Parlamentskorrespondenz Nr. 362 vom 23.04.2020

Minister Anschober informierte Gesundheitsausschuss über weitere Phasen im Kampf gegen COVID-19

Übergang in die nächste Phase sei besonders schwierige Herausforderung

Wien (PK) – Dem Gesundheitsausschuss stand Gesundheitsminister Rudolf Anschober heute in einer aktuellen Aussprache Rede und Antwort. Die Diskussion drehte sich erwartungsgemäß um die Fortschritte in der Bewältigung der Corona-Krise.

In seinem Eingangsstatement resümierte der Minister positiv über die Phase 1 der Corona-Bewältigung. Es sei aufgrund der großen und breiten Unterstützung der einschneidenden Maßnahmen gelungen, die extreme Erhöhung der Erkrankungen im März sehr schnell zu drücken. In der nun beginnenden Phase 2 gehe es darum, schrittweise wieder zu normalisieren und zu öffnen. Dies sei mit Blick auf die Länder Südkorea und Singapur die schwierigste Herausforderung. Denn dort werde man in der Bewältigung der Krise nach den ersten Lockerungen wieder zurückgeworfen. In Phase 3 des österreichischen Plans sollten die Öffnungen komplett umgesetzt sein und man werde bereits auf vorhandene Grundlagen zur Bewältigung zurückgreifen können, während in der letzten Phase 4 die Normalität wieder vollends, wie vor dem März diesen Jahres, hergestellt sei und alle getroffenen Regelungen wieder ausgelaufen sein sollten, lies Anschober in die Zukunft blicken. Er sehe hohes Problembewusstsein in der Bevölkerung und sei positiv gestimmt.

Bericht über die aktuellen Entwicklungen

Der Gesundheitsausschuss erfuhr auch aktuelle Zahlen. So seien seit 4. April täglich mehr Neu-Genesene als Neu-Infizierte zu verzeichnen und die Zahl der aktuell Erkrankten von 3.000 sei im Fallen. Auch im Bereich des Reproduktionsfaktors, der möglichst unter 1 gehalten werden solle, sei man mit einem Wert, der von 3,5 auf 0,65 gesenkt werden konnte, auf sehr gutem Kurs, so der Minister. Zum Vergleich nannte er den Wert von 0,9 in Deutschland. Im Bereich der Kapazitätszahlen der Spitalsbetten sei Österreich derzeit "auf der sicheren Seite", wie die täglichen Prognoseberechnungen zeigen würden. Auch bei den Todesfällen durch COVID-19 seien die Zahlen im internationalen Vergleich gering. Auf 100.000 EinwohnerInnen entfallen in Österreich 5,9 Tote. Deutschland stehe bei 6,4, Frankreich bei 32, Italien bei 42, Spanien bei 46, Schweden und die Schweiz liegen bei 19, berichtete der Minister.

Anschober skizzierte die nächsten Schritte zur Bewältigung der Krise

Derzeit erfolgen die rechtlichen Vorbereitungen für die schrittweise Öffnung. Geplant sei die Phase 2 unter der Prämisse "sichern - kontrollieren – verstärken" umzusetzen.  So sollen Öffnungen in einem überschaubaren Bereich mit begleitenden Maßnahmen, wie etwa die Platzvorgabe von 20qm pro Person und die Verwendung von Mund-Nasen-Schutz geschehen. Durch Zielgruppen-Testungen und weiteren Vergleichen mit der Sora-Studie soll die Entwicklung kontrolliert werden. Ein weiteres Ziel sei es, die Containment-Strategie zu verbessern, indem die Zeitdauer von der festgestellten Erkrankung bis zur Verständigung der Kontaktpersonen verkürzt werden soll. Hier verwies der Minister auf die Vorteile von digitalen Hilfen auf freiwilliger Basis, wie er betonte.

Im Bereich der Öffnungen werde eng mit den betroffenen Betrieben zusammengearbeitet und an der Erstellung von Konzepten gearbeitet, bevor die Gesetzgebung gestartet werde. Über die Zukunft der Verkehrs- und Ausgangsbeschränkungen werde nächste Woche entschieden, so Anschober.

Großes Interesse an Maßnahmen im Pflegebereich

Viele Fragen der Abgeordneten betrafen den Pflege und Betreuung im Kontext der Coronamaßnahmen. Dietmar Keck (SPÖ) kritisierte die restriktiven Ausgangsbeschränkungen von Pflegeheimbetreibern, die sich auf Erlässe des Ministeriums berufen. Der Gesundheitsminister betonte, dass die Altersgruppe der über 70-Jährigen die Hauptrisikogruppe sind und es deshalb Sicherheitskonzepte gebe, wobei aber keine Ausgehverbote bestünden. Derzeit werden Besuchsräume, in denen man sich ohne Kontakt sehen und besuchen kann, als Möglichkeit geprüft. Auf die Fragen von Keck bezüglich des Fortschritts der Pflegereform bat der Minister um Verständnis, dass diese aufgrund der Krise verschoben werde, versicherte aber, dass diese ganz sicher komme.

Auf Fragen von ÖVP-Abgeordneter Elisabeth Scheucher-Pichler und Verena Nussbaum (SPÖ), ob auch Testserien im Bereich der Mobilen Dienste in der Pflege geplant seien, verwies Anschober auf ein schrittweises Vorgehen, versicherte aber, dass dieser Bereich sehr genau beobachtet werde. Für Heime für Menschen mit Behinderungen seien aber, genauso wie für Altenheime, jedenfalls großflächige Tests vorgesehen. Im Bereich der 24-Stunden-Betreuung sei angedacht, Hotlines für Betroffene und Angehörige einzurichten und bei Bedarf regionale Alternativen anzubieten. Außerdem seien in dem Bereich zunächst punktuelle Testungen angedacht, die später flächendeckend erfolgen sollen.

Opposition vermisst Strategie und fürchtet Kollateralschäden

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher ortete zu viel Laissez-faire und zu wenig Koordination in der Bewältigung der Corona-Krise. Er wollte vom Minister wissen, ob es "eine österreichweite Strategie oder 1000 regionale Strategien" gebe. In seiner Beantwortung verwies Anschober auf den expliziten Wunsch der Landeshauptleute, eine zentrale österreichweite Koordination zu haben und diese sei das Gesundheitsministerium. Die Zentralisierung in dieser Sache sei auch ein wichtiger Faktor in der Bewältigung.

Peter Wurm von den Freiheitlichen forderte, die Bundesregierung solle ihre Grundsatzstrategie überdenken, denn der Kollateralschaden im Gesundheitsbereich sei fatal. Für Anschober zeige die derzeitige Krise, wie wichtig ein stabiles öffentliches Gesundheitssystem sei und "dieses uns Geld wert sein muss". Denn jetzt zeige sich, dass jene Länder, die an den Gesundheitssystemen gespart haben, angreifbar seien, so der Gesundheitsminister.

Grippeimpfquote soll erhöht werden

Gerald Loacker (NEOS) erfuhr vom Minister, dass die Änderungen an der Suchtgiftverordnung für eine Depot-Applikation in der Substitutionstherapie, mit dem Ziel auch in diesem Bereich Social Distancing zu ermöglichen, bereits auf dem Weg sei. Außerdem informierte er aufgrund einer Frage des NEOS-Abgeordneten, dass die Reha-Zentren am Montag schrittweise geöffnet würden, aber eine Akutversorgung schon bisher immer gegeben war.

Die Verfügbarkeit von Schutzmasken und ob man bei der Beschaffung nicht mit den Supermärkten konkurriere, interessierte Gerhard Kaniak (FPÖ). Die Lieferung der Schutzmasken erfolge über eine eigene Luftbrücke, berichtete Anschober. Diese erfolge gemeinsam mit den Lieferungen mit den Supermärkten, wobei der Gesundheitsbereich stets oberste Priorität habe und freie Transportkapazitäten nachrangig vergeben würden.

Es habe sich gezeigt, dass das Epidemiegesetz nivelliert werden müsse, da es für Pandemien nicht geeignet sei, antwortete Anschober auf eine Frage von David Stögmüller (Grüne), ob es schon Lerneffekte für die Zeit nach der Krise gebe. Weiters sei im Krisenmanagement ein europäischer Weg notwendig, monierte der Minister. Als letzten Punkt nannte er das Ziel, die derzeitige Influenza-Impfquote von 8-9% in der nächsten Saison zu verdreifachen, wobei aber weiterhin keine Impfpflicht vorgesehen sei. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) gun