmüller die vorgesehene Ausstattung der E-Card mit einem Foto. Das koste Geld und bringe nichts, wandte er sich gegen "den fahrlässigen Umgang mit Steuergeld". Zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz merkte der Grüne Bundesrat an, es habe in den letzten Jahren auffällig viele falsche Zuordnungen gegeben, da es für Unternehmen einfach billiger sei, auf selbständig Beschäftigte zurückzugreifen. Nun komme es zwar zu mehr Rechtssicherheit, das Grundproblem – verschiedene Sozialversicherungssysteme für verschiedene Beschäftigungsgruppen – werde damit aber nicht gelöst.

In der Debatte angesprochen wurde auch die kostenlose Hepatitis-Impfung für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren: Sie wurde sowohl von ÖVP-Bundesrat Preineder als auch von SPÖ-Bundesrätin Posch-Gruska ausdrücklich begrüßt.

Von einem sozialpolitisch ganz wichtigen Tag für Österreich sprach Sozialminister Alois Stöger. Mit der Abschaffung des Pflegeregresses werde den Menschen die Freiheit gegeben, selber zu entscheiden, wie und wo sie gepflegt werden, ohne dass sie fürchten müssten, dass ihr Erspartes, ihr Lebenswerk verloren geht, bekräftigte er. Was die 100 Mio. € betrifft, die die Länder für die Abschaffung des Pflegeregresses jährlich erhalten, meinte Stöger, das sei jene Summe, die offiziell von den SoziallandesreferentInnen zurückgemeldet worden sei. Wesentlich ist für den Minister auch die künftige Rechtssicherheit bei der Zuordnung der Beschäftigten zur Sozialversicherung. (Fortsetzung Bundesrat) gs


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