Parlamentskorrespondenz Nr. 1156 vom 03.12.2019

Asylwerbende in Lehre: Einigung im Budgetausschuss

Breite Zustimmung zu ÖVP-Antrag ermöglicht Betroffenen Aufenthalt bis zum Lehrabschluss, über Details wird noch verhandelt

Wien (PK) – Für eine bestimmte Personengruppe von AsylwerberInnen, die sich in einem laufenden Asylverfahren befinden, wurde im Budgetausschuss des Nationalrats heute eine denkbare Lösung gefunden, die ihnen den Lehrabschluss in Österreich im Falle einer künftigen negativen Asylentscheidung ermöglicht. Die Regelung soll für jene Asylwerbenden gelten, die ihr Lehrverhältnis vor dem 12. September 2018 begonnen haben. Bis zu diesem Tag war es aufgrund eines Erlasses des Sozialministeriums möglich, Beschäftigungsbewilligungen für die Absolvierung der Lehre zu erhalten.

Der ÖVP-Antrag wurde von der SPÖ und den Grünen und den NEOS mitgetragen. Die Details, insbesondere bezüglich möglicher Fristen sollen allerdings noch bis zur nächsten Plenarsitzung am 11. Dezember 2019 ausverhandelt werden. SPÖ und NEOS übten trotz Zustimmung Kritik. Den NEOS geht die Regelung nicht weit genug, sie wollten für die betroffenen asylwerbenden Lehrlingen die Möglichkeit der dreimaligen Verlängerung des Aufenthaltstitels schaffen, konnten sich mit ihrem Vorstoß aber nicht durchsetzen. Die FPÖ lehnt das Gesetz grundsätzlich ab.

Frist zur freiwilligen Ausreise soll erst nach Lehrabschluss zu laufen beginnen

Der von ÖVP-Mandatar Karl Mahrer eingebrachte Gesetzesantrag hat eine Änderung des Fremdenpolizeigesetzes zum Inhalt (87/A), die unmittelbar nach Kundmachung in Kraft treten soll. Im wirtschaftlichen Interesse der Ausbildungsbetriebe wird dadurch jenen Asylwerbenden, die sich einerseits seit spätestens 12. September 2018 in einem ununterbrochenen Lehrverhältnis und andererseits in einem noch laufenden Asylverfahren befinden, ermöglicht, die begonnene Lehre auch bei einer später folgenden amtlichen Rückkehrentscheidung in Österreich abzuschließen. Konkret ist vorgesehen, dass die (grundsätzlich 14-tägige) Frist zur freiwilligen Ausreise abgelehnter AsylwerberInnen erst nach Ende des Lehrverhältnisses bzw. nach erfolgter Lehrabschlussprüfung zu laufen beginnt, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren seit Lehrbeginn. Für straffällig gewordene Asylwerbende, oder jene, die im Rahmen des Asylverfahrens ihre Identität zu täuschen versucht haben, soll das Gesetz keine Anwendung finden. Da es sich um eine Stichtagsregelung handelt, ist ein Außerkrafttreten der Bestimmung mit Ablauf des 12. Septembers 2022 festgelegt.

Keine Mehrheit fand im Ausschuss ein Vorschlag der NEOS zum selben Thema. Sie hätten eine Änderung des Asylgesetzes vorgeschlagen (50/A), wonach ein Aufenthaltstitel während des Lehrverhältnisses drei Mal verlängert werden könnte.

786 Asylwerbende mit laufenden Verfahren in Mangelberuf-Lehre

Wenngleich es sich um eine relativ kleine Personengruppe handle – laut Innenminister Wolfgang Peschorn seien mit Stand Ende Oktober 2019 786 Personen betroffen – sei es wichtig, eine sachlich begründete Lösung und adäquate Formulierung zu finden, um den richtigen Gesetzesvollzug zu ermöglichen, betonte der Innenminister vor den Ausschussmitgliedern. Für weitere Gespräche und Rückgriffe auf die Ressortexpertise stünde er gerne weiterhin zur Verfügung. Grundtendenz des vorliegenden Gesetzesvorschlags sei es nicht, die Arbeitsmigration auszudehnen oder eine Basis für Aufenthaltsrecht zu schaffen, führte er aus. Vielmehr soll es sich um eine Aufschiebung der Abschiebung handeln, weshalb der Rechtsweg über das Fremdenpolizeigesetz gewählt wurde und nicht etwa über das Asylgesetz.

Dass die neue Regelung keine Umgangsmöglichkeit des Asylwesens darstellen sollte, meinte auch ÖVP-Mandatar Karlheinz Kopf. Den Antrag seiner Fraktion versteht er als humane Lösung für jene bedauerlichen Fälle betroffener AsylwerberInnen, auch im Sinne der Wirtschaft. Über Details – etwa eine wie von den Grünen vorgeschlagene mögliche Ausdehnung des Personenkreises oder eine Anpassung des Berufsausbildungsgesetzes - müsse man noch genauer diskutieren, stellte er Diskussionsbereitschaft bis zum Plenum in Aussicht.

Um ein optimales Hilfspaket für die Asylwerbenden in Lehre als auch für die Betriebe zu schaffen, hätte Nina Tomaselli (Grüne) zwar den NEOS-Vorstoß präferiert, zur Herbeiführung einer schnellstmöglichen Verbesserung für die Betroffenen sei aber auch der ÖVP-Vorschlag zu unterstützen, argumentierte sie. Diesen hätte sie allerdings gerne um einige Elemente ergänzt. Im Fall einer Doppellehre sollte aus Sicht der Grünen eine längere Frist zur Ausreise gelten, außerdem sollten Lehrlinge inkludiert werden, die ihre Ausbildung nach dem Stichtag begonnen haben. Der entsprechende Abänderungsantrag wurde aber abgelehnt. Auch ein zusätzlicher Antrag der Grünen zur Änderung des Berufsausbildungsgesetzes betreffend definitorischer Hindernisse fand im Budgetausschuss keine Mehrheit.

Die NEOS stimmten dem ÖVP-Antrag zwar schließlich zu, Abgeordnete Karin Doppelbauer bekräftigte allerdings die Intention der weitreichenderen Vorstöße ihrer Fraktion zu dem Thema. Weil der Status quo eine arbeitsmarktpolitisch unvernünftige Situation darstelle, hätten die NEOS eine Aufenthaltsberechtigung ähnlich des deutschen "3+2"-Modells - wonach Asylwerbende im Anschluss an die dreijährige Ausbildung noch für zwei weitere Jahre das Recht erhalten, im erlernten Beruf zu arbeiten - oder einen Kompromiss vorgeschlagen.

Auch die SPÖ-Mandatare Christoph Matznetter und Kai Jan Krainer halten es für keine sinnvolle Idee, Asylwerbende zunächst in Österreich zu integrieren, sie dann aber gut ausgebildet abzuschieben. Fraktionskollege Reinhold Einwallner appellierte daher an die gemeinsame Überlegung weiterer Schritte, etwa die Möglichkeit des Zugangs zur Rot-Weiß-Rot-Karte. Er betonte auch, dass es sich um weniger als 800 Personen in Ausbildung für Mangelberufe handle. Wegen der Dringlichkeit möglichst vor dem nächsten Nationalratsplenum eine Lösung zu finden, stimmte auch die SPÖ-Fraktion trotz Kritik dem ÖVP-Antrag zu.

Aus Sicht der FPÖ-Abgeordneten Peter Wurm und Philipp Schrangl werde mit der Schaffung einer Möglichkeit zur Absolvierung des Lehrabschlusses für AsylwerberInnen trotz negativen Asylbescheids ein völlig falscher Weg beschritten. Keinesfalls sollte man auf diesem Wege das Asylrecht umgehen können oder über die Hintertür aushebeln, meinten sie. (Fortsetzung Budgetausschuss) fan