Parlamentskorrespondenz Nr. 639 vom 11.06.2019

Verfassungsausschuss ebnet Weg für Neuwahlbeschluss

Als Wahltermin zeichnet sich der 29. September ab

Wien (PK) – Die ÖsterreicherInnen werden voraussichtlich am 29. September einen neuen Nationalrat wählen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute grünes Licht für den von ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS gemeinsam eingebrachten Neuwahlantrag gegeben. Ein genaues Wahldatum steht zwar immer noch nicht fest, de facto kommt allerdings nur noch der letzte Sonntag im September in Frage. Das Bundesgesetz zur vorzeitigen Beendigung der XXVI. Gesetzgebungsperiode soll nämlich erst am 3. Juli in Kraft treten, wie SPÖ und FPÖ heute per Abänderungsantrag fixiert haben. Gegen den Neuwahlantrag stimmte der Parlamentsklub JETZT, Abgeordnetem Alfred Noll wäre es lieber, würde das Parlament die koalitionsfreie Zeit für wichtige Beschlüsse nutzen. Die endgültige Abstimmung im Nationalrat über den Neuwahlantrag ist für morgen, Mittwoch, anberaumt.

ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS waren sich in der Debatte einig, dass baldige Neuwahlen unumgänglich sind. So meinte etwa ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl, dass es nach den Vorkommnissen von Ibiza klug sei, "die Reißleine zu ziehen". Anders als die SPÖ und die FPÖ plädierten er und NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak allerdings für einen möglichst frühen Wahltermin im September. Damit würde man nicht nur einen kurzen Wahlkampf sicherstellen, sondern auch etwaige Versuchungen, kurz vor den Wahlen noch teure Wahlzuckerl zu verteilen, unterbinden, argumentieren ÖVP und NEOS. Gerstl appellierte in diesem Sinn auch an die Abgeordneten, in der geplanten Nationalratssitzung am 25. September 2019 die Fehler vom 24. September 2008 nicht zu wiederholen.

Demgegenüber sprachen sich sowohl SPÖ als auch FPÖ für Wahlen am 29. September aus. Bis dahin könnte man die Zeit nutzen, um "mit Mut und Entschlossenheit noch möglichst viel für die Menschen in unserem Land umzusetzen", sagte SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried. Er will die Bevölkerung wie FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan außerdem vor einem Wahlkampf im Sommer bewahren. Kritik übte Leichtfried an ÖVP-Chef Sebastian Kurz: Dieser habe versucht, eine Alleinregierung ohne parlamentarische Mehrheit zu installieren.

Untermauert wurde die Forderung der SPÖ nach einem Wahltag Ende September mit einem Abänderungsantrag, der bei der Abstimmung auch von der FPÖ unterstützt wurde und damit eine Mehrheit im Ausschuss fand. Demnach soll der Auflösungsbeschluss des Nationalrats erst am 3. Juli in Kraft treten. Aufgrund des Fristenlaufs – zwischen Wahltag und Stichtag müssen mindestens 82 Tage liegen – und in Kombination mit den Erläuterungen zum Neuwahlantrag, wonach die Neuwahlen im September stattfinden sollen, kommt damit de facto nur noch der 29. September als Wahltag infrage.

Seitens der FPÖ argumentierte Harald Stefan, dass es baldige Wahlen brauche, damit Österreich wieder eine demokratisch legitimierte Regierung erhält. Empört äußerte er sich über das Ibizia-Video, das er als Tabubruch ungeahnten Ausmaßes wertete. Es gehe nicht an, dass man jemanden heimlich in einer privaten Situation filme, das Video dann zwei Jahre liegenlasse und schließlich aus sieben Stunden Material sieben Minuten herausschneide.

JETZT stimmt gegen Neuwahlantrag

Gegen den Neuwahlantrag stimmte lediglich Alfred Noll von der Liste JETZT. Dass sich die Abgeordneten dem Wunsch von Ex-ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz beugen, möglichst rasch Neuwahlen zu beschließen, ist für ihn "parlamentarischer Kleinmut", der skandalös sei. Das Parlament habe offenbar Angst davor, etwas zustande zu bringen, meinte er. Es fehle den Abgeordneten das Zutrauen, ihre eigenen Aufgaben wahrzunehmen. Auch dass es derzeit nur eine interimistische Regierung gibt, ist für Noll kein Argument, schließlich seien auch viele MinisterInnen der ÖVP-FPÖ-Regierung zuvor nicht gewählt worden.

Verwundert äußerte sich Noll außerdem darüber, dass SPÖ und FPÖ das Risiko in Kauf nehmen würden, dass es auch im kommenden Wahlkampf keinen fairen Wettbewerb geben wird. Schließlich drohten für eine massive Überschreitung von Wahlkampfkosten nach wie vor nur vernachlässigbare Sanktionen.

Endgültiger Wahltermin wird von Bundesregierung und Hauptausschuss fixiert

Anlass für den Neuwahlantrag (850/A) ist der Bruch der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ infolge der Ibiza-Affäre rund um ein Video mit kompromittierenden Szenen. Der Koalitionsbruch hat in weiterer Folge auch zum Sturz der Regierung Kurz durch einen Misstrauensantrag des Nationalrats geführt. Bis zur Angelobung einer neuen Regierung nach den Nationalratswahlen wird die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangene Woche angelobte Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein die Amtsgeschäfte führen.

Für die Festlegung des Wahltermins ist grundsätzlich die Bundesregierung zuständig, wobei es aber ein Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats, also einer parlamentarischen Mehrheit, braucht. Das gleiche gilt für den Wahl-Stichtag, an den zahlreiche Fristen geknüpft sind, etwa was die Einbringung von Wahlvorschlägen betrifft.

Regulär würde die XXVI. Gesetzgebungsperiode erst am 9. November 2022 auslaufen. Die letzten Nationalratswahlen fanden am 15. Oktober 2017 statt. Mit nicht einmal zweijähriger Dauer wäre die XXVI. Gesetzgebungsperiode damit eine der kürzesten in der Zweiten Republik. Der Neuwahlantrag hat auch Einfluss auf die beiden laufenden Untersuchungsausschüsse zur Causa BVT und zum Eurofighter-Kauf – sie müssen ihre Beweisaufnahme beenden, sobald der Gesetzesbeschluss zu den Neuwahlen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs