Parlamentskorrespondenz Nr. 788 vom 09.07.2020

Landwirtschaftsthemen im Nationalrat: Lebhafte Debatten über Glyphosat und GAP

Beschlüsse zu Futtermittelkontrolle, Pflanzenschutzmitteln, Gewässerschutz und GAP

Wien (PK) – Der Nationalrat hat sich heute einstimmig für die Digitalisierung der Futtermittelkontrolle ausgesprochen. Dazu soll ein vollständig EDV-unterstütztes System geschaffen werden. Ebenso einstimmig wurde eine Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes beschlossen. Ein einstimmiger Beschluss fiel auch über Mittel für gewässerökologische Maßnahmen. Über die großen Linien der GAP debattierte der Nationalrat anhand eines Antrag der FPÖ, der abgelehnt wurde, und eins im Landwirtschaftsausschuss von den Koalitionsparteien formulierten Antrags zur Evaluierung der GAP-Strategie, der mit den Stimmen von ÖVP und Grünen auch im Plenum mehrheitlich angenommen wurde.

Digitalisierung der Abläufe in der Futtermittelkontrolle in Umsetzung beschlossen

Mit Zustimmung aller Fraktionen wurde heute die Änderung des Futtermittelgesetzes beschlossen. Zur Gewährleistung der EU-Kontrollverordnung kommt es im Bereich der Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrolle zur vollständigen Digitalisierung der Kontrollabläufe ("weg vom Papier"). Ein EU-Auditbericht aus 2018 zeigt, dass die aktuellen Verfahren fehleranfällig sind und zu mangelhaften Kotrolldaten führen. Deshalb soll in Zukunft an die Stelle der papiermäßigen Kontrollabwicklung ein vollständig EDV-unterstütztes System treten.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger betonte, dass die Digitalisierung der Kontrollabläufe eine wichtige Ergänzung für die Arbeit der AMA darstelle. Zudem würden die Maßnahmen gut zur Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung passen. Die bisherigen Papierformulare seien nicht mehr zeitgemäß, in Zukunft werde es ein vollständiges EDV-unterstütztes System geben. Die geplanten Änderungen seien rein technischer Natur und würden keine wesentlichen praktischen Änderungen für die Vollzugs-und Überwachungstätigkeiten bringen.

Die Abgeordneten aller Fraktionen bewerteten die geplanten Maßnahmen als positive Entwicklung. SPÖ-Abgeordnete Cornelia Ecker betonte, dass es durch die Digitalisierung weniger Fehlerquoten in den Kontrollabläufen geben werde. Dem konnte sich Andreas Kühberger anschließen (ÖVP), er begrüßte die Digitalisierungsschritte für effiziente Futtermittelkontrollen, es sei sehr wichtig auch im Lebensmittelsektor die neuen Technologien zu nutzen.

Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes

Anfang 2020 ist es beim Pflanzenschutz zu Kompetenzbereinigungen zwischen Bund und Ländern gekommen, wodurch dieser Bereich in die allgemeine Zuständigkeit der Länder gewandert ist. Somit ist die Kompetenz des Bundes zur Erlassung von Grundsatzbestimmungen zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln entfallen. Außerdem sind neue EU-Verordnungen in den Bereichen Lebens- und Futtermittelrechts, Tiergesundheit, Tierschutz sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel in Kraft getreten. Aufgrund dieser neuen Gegebenheiten bestand die Notwendigkeit, alle berührten Bestimmungen im Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 zu novellieren. Die Abgeordneten sprachen sich auch hier einstimmig für die Regierungsvorlage zur Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes aus.

In ihrer Wortmeldung informierte Elisabeth Köstinger, dass die derzeitigen Grundsatzbestimmungen, die an die Länder gerichtet waren, nun formal gestrichen würden. In Zusammenhang mit der EU-Kotrollverordnung müssten die im Pflanzenschutzmittelgesetz entsprechenden Begleitvorschriften verankert werden. Außerdem wären die Datenschutzbestimmungen an die geänderte Rechtslage, durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung, anzupassen.

In der Debatte ging es dann vorwiegend um das Thema eines Glyphosatverbots. Cornelia Ecker (SPÖ) sah die geplanten Änderungen im Pflanzenschutzmittelgesetz als notwendig an, vermisste aber ein Totalverbot von Glyphosat. Dieses schädige das ganze Ökosystem und sei höchstwahrscheinlich krebserregend, so Ecker.

ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Prinz betonte, dass die österreichischen Bauern Glyphosat nur sehr gering und gezielt einsetzen würden. Grundsätzlich forderte er, die heimische und saisonale Lebensmittelproduktion zu verstärken. Skeptisch äußerte sich Prinz gegenüber der 25-prozentigen Biolebensmittelquote, da dadurch Biolebensmittel unter starken Preisdruck geraten würden.

Auch Alois Kainz von der FPÖ begrüßte die Novelle zum Pflanzenschutzmittelgesetz, die Änderungen seien zwar rein technischer Natur aber trotzdem sehr wichtig. Zudem betonte er, dass Österreich mit einem Glyphosatverbot eine Vorreiterrolle einnehmen könnte, sogar die WHO würde es als krebserregend einstufen.

Olga Voglauer (Grüne) wies in ihrer Wortmeldung auf die baldige Rückmeldung der EU-Kommission zum Glyphosatverbot hin, sie würde sich ein solches Verbot erwarten. Grundsätzlich gebe es schon eine Form der Landwirtschaft ohne Pestizide und Gentechnik, nämlich die klimaschonende, biologische Landwirtschaft, so die Grünen-Abgeordnete.

Im Zuge der Debatte wurden von den Oppositionsparteien zwei Anträge eingebracht. Ein SPÖ-Abänderungsantrag der Regierungsvorlage sollte ein Glyphosatverbot beinhalten. Ein FPÖ-Entschließungsantrag forderte die Einführung einer Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebensmittel. Beide Anträge fanden aber keine Mehrheit im Nationalrat.

Investitionen zur Verbesserung der Gewässerökologie bis 2027

Mit einer einstimmig beschlossenen Novellierung des Umweltfördergesetzes werden für den Zeitraum 2020 bis 2027 zumindest 200 Mio. € im nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan sichergestellt. Damit will die Bundesregierung zur Erfüllung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) beitragen. Die erforderlichen Fördermittel werden vom Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds bereitgestellt.

Die geplanten gewässerökologischen Maßnahmen sollen Gewässer naturnäher machen, etwa mit Fischaufstiegshilfen oder Laufverlängerungen, und damit ihre Qualität verbessern, erklärte Georg Strasser (ÖVP). Darüber hinaus habe das 200 Millionen-Paket auch wichtige wirtschaftliche Aspekte, da mit den Mitteln bis zu 8.500 Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Franz Hörl (ÖVP) wies ebenfalls auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung von Wasser und Gewässern hin, vor allem auch für den Tourismus. In den letzten Jahren sei sehr viel in Abwasserreinigung investiert worden, was die Wasserqualität in vielen Bereichen verbessert habe. Der Hochwasserschutz sei grundsätzlich wichtig, sagte Hörl. Dabei seien viele Gewässer jedoch sehr stark verbaut worden, weshalb teilweise Korrekturen nötig seien.

Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) wies darauf hin, dass eine Regierungsvorlage zu mehr Mitteln für Klimaschutz bereits in Ausarbeitung sei. Aktives Wassermanagement sei von großer Bedeutung. Der Klimawandel mache die ausreichende Wasserversorgung immer schwieriger, daher sei es von großer Bedeutung, sich um Wasserschutz zu kümmern.

Die EU verlange bessere Rahmenbedingungen für die Gewässerqualität, sagte Cornelia Ecker (SPÖ). Die SPÖ stimme der Novelle zu, habe aber auch einige kritische Anmerkungen. Bisher sei zu wenig geschehen, vieles, was angekündigt wurde, sei nicht umgesetzt worden. Österreich drohten deshalb hohe Strafzahlungen an die EU. Die nun bereitgestellten Mittel seien zu niedrig, zudem handle es sich nicht um Mittel des Bundes, sondern der Länder. Die angekündigten 8.500 Arbeitsplätze wären zwar positiv, sie sehe aber nicht, wo diese entstehen sollen. Michael Seemayer (SPÖ) schloss sich der Kritik von Ecker an der Erarbeitung des Gesetzes an. Er forderte zudem mehr freie Zugänge zu Seeufern. Immer mehr Uferabschnitte würden privatisiert, kritisierte er.

Laut dem WWF seien 60% der österreichischen Gewässer in schlechtem Zustand, sagte SPÖ-Abgeordnete Julia Herr. Sie fordere seit Längerem mehr Mittel für den Klimaschutz, sagte die Abgeordnete. Nun habe die Bundesregierung endlich im Rahmen eines COVID-19-Konjunkturpakets für die beiden kommenden Jahre 2021 und 2022 jeweils eine zusätzliche jährliche Klimaschutzmilliarde angekündigt. In einem Entschließungsantrag forderte sie eine rasche und rechtsverbindliche Umsetzung der jährlichen Klimaschutzmilliarde. Der Antrag blieb jedoch in der Minderheit.

Peter Schmiedlechner (FPÖ) sagte, prinzipiell sei jede Maßnahme, die zur Verbesserung der Gewässerqualität beitrage, zu begrüßen. Hier gehe es nicht nur um die Wasserqualität an sich, sondern auch um den Lebensraum Wasser. Schmiedlechner sprach sich für einen Ausgleich zwischen den Interessen von Natur, Wirtschaft und Tourismus aus und forderte, auch die Interessen der Fischerei zu berücksichtigen.

Astrid Rössler (Grüne) sah die Investitionen in die Gewässerökologie als wichtigen Schritt. Gewässerschutz und damit Trinkwasserschutz seien für Gesundheit und Lebensqualität von grundlegender Bedeutung. Intakte Flusslandschaften bzw. renaturierte Fließgewässer in guter Qualität seien auch für die Naherholung in Ballungsräumen von Bedeutung und würden das Mikroklima positiv beeinflussen.

Bundesministerin Elisabeth Köstinger sagte, die österreichischen Gewässer seien von großer ökologischer, aber auch wirtschaftlicher Bedeutung, etwa in der Energieversorgung. Der Ausbau der Wasserkraft bleibt aus ihrer Sicht unverzichtbar. In den letzten Jahren sei viel geschehen, um Gewässer wieder naturnäher zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt sei, dass naturnahe Gewässer klimatische Änderungen besser verkraften. Investiert werden solle etwa in die Anbindung von Altarmen und Auen an Fließgewässern und in Fischwanderhilfen. Um die Vorgaben der EU umzusetzen, bleibe noch einiges zu tun. Die Förderung des Gewässerschutzes habe dabei wichtige wirtschaftliche Aspekte. Mit den eingesetzten Mitteln werde man weitere Investitionen in den Regionen auslösen. Daraus würden sich die errechneten 8.500 Arbeitsplätze, die geschaffen und gesichert werden können, ergeben, erklärte Köstinger.

Diskussion um die großen Linien der Landwirtschaftspolitik Österreichs und der EU

Auf der Tagesordnung standen auch eine FPÖ-Forderung zur langfristigen Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft. Dieser Antrag selbst fand allerdings keine Mehrheit. Mit Mehrheit angenommen wurde ein Antrag, der im Landwirtschaftsausschuss von ÖVP und Grünen formuliert wurde. Er zielt auf eine Evaluierung und Verankerung der GAP-Strategie im bestehenden gesetzlichen Rahmen ab. Im Fokus stehen vor allem die ländliche Entwicklung und die Maßnahmen der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sowie eine praxis- und ergebnisorientierte wissenschaftliche Begleitung.

Antragsteller Peter Schmiedlechner (FPÖ) sagte, er sehe seitens der Regierung nur Lippenbekenntnisse zur Zukunft der Landwirtschaft und zur Ausgestaltung der neuen GAP, sagte er. Erforderlich sei ein Fahrplan, der langfristige Ziele für die österreichische Agrarpolitik festlege. Die ÖVP habe mit ihrer Agrarpolitik versagt. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, in die Diskussionen zur GAP alle im Nationalrat vertretenen Fraktionen miteinzubeziehen. Dies könne entweder im Landwirtschaftsausschuss, in einem eigenen GAP-Unterausschuss oder in einer parlamentarischen Enquete geschehen, immer mit Einbindung von ExpertInnen, sagte Schmiedlechner.

FPÖ-Abgeordneter Angerer sah die Almwirtschaft stark unter Druck. Zu den Herausforderungen gehöre auch die zunehmende Einwanderung des Wolfs. Er forderte in einem Entschließungsantrag seiner Fraktion ein aktives Wolfsmanagement. Dazu müsse auch die Entnahme von so genannten Problemwölfen ermöglicht werden, um ein Bestehen der heimischen Almwirtschaft und Kulturlandschaft zu gewährleisten und die Sicherheit der Bevölkerung in wolfsnahen Siedlungsgebieten zu garantieren. Dazu müsse als erster Schritt eine Änderung des Schutzstatus des Wolfs laut der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie erfolgen. Der Antrag blieb in der Minderheit. ÖVP-Abgeordneter Georg Strasser sagte zum Antrag der FPÖ, die Linie der Koalition sei es, die Frage des Wolfsmanagements weiterhin in den betroffenen Regionen mit ExpertInnen zu diskutieren.

Gerald Hauser (FPÖ) kritisierte die Agrarpolitik, die aus seiner Sicht Kleinbetriebe und Höfe in benachteiligten Gebieten zu wenig unterstützt. Hier müsse eine grundlegende Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik und vor allem des Fördersystems erfolgen. Die Landwirtschaftsministerin solle sich in der EU dafür einzusetzen, dass eine Förderungsobergrenze von 70.000 € aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs pro Jahr für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eingeführt wird, forderte Hauser in einem Entschließungsantrag. Außerdem müsse eine klare Trennung zwischen den Unterstützungen für die aktiven BäuerInnen und Bauern gegenüber den Förderungen für Industrie und Handelsfirmen sowie Körperschaften erfolgen. Hauser will eine Regelung, die sicherstellt, dass Agrarförderungen der EU nur an aktive LandwirtInnen ausbezahlt werden können. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit.

Die GAP sei immer auf die Zukunft gerichtet gewesen und bleibe es auch, sagte Klaus Lindinger (ÖVP). Seine Fraktion bringe sich hier aktiv ein. Die Anträge der FPÖ seien nur schöne Überschriften, inhaltlich aber stets gegen die Bäuerinnen und Bauern gerichtet. Lindinger kritisierte auch SPÖ und NEOS, die sich zuletzt gegen Unterstützungen für LandwirtInnen ausgesprochen hätten. Was die Bundesregierung wolle, sei keine Besserstellung, sondern die Gleichbehandlung der LandwirtInnen, sagte Lindinger.

Die GAP bilde die Basis für die bäuerlichen Familienbetriebe, betonte Lukas Brandweiner (ÖVP). Derzeit laufe der Prozess zur Erstellung der neuen GAP-Strategie der EU, in der die Richtlinien bis 2027 erarbeitet werden sollen. Ihm ist es ein besonderes Anliegen, dass junge LandwirtInnen eine Zukunftsperspektive haben. Er rief dazu auf, mehr heimische Lebensmittel zu konsumieren.

Die kritische Situation der Landwirtschaft sei Ergebnis einer verfehlten Landwirtschaftspolitik, hielt Karin Doppelbauer (NEOS) der ÖVP vor. Hier fehle jede langfristige Strategie, stattdessen reagiere man von Krise zu Krise mit kurzfristigen politischen Maßnahmen. Von der Landwirtschaft erwarte man immer höhere Standards, etwa beim Tierwohl oder der Umweltfreundlichkeit. Daher müsse man sich überlegen, welche gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle die Bäuerinnen und Bauern in den nächsten Jahrzehnten aussehen solle. Die EU wolle mit der Strategie "Farm to Fork" statt auf Masse auf Qualität setzen. Hier eröffne sich eine große Chance für die heimische Landwirtschaft. Sie vermisse aber einen aktiven österreichischen Beitrag zur Beantwortung der großen Fragen der Landwirtschaftspolitik, sagte Doppelbauer.

Die GAP müsse grundsätzlich sozialer, fairer und ökologischer gestaltet werden, betonte Clemens Stammler (Grüne). Dazu müssten unter anderem die ersten Hektare stärker gefördert werden und Betriebe in benachteiligten Gebiete Ausgleichszahlungen erhalten. Wichtig sei dazu die Erarbeitung eines breit diskutierten, nachvollziehbaren Zielekatalogs für die Landwirtschaftspolitik. Die Bevölkerung müsse in diesen Prozess eingebunden werden und das Bewusstsein für die Bedeutung qualitätsvoller Lebensmittel gestärkt werden. (Fortsetzung Nationalrat) med/sox

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