Parlamentskorrespondenz Nr. 898 vom 15.09.2020

Umweltausschuss einstimmig für umfassendes Klima-Konjunkturpaket

Gewessler: Erhöhung von Fördermitteln ist eine Jahrhundertchance. Einkommensschwache Haushalte erhalten Unterstützung.

Wien (PK) – Auf der Tagesordnung des ersten Umweltausschusses wurde heute der Monitoringreport zu den Klima- und Energiezielen für das Berichtsjahr 2019 (III-153 d.B.) enderledigt. Mit den darin präsentierten Ergebnissen in Zusammenhang stand die Diskussion zur vorgelegten Änderung des Umweltförderungsgesetzes (342 d.B.). Mit dieser Novelle soll ein Impuls für konjunkturfördernde Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor gesetzt werden. Die Gesetzesinitiative fand im Ausschuss die Zustimmung aller Parteien.

Weiters wurden mehrere Anträge der Opposition behandelt, die allerdings ohne Ausnahme vertagt wurden.

Monitoringreport zu Klima- und Energiezielen zeigt Negativtrend bei Treibhausgas-Emissionen

Dem aktuellen Monitoringreport zu den Klima- und Energiezielen zufolge trägt vor allem der Verkehrssektor zum österreichischen Negativtrend bei den Treibhausgas-Emissionen bei. Dennoch rechnet das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mit der Erfüllung der CO2-Reduktionsziele bis 2020 aufgrund von Guthaben in der CO2-Bilanz aus den davorliegenden Jahren. Als Konsequenz wird im Monitoringreport gefordert, im Rahmen der österreichischen Energie- und Klimastrategie (#mission2030) weitergehende Maßnahmen für den Zeitraum bis 2030 zu erarbeiten.

Bundesministerin Leonore Gewessler betonte eingangs den notwendigen Handlungsbedarf hinsichtlich der Treibhausgas-Emissionen. Die Höchstmengen seien erstmals im Jahr 2017 überschritten worden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie würden die Emissionen im heurigen Jahr zwar deutlich geringer sein, jedoch könne eine Krise keine Klimapolitik ersetzen, so Gewessler. Für die Erreichung der Klimaneutralität brauche es bis zum Jahr 2040 noch deutliche Steigerungen beim Anteil der erneuerbaren Energien. Die Bundesministerin verwies auf die in Arbeit befindliche Novellierung des Energieeffizienzgesetzes. Mit dieser Novelle solle der Maßnahmenkatalog entschlackt und auf Maßnahmen mit deutlicher Energieeinsparung fokussiert werden, um dem Pariser Abkommen entsprechen zu können. Des Weiteren brauche es Unterstützung für energiearme und einkommensschwache Haushalte bei der Verbesserung der Energieeffizienz. Mit Investitionsprogrammen solle "gerade jetzt in dieser Zäsur" in klimafreundliche Technologien investiert und sollen die Energiekosten langfristig gesenkt werden.

Nicht zufrieden mit den Kennzahlen zeigte sich Abgeordnete Julia Herr (SPÖ). An die Ministerin richtete sie die Frage nach der Umsetzung von gesetzlichen Grundlagen in den Bereichen Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz sowie Ausbau der erneuerbaren Energie. In allen drei Punkten seien die Regierungsparteien säumig, so Herr. "Gebührend Raum und Zeit" forderte Herr in Bezug auf die Forderungen des Klimaschutzvolksbegehrens. Viele Fragen seien darin angesprochen und ernst zu nehmen. Unterstützung erhielt Herr dabei von Ausschussvorsitzendem Lukas Hammer (Grüne).

Unzufriedenheit über die im Monitoringreport enthaltenen Zahlen äußerte auch Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ). Diese seien aus dem Jahr 2017 und damit bereits drei Jahre alt. Außerdem bemängelte Keck in Richtung der Ministerin das Fehlen einer Novelle des Emmissionszertifikategesetzes.

Es habe "spannende Elemente in den letzten Monaten" gegeben, stellte Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS) fest. Von der Ankündigung von Investitionen bei den ÖBB bis zum Ausbau der Fahrradinfrastruktur sei die grüne Handschrift in der Verkehrspolitik zu erkennen, dies sei aber nicht ausreichend. Die ÖVP habe mit der "Mission 2030" ein Bild gezeichnet, auf das aufbauend ein Entwurf bis 2050 notwendig sei. Ein zentrales Element sei, die Infrastruktur anders zu organisieren, Arbeitsplätze und kurze Wege in den Regionen zu schaffen sowie das Auspendeln zu reduzieren, so Bernhard.

Entscheidend sei, was auf Gemeinde- und Bundesländerebene passiere, schloss Lukas Hammer (Grüne) an die Ausführungen Bernhards an. Ein aktueller Bericht von Global 2000 zeige erkennbare Unterschiede bei der Performance der Länder im Bereich Klimaschutz und erneuerbare Energie. Dies belege, dass die Bundesländer Möglichkeiten haben zu handeln.

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) schlug vor, den Monitoringreport grundsätzlich zu überarbeiten und hinterfragte, ob die Daten effizient genug seien, wenn nicht alle THG-Äquivalente enthalten seien. Die Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeinden sei eine Grundaufgabe der Bundesregierung, von der er sich die Vorgabe einer Grundlinie erwarte.

Diese Verantwortung des Bundes, für Rahmenbedingungen und Budgets zu sorgen, unterstrich auch Walter Rauch (FPÖ). Ein Abwälzen auf Länder und Gemeinden sei "zu einfach". Rauch hinterfragte auch die Aufwendungen für den Green Climate Fund. Erst gelte es, Budgets für Klima- und Umweltpolitik vor Ort zu verwenden.

Der Monitoringreport sei nur ein Erfolg, wenn man Rechentricks anwende, von einer Trendwende gebe es keine Spur, kritisierte Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS). "Von der ÖVP wird bei der Klimapolitik grundsätzlich Widerstand geleistet", für junge Menschen gehe es aber um eine Überlebensfrage, appellierte Shetty in Richtung ÖVP. Er erwarte sich einen Fahrplan in Richtung einer ökosozialen Steuerreform.

Abgeordneter Martin Litschauer (Grüne) vermisste die Innovationskraft für mehr Energieeffizienz: "Wenn man die richtigen Ziele nicht vorgibt, werden sich die Leute nicht bemühen. Da müssen wir alle anstacheln, mehr Vision zu generieren." Die Umsetzung eines Systemwechsels in Betrieben scheitere oft an betriebswirtschaftlichen Aspekten. Neben der Ökostromnutzung müsse in der Industrie die Effizienzsteigerung vorangetrieben werden.

Derzeit gebe es so viel Geld im Klimaschutz wie nie zuvor in Österreich, betonte Bundesministerin Leonore Gewessler in ihrer Replik an die Abgeordneten. Zudem brauche es eine Vielzahl an Gesetzesmaterien, die im Ministerium abgearbeitet werden. "Wir haben jetzt die Chance, die Dinge für 10 Jahre auf Schiene zu bringen", so Gewessler. "Daher ist am Ende die Qualität das, was zählt." Die Novellierung des Energieeffizienzgesetzes stehe unmittelbar bevor als eine der großen Weichenstellungen. Für den Ausbau der erneuerbaren Energie brauche es aber auch gesellschaftliche Akzeptanz und Rücksichtnahme auf ökologische Kriterien bei deren Förderung.

Beim Klimaschutzgesetz sei der nächste Schritt, die fachliche Basis bei der LandesklimaschutzreferentInnenkonferenz am 7. Oktober zu diskutieren. Die Länder bezeichnete Gewessler als "wichtige Partner des Bundes".

In Bezug auf das Emissionszertifikategesetz beteuerte Gewessler, dass alle Bescheide zeitgerecht ergehen werden und es keine Rechtsunsicherheit geben werde. Beide Gesetze kämen "noch heuer in die Begutachtung", so Gewessler abschließend.

Umweltförderungsgesetz: Spürbarer Ausbau der Klimaschutzförderungen bei Sanierung von Heizungen und Gebäuden

Die vorliegende Änderung des Umweltförderungsgesetzes begründete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler mit konjunkturellen Einschnitten infolge der Coronakrise sowie mit dem Bedarf an strukturellen Änderungen im Wirtschaftssystem in Richtung Klimaneutralität. Die Novelle sei eine Umsetzung des Ministerratsbeschlusses zur Klimamilliarde. Konkret enthalten seien Haftungen für Energie-Contracting-Projekte in der Höhe von max. 50 Millionen Euro. Für die Umweltförderung im Inland sei eine Mittelaufstockung um 20 Millionen Euro zugunsten von biogenen Nahwärmenetzen sowie eine Fortschreibung der Mittel bis 2022 vorgesehen. Der Zusagerahmen für die Sanierungsoffensive soll für 2021 und 2022 auf 650 Millionen Euro erhöht werden. Für einkommensschwache Haushalte werden insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Insgesamt komme man bis zum Jahr 2022 auf eine Milliarde Euro für die Dekarbonisierung im Gebäudesektor. "Diese Mittel ergänzen im Sinne des Klimaschutzes auch andere Instrumente wie die Investitionsprämie und das kommunale Investitionsgesetz", erklärte die Bundesministerin.

"Zusätzliche Mittel sind immer ausdrücklich zu begrüßen", zeigte sich Abgeordnete Julia Herr (SPÖ) erfreut. In Frage stellte sie die ausreichende Dotierung zur Förderung von einkommensschwachen Haushalten, zudem sei der Horizont mit zwei Jahren zu kurz ausgelegt.

Optimistischer äußerte sich Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP). Die Klimaneutralität sei für beide Regierungsparteien das vorderste Ziel: "Wie kann man Menschen besser motivieren als durch eine Förderung?" Mit 100 Millionen Euro für einen zusätzlichen sozialen Effekt könne das Ganze nur positiv gesehen werden.

Den sozialen Aspekt betonte auch Ausschussvorsitzender Lukas Hammer (Grüne): "Wir hatten noch nie im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz eine soziale Differenzierung. Dass es für einkommensschwache Haushalte eine Unterstützung gibt, ist ein Paradigmenwechsel." Weiter bezeichnete Hammer es für Gemeinden und Unternehmen als "historisches Zeitfenster für Investitionen", da mehrere Umweltförderungen kombinierbar seien. Mit Klimaschutzinvestitionen könne man sich "aus der Krise hinausinvestieren", so Hammer.

Für die FPÖ signalisierte Abgeordneter Walter Rauch Zustimmung zur Gesetzesvorlage. Es handle sich um gute Ansätze. Die Förderung für Einkommensschwache sei aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit Blick auf die kommunalen Investitionen äußerte Rauch Skepsis angesichts der Gemeindebudgets. "Viele Gemeinden können sich nicht einmal mehr die 20 bis 30 Prozent Eigenmittel leisten", so Rauch.

Die auf zwei Jahre begrenzte Maßnahme verteidigte Abgeordneter Martin Litschauer (Grüne): "Der Turbo muss gezündet werden." Man müsse einen Anreiz geben, etwas in die Gänge zu bringen. Dieser Effekt würde bei einer Ausdehnung auf fünf bis zehn Jahre verpuffen.

Das Gesetz sei ein Meilenstein und eine Jahrhundertchance, freute sich Bundesministerin Gewessler. Der doppelte Nutzen aus Klimaschutz und Konjunkturbelebung sei "das Beste, was wir auf den Weg bringen können". Man schaffe Wertschöpfung in den Regionen und entlaste die Gemeindebudgets.

SPÖ macht Druck beim Klimaschutz, FPÖ für Klimaschutz mit "Hausverstand"

Die SPÖ pocht auf eine rasche und rechtsverbindliche Umsetzung der zusätzlichen jährlichen Klimaschutzmilliarde (808/A(E)). Das Geld sei von der Bundesregierung zwar im Rahmen eins COVID-19-Konjunkturpakts für die Jahre 2021 und 2022 angekündigt worden, es fehle aber noch an den entsprechenden rechtlichen Grundlagen, um die Mittel tatsächlich sicherzustellen, merkte Andreas Kollross kritisch an. Das kürzlich beschlossene Kommunale Investitionsprogramm alleine werde nicht reichen, es brauche jedenfalls mehr Mittel für die Gemeinden, gab der Kommunalsprecher der SPÖ zu bedenken.

Die FPÖ wiederum will das Thema Klimaschutz angesichts der negativen Folgen der Corona-Krise auf die heimische Wirtschaft mit "Hausverstand" angehen. Walter Rauch forderte in diesem Sinn eine Überarbeitung der Klimaschutzmaßnahmen, wobei es ihm in seiner Initiative (513/A(E)) vor allem auch darum geht, die österreichische Wirtschaft auf europäischer Ebene vor einer drohenden Überregulierung zu schützen. Auch wollen die Freiheitlichen gewisse Förderungen für NGOs einstellen.

Seitens der ÖVP erinnerte Friedrich Ofenauer an das geplante Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, worauf beide Anträge mit Stimmenmehrheit vertagt wurden.

FPÖ will klimaschädliches CO2 durch Humusaufbau binden

Im Kampf gegen den Klimawandel setzt die FPÖ auch auf landwirtschaftliche Maßnahmen für den Humusaufbau, um CO2 zu binden. Die Erhöhung des Humusgehalts im Boden bremse den Anstieg von klimaschädlichem CO2 in der Atmosphäre und verlangsame so die Klimaerwärmung, begründete Walter Rauch seine Forderung (627/A(E)), die allerdings vertagt wurde. ÖVP-Mandatar Nikolaus Berlakovich attestierte dem Humusaufbau große Bedeutung und meinte, an diesem Thema arbeite man bereits, so etwa im Rahmen des Umweltprogramms für die Landwirtschaft.

NEOS für Senkung des Bodenverbrauchs als Wirkungsziel im Budget

Die rasant zunehmende Verbauung und Flächenversiegelung und der damit einhergehende Verlust von für die Biodiversität wichtigen Grünflächen rufen die NEOS auf den Plan. Michael Bernhard forderte in einer Initiative (559/A(E)) ein Umdenken bei der Raumordnung und appellierte an die Bundesregierung, die Senkung der Flächenversiegelung als Wirkungsziel ins Budget aufzunehmen und bei Förderungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

Aus Sicht der Regierungsparteien braucht es bei diesem Punkt noch Zeit, sodass auch hier auf Vertagung entschieden wurde. Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP) verwies in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Notwendigkeit der Einbindung von Ländern und Gemeinden. Andreas Kollross (SPÖ) wandte sich gegen Schuldzuweisungen an die Gemeinden in dieser Frage. Bauvorhaben im ländlichen Raum – etwa Wohnungen oder Infrastruktur – würden vielfach darauf abzielen, der drohenden Landflucht entgegenzuwirken, führte er ins Treffen.

SPÖ verlangt Reparaturprämie

Der Neukauf von Produkten sei oft billiger als deren Reparatur, gibt Julia Herr (SPÖ) zu bedenken und weist zudem auf den hohen Ressourcenverbrauch neuer Geräte hin. Sie schlägt deshalb in einem Entschließungsantrag (689/A(E)) eine Reparaturprämie in der Höhe von 50% der Reparatursumme und bis maximal 300 Euro pro Person und Jahr vor. Herr verspricht sich davon vor allem auch eine Förderung der Haushalte sowie lokaler Reparaturbetriebe.

Unter Hinweis auf die bereits anvisierte Umsetzung dieses Themas wurde der Antrag mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt.

NEOS drängen auf Ökologisierung des Steuersystems

Eine Ökologisierung des Steuersystems fordern die NEOS (672/A(E)). Umweltsprecher Michael Bernhard plädiert insbesondere für eine sektorenübergreifende Besteuerung klimaschädlicher Emissionen und eine deutliche Entlastung des Faktors Arbeit. Geht es nach den NEOS, dann sollte die Reform schrittweise umgesetzt werden und grundsätzlich aufkommensneutral sein.

"Bitte warten" heißt es auch bei diesem Antrag, zumal ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli auf die Arbeiten einer entsprechenden Task Force verwies.

Umweltbundesamt: SPÖ gegen Umzug nach Klosterneuburg und für Verbleib in Wien

Die SPÖ bleibt bei ihrer Kritik an den Plänen der Bundesregierung, das Umweltbundesamt nach Klosterneuburg umzusiedeln. Das Umweltkontrollgesetz schreibe Wien als Standort vor und die Beschäftigten hätten sich auch für einen Verbleib in der Bundeshauptstadt ausgesprochen, erinnert Julia Herr und fordert in einem Entschließungsantrag (288/A(E)) einen Stopp des Wegzugs.

Nachdem sowohl ÖVP-Mandatar Johann Schmuckenschlager als auch Umweltministerin Leonore Gewessler versicherten, dass die Standortfrage nun erneut evaluiert werde, vertagte der Ausschuss den Antrag mit Stimmenmehrheit. (Schluss) cke/hof