Parlamentskorrespondenz Nr. 1102 vom 19.11.2019

Neu im Geschäftsordnungsausschuss

Kontrolle der Geheimdienste, Übertragung öffentlicher Ausschusssitzungen, Begutachtungsfristen, Parlamentarische Anfragen

Wien (PK) – SPÖ und NEOS wollen das Parlament gegenüber der Regierung stärken und haben in diesem Sinn verschiedene Gesetzesinitiativen aus den vergangenen Gesetzgebungsperioden wieder aufgegriffen. Außerdem geht es ihnen um mehr Transparenz im Gesetzgebungsprozess. Zur Umsetzung der Vorschläge ist zumeist nicht nur eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats notwendig, sondern auch eine Adaptierung der Bundesverfassung. Vor ihrer Zuweisung an den Geschäftsordnungsausschuss sind die Anträge einer Ersten Lesung zu unterziehen.

Stärkere parlamentarische Kontrolle der österreichischen Nachrichtendienste

Angelehnt an eine Initiative aus der letzten Gesetzgebungsperiode schlägt die SPÖ etwa vor, die Befugnisse der für die Kontrolle der österreichischen Nachrichtendienste zuständigen Ständigen Unterausschüsse des Innenausschusses und des Verteidigungsausschusses auszuweiten und sie gleichzeitig in "Kontrollausschuss Inneres" und "Kontrollausschuss Landesverteidigung" umzubenennen (52/A). So sollen die beiden Ausschüsse beispielsweise –  nach den Regeln für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – Auskunftspersonen befragen können und bereits bei Verlangen eines Viertels der Ausschussmitglieder Akteneinsicht erhalten. Zudem soll es dem Innenminister bzw. dem Verteidigungsminister nicht mehr möglich sein, geforderte Auskünfte mit Hinweis auf eine drohende Gefährdung der nationalen Sicherheit zu verweigern. Die Abgeordneten würden ohnehin einer strengen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegen, argumentieren Jörg Leichtfried, Reinhold Einwallner und Robert Laimer.

Begründet wird die Initiative damit, dass die beiden Unterausschüsse ihre Aufgabe, den Verfassungsschutz und die beiden Heeres-Dienste zu kontrollieren, derzeit nur unzureichend wahrnehmen können. Zudem verweisen Leichtfried und seine Fraktionskollegen auf das Vorhaben der letzten Regierung, die Kompetenzen der militärischen Nachrichtendienste durch eine Novellierung des Militärbefugnisgesetzes auszuweiten und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Richtung eines "echten" Geheimdienstes weiterzuentwickeln. Es brauche in diesem Sinn eine effiziente Kontrolle.

Abseits des vorliegenden Antrags diskutieren will die SPÖ außerdem über eine Ansiedelung aller Rechtsschutzbeauftragten der Ministerien beim Parlament. Schließlich würden diese immer heiklere und sensiblere Eingriffe in die Grundrechte genehmigen und kontrollieren.

Live-Stream von öffentlichen Ausschusssitzungen

Ein weiterer wieder aufgegriffener Antrag der SPÖ (53/A) zielt darauf ab, öffentliche Ausschusssitzungen des Nationalrats in Hinkunft per Live-Stream zu übertragen und die entsprechenden Aufzeichnungen auch als "Video on demand" auf der Parlaments-Website zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollen mehr Menschen die Möglichkeit erhalten, Ausschusssitzungen zu verfolgen, und insgesamt ein niederschwelliger Zugang zu parlamentarischen Debatten gewährleistet werden.

Außerdem will SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried die Bestimmungen für Parlamentarische Enqueten und Enquete-Kommissionen, was die Frage Öffentlichkeit betrifft, präzisieren. Da Parlamentarische Enqueten grundsätzlich für eine öffentliche Erörterung politischer Sachfragen gedacht seien, sollen diese künftig jedenfalls öffentlich sowie Ton- und Bildaufnahmen zulässig sein, fordert er. Enquete-Kommissionen, bei denen der internen Vorberatung und Diskussion ein höheres Gewicht zukomme, sollen hingegen selbst beschließen können, welche Sitzungen öffentlich und welche nicht-öffentlich abgehalten werden.

Auch eine jährliche Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers im Nationalrat über aktuelle Gesetzesvorhaben steht auf dem Wunschzettel der SPÖ. Diese Erklärung soll innerhalb von zwei Monaten nach Tagungsbeginn abgegeben werden und vor allem den Zweck haben, die interessierte Öffentlichkeit über die Legislativvorhaben der jeweiligen Tagung zu informieren. Vereinfacht werden soll die Möglichkeit, österreichische Europaabgeordnete für EU-Debatten im Nationalrat, etwa für die Aktuelle Europastunde, zu nominieren.

Zumindest sechswöchige Begutachtungsfrist für Regierungsvorlagen

Um ein einheitliches Begutachtungsverfahren von Ministerialentwürfen der Regierung sicherzustellen, schlagen die NEOS die Verabschiedung eines eigenen Bundesgesetzes vor (64/A). Verfassungssprecher Nikolaus Scherak will insbesondere festschreiben, dass Entwürfe von Regierungsvorlagen für mindestens sechs Wochen einer öffentlichen Begutachtung zu unterziehen sind und die eingelangten Stellungnahmen veröffentlicht werden müssen. Es gebe zwar diverse Empfehlungen und Vereinbarungen in Bezug auf das Begutachtungsverfahren, immer wieder würden für einzelne Ministerialentwürfe aber kurze Fristen gesetzt, moniert er. Das macht seiner Ansicht nach jede ernsthafte und vertiefte Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik unmöglich und widerspricht dem Ziel eines transparenten Gesetzgebungsprozesses.

Sollte die Regierung dem Parlament einen Gesetzesvorschlag unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben übermitteln, plädiert Scherak dafür, die Verhandlung darüber im Nationalrat frühestens sechs Wochen nach Einlangen zu starten. Auch die SPÖ ist für eine verpflichtende sechswöchige Begutachtungsfrist für Ministerialentwürfe, wobei sie sich in Ausnahmefällen eine Verkürzung auf drei Wochen vorstellen kann (siehe dazu Antrag 56/A).

Organstreitverfahren bei unzureichender Beantwortung schriftlicher Anfragen

Die NEOS bemängeln, dass es in Österreich keine Möglichkeit gibt, Regierungsmitglieder zu zwingen, schriftliche Anfragen von Abgeordneten ordnungsgemäß zu beantworten. Sie schlagen daher die Einführung eines Organstreitverfahrens nach deutschem Vorbild vor und haben eine entsprechende Änderung der Bundesverfassung und des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats beantragt (65/A). Demnach soll der Verfassungsgerichtshof künftig darüber entscheiden, ob die Verweigerung einer gewünschten Auskunft durch das zuständige Regierungsmitglied gerechtfertigt ist. Zuvor sieht der von Nikolaus Scherak eingebrachte Antrag ein Nachfrageprocedere mit zweiwöchiger Antwortfrist vor.

Eine ähnliche Initiative hatten die NEOS bereits 2016 – damals gemeinsam mit den Grünen – eingebracht. Auch ihre Forderung nach einer verpflichtenden sechswöchigen Begutachtungsfrist für Ministerialentwürfe stammt aus der XXV. Gesetzgebungsperiode. (Schluss) gs