Parlamentskorrespondenz Nr. 291 vom 21.03.2018

Nationalrat beschließt Steuerentlastung für Tourismusbetriebe

Mehrwertsteuer auf Nächtigungen sinkt nach kurzem Intermezzo wieder auf 10 Prozent

Wien (PK) – Das von Finanzminister Hartwig Löger heute vorgestellte Doppelbudget 2018/19 wird das Parlament in den kommenden Wochen intensiv beschäftigen. Die Regierung plant nicht nur Einsparungen in Milliardenhöhe, sondern strebt in einigen Bereichen auch gezielte Entlastungen, etwa für Familien, an. Auch die Tourismusbranche kann sich über ein Steuerzuckerl freuen. Der Nationalrat hat heute, noch vor den eigentlichen Budgetberatungen, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Nächtigungen von 13% auf 10% beschlossen. 120 Mio. € soll die ab November 2018 geltende Steuerentlastung den Tourismusbetrieben jährlich bringen.

Verabschiedet wurde die Gesetzesnovelle mit den Stimmen der Regierungsparteien und der NEOS. Nach vielen Jahren zusätzlicher Belastungen brauche die Tourismusbranche dringend eine Entlastung, machten etwa die Abgeordneten Gabriel Obernosterer (ÖVP) und Sandra Wassermann (FPÖ) mit Hinweis auf die schlechte Ertragslage vieler Betriebe und die niedrige Eigenkapitalquote geltend. Durch die Mehrwertsteuersenkung werde ein unternehmenspolitischer Fehler rückgängig gemacht, meinte Josef Schellhorn namens der NEOS.

Die anderen beiden Oppositionsparteien sehen die Maßnahme allerdings kritisch. Von der Mehrwertsteuersenkung würden vorrangig große Hotelketten profitieren, gaben die SPÖ-Abgeordneten Maximilian Unterrainer und Doris Magreiter zu bedenken. Statt 120 Mio. € mit der "Gießkanne" zu verteilen, wäre es ihrer Meinung nach sinnvoller, den Fokus auf strukturelle Probleme im Tourismus zu richten und ertragsschwachen kleinen Betriebe gezielt unter die Arme zu greifen. Beispielhaft wies Magreiter auf den Fachkräftemangel hin. Ein Entschließungsantrag der SPÖ, der insbesondere auf die finanzielle Abfederung von Härtefällen bei innerfamiliären Betriebsübergaben abzielte, fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit.

Für Magreiter und Bruno Rossmann von der Liste Pilz ist es außerdem nicht einsichtig, dass von den Regierungsparteien gerade die Mehrwertsteuer auf Nächtigungen herausgepickt wird. Schließlich habe man mit der Steuerreform 2016 auch die Steuersätze für andere Bereiche wie Honig, Blumen, Umsätze aus künstlerischer Tätigkeit sowie Konzert- und Theaterkarten auf 13% angehoben. Nun werde ausschließlich die Steuererhöhung auf Nächtigungen wieder zurückgenommen, kritisierte Rossmann. Und das, obwohl der Tourismus boome, während viele KünstlerInnen in einer schwierigen Lage seien. Die Liste Pilz forderte in diesem Sinn auch eine Rücknahme der Mehrwertsteuerhöhung im Kunst- und Kulturbereich, konnte sich mit einem Abänderungsantrag aber nicht durchsetzen.

Auch insgesamt beurteilt Rossmann die vorliegende Gesetzesnovelle kritisch: Während der Tourismus ein "Steuergeschenk" in der Höhe von 120 Mio. € erhalte, würden mit dem Doppelbudget 2018/19 die Ärmsten der Gesellschaft belastet.

Koalition: Mehrwertsteuersenkung bringt Arbeitsplätze und Investitionen

Seitens der Koalitionsparteien hielten die ÖVP-Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer und Andreas Kühberger den KritikerInnen entgegen, dass Österreich als Tourismusland konkurrenzfähig bleiben müsse. 20 von 28 EU-Ländern hätten derzeit niedrigere Steuersätze auf Nächtigungen, hielt etwa Kirchbaumer fest. Die 120 Mio. € würden der Tourismuswirtschaft "sehr, sehr gut tun", ist auch Maximilian Linder (FPÖ) überzeugt. "Wir wollen die Leistungsträger stärken", bekräftigte Gabriel Obernosterer (ÖVP).

Sandra Wassermann (FPÖ) wies darauf hin, dass viele Betriebe in den letzten Jahren einen Bilanzverlust ausgewiesen hätten und die Steuererleichterung daher mehr als notwendig bräuchten. Auch Stefan Schnöll (ÖVP) wies auf die niedrige Eigenkapitaldecke vieler Betriebe hin. Die Ausgangslage für den österreichischen Tourismus sei gut, räumte er ein, die Märkte würden aber immer volatiler. Hohe Nächtigungszahlen seien nicht gottgegeben und müssten stets aufs Neue erkämpft werden. ÖVP und FPÖ machten überdies geltend, dass mit der Mehrwertsteuersenkung auch Arbeitsplätze gesichert würden der bürokratische Aufwand für unterschiedliche Steuersätze sinke.

Von der Steuerentlastung erwarten sich die Abgeordneten der Koalitionsparteien und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger darüber hinaus eine Ankurbelung der Investitionen. Davon würde vor allem die regionale Wirtschaft vor Ort profitieren, hoben sie hervor. Insgesamt kommt die Umsatzsteuersenkung Köstinger zufolge 30.000 Betrieben zugute. Die Erträge der Betriebe gingen trotz steigender Nächtigungszahlen zurück. "Wir korrigieren einen Fehler, der vor einigen Jahren gemacht wurde", so die Ministerin. Zudem würde eines der zentralen Wahlversprechen – die Entlastung der Bevölkerung – eingelöst.

NEOS urgieren kürzere Abschreibungsdauer

Dass mit der Mehrwertsteuersenkung "ein unternehmenspolitischer Fehler" korrigiert wird, sieht auch NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn so. Viel wichtiger für den Tourismus wäre seiner Meinung nach aber eine Senkung der Abschreibungsdauer auf 25 Jahre. Dass diese zuletzt auf 40 Jahre verlängert wurde, sieht er als eigentliche Konjunktur- und Investitionsbremse für den Tourismus. Der SPÖ hielt Schellhorn entgegen, dass man die Höhe der Umsatzsteuer nicht auf die Betriebsgröße abstellen könne.

Um etwas Geduld bat Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs die NEOS. Die Regierung sei gerade einmal 100 Tage im Amt und setze schon eine erste Entlastungsmaßnahme für den Tourismus, betonte er. Gleichzeitig sei im Regierungsprogramm festgehalten, dass man die Abschreibungsdauer an betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten heranführen und lebensnah gestalten wolle. So soll ihm zufolge etwa eine degressive Abschreibung ermöglicht werden. Im Zuge der letzten Steuerreform sei es hier zu massiven Verschlechterungen gekommen, ist er sich mit Schellhorn einig. (Fortsetzung Nationalrat) gs