Parlamentskorrespondenz Nr. 760 vom 02.07.2019

Unternehmen müssen Karenzzeiten bei Gehaltsvorrückungen künftig voll berücksichtigen

Nationalrat beschließt auf Initiative der SPÖ neue gesetzliche Regelungen

Wien (PK) – Zeiten der Elternkarenz müssen künftig bei Gehaltsvorrückungen und anderen zeitabhängigen Ansprüchen von ArbeitnehmerInnen in vollem Umfang berücksichtigt werden. Was durch kollektivvertragliche Vereinbarungen vielfach bereits Realität ist, ist nun flächendeckend in allen Branchen und Bereichen umzusetzen. Eine von der SPÖ beantragte Novellierung des Mutterschutzgesetzes erhielt heute im Nationalrat unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags einhellige Zustimmung. Die Abgeordneten erwarten sich von diesem Schritt nicht zuletzt eine Verkleinerung der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern.

In Kraft treten soll die Gesetzesnovelle mit 1. August 2019, wobei gemäß dem zwischen ÖVP, SPÖ, FPÖ und JETZT vereinbarten Abänderungsantrag nur künftige Karenzzeiten anzurechnen sind. Eine rückwirkende Regelung hätte Kosten für die Wirtschaft von bis zu 400 Mio. € verursacht, gab die ÖVP zu bedenken.

Wichtiger Beschluss für Frauen

Grundsätzlich findet sich die Forderung nach einer Anrechnung von Elternkranzzeiten als Dienstzeiten bereits im Regierungsprogramm der – mittlerweile zerbrochenen – türkis-blauen Koalition. ÖVP und FPÖ setzten zunächst aber auf die Sozialpartner und stellten ihnen im vergangenen Jahr in Form einer Entschließung die Rute ins Fenster. Erst wenn es im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen zu keiner Einigung kommt, wollten sie gesetzliche Regelungen beschließen. Nun stimmten sie – mit zeitlicher Verzögerung – einer gesetzlichen Regelung zu. Damit sind in Hinkunft bis zu 24 Monate Elternkarenz automatisch nicht nur bei Gehaltsvorrückungen, sondern etwa auch beim Anspruch von ArbeitnehmerInnen auf eine sechste Urlaubswoche, bei Kündigungsfristen und bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu berücksichtigen.

Dass es sich um eine wichtige Entscheidung für Frauen handelt, darin waren sich die Abgeordneten in der Debatte einig. So sprach SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek von einem "großartigen" Beschluss. Schließlich gebe es vor allem in Branchen mit vielen Frauen noch keine entsprechende kollektivvertragliche Regelung. Zudem seien rund 100.000 Arbeitnehmerinnen von keinem Kollektivvertrag umfasst. Auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger, FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek und JETZT-Sozialsprecherin Daniela Holzinger-Vogtenhuber begrüßten den Beschluss ausdrücklich.

Unstimmigkeiten zwischen den Fraktionen

Geprägt war die Debatte dennoch von Unstimmigkeiten zwischen den Fraktionen. So warf Tanja Graf (ÖVP) der SPÖ vor, mit der Einbringung des Antrags den sozialpartnerschaftlichen Weg verlassen zu haben. Schließlich hätten die Sozialpartner bereits für mehr als 90% der Kollektivverträge eine branchengerechte Regelung vereinbart gehabt. Der ursprüngliche Antrag der SPÖ hätte ihr zufolge außerdem zu einer enormen Mehrbelastung der Unternehmen geführt, was durch den "vernünftigen" Abänderungsantrag abgewendet werden konnte.

Auch FPÖ-Abgeordnete Carmen Schimanek äußerte sich zur Wortmeldung von Heinisch-Hosek kritisch. Sie sprach der SPÖ die Urheberschaft an der Initiative ab und machte geltend, dass die FPÖ bereits im Jahr 2008 eine volle Anrechnung von Elternkarenzzeiten gefordert habe. Der Beschluss zeige, dass mit der FPÖ in der Frauenpolitik etwas weitergehe, meinte sie.

Das wiederum wollte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch so nicht stehen lassen. Es sei das Verdienst der SPÖ, dass es nunmehr einen Gesetzesbeschluss gebe. Die von ÖVP und FPÖ in Aussicht gestellte Gesetzesvorlage sei nie gekommen.

Auch JETZT-Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber ist überzeugt, dass bei Fortbestehen der türkis-blauen Koalition weiterhin kein Gesetz zustande gekommen wäre. Erst das freie Spiel der Kräfte habe dieses möglich gemacht. Gäbe es das Ibiza-Video nicht und wäre die alte Regierung weiter im Amt, müssten Frauen weiter auf die dringend notwendige Anrechnung von Karenzzeiten warten. Mit der vorliegenden Initiative werde die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt nicht beseitigt, hielt Holzinger-Vogtenhuber fest, es handle sich aber um eine wichtige Maßnahme.

Ausdrücklich begrüßt wurde die neue gesetzliche Regelung auch von ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. Es handle sich um eine sehr positive Maßnahme, auch wenn die entsprechende Anrechnung von Karenzzeiten in den meisten Kollektivverträgen bereits umgesetzt sei. Nicht leistbar wäre seiner Meinung nach eine rückwirkende Regelung gewesen. (Fortsetzung Nationalrat) gs