Parlamentskorrespondenz Nr. 978 vom 01.10.2020

Schusswaffenkennzeichnungsgesetz passiert Innenausschuss ohne Stimmen der FPÖ

Regierung soll mit einhelliger Entschließung zur Erarbeitung einer Deepfake-Strategie beauftragt werden

Wien (PK) – Künftig sollen gemäß EU-Waffenrichtlinie umfassende Kennzeichnungspflichten für Schusswaffen gelten. Daher befasste sich der Ausschuss für Innere Angelegenheiten heute mit den nationalen Umsetzungsplänen, die von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS unterstützt wurden. Mehrheitlich gebilligt wurde von ÖVP, Grünen und NEOS ein weiteres Regierungsvorhaben, das auf EU-Vorgaben fußt, für den Angehörigenkreis von UnionsbürgerInnen eine Verfahrenserleichterung bei der Erlangung von Aufenthaltstiteln zu schaffen. Eine einstimmige Entschließung auf Basis einer NEOS-Initiative fordert die Regierung zur Erarbeitung einer Strategie im Umgang mit der Deepfake-Technologie auf.

Kennzeichnungspflicht für Schusswaffen

Das neue Schusswaffenkennzeichnungsgesetz (SchKG, 360 d.B.) soll mit Jahresbeginn 2021 in Kraft treten, um Feuerwaffen (bzw. deren wesentliche Bestandteile) zur besseren Nachverfolgung eindeutig zu kennzeichnen. Die konkreten Spezifikationen sollen per Verordnung festgelegt werden, informierte Innenminister Karl Nehammer. Grundsätzlich diene das Gesetz dazu, den Erwerb von Tatwaffen bei Verbrechen rasch nachvollziehen zu können, erläuterte er. Für die Nichteinhaltung der Kennzeichnungsvorschriften sind Geldstrafen bis zu 3.600 € oder bei gewerblicher Tätigkeit bis zu 10.000 € vorgesehen. Schusswaffen, die vor dem 14. September 2018 im Besitz von EndverbraucherInnen standen, sollen allerdings keiner Kennzeichnungspflicht unterliegen. Die Übergangsregeln dienen laut Nehammer dazu, um Eingriffe ins bestehende Eigentum so gering wie möglich zu halten. Weitere Ausnahmen sind für historische Feuerwaffen sowie Druckluft- und CO2-Waffen bis Kaliber 6mm vorgesehen. Keine Anwendung finden soll das Gesetz außerdem für den Erwerb durch Streitkräfte, Polizei oder Behörden.

Die SPÖ-Abgeordneten Reinhold Einwallner und Dietmar Keck standen dem Vorhaben positiv gegenüber, baten jedoch um Hintergründe bezüglich der operativen Umsetzung. Rückwirkung sei keine vorgesehen, und die datierte Übergangsregelung entspreche den EU-Vorgaben, wurden sie informiert.

Neben SPÖ stimmten auch ÖVP, Grüne und NEOS dem Gesetzesvorhaben zu. Von der FPÖ kam jedoch ein "klares Nein" durch Mandatar Hannes Amesbauer. Obwohl anzuerkennen sei, dass die Vielzahl an Stellungnahmen aufgrund der Befürchtungen ob der Entwertung historischer Schusswaffen im Zuge der Begutachtung berücksichtigt wurde, stelle das Gesetz seiner Einschätzung nach weiterhin einen Eingriff in das – legal erworbene - persönliche Eigentum dar. Aus seiner Sicht sollte vielmehr der illegale Waffenhandel bekämpft werden. Laut Hermann Gahr (ÖVP) konnten die einstigen Bedenken in Bezug auf historische Schusswaffen ausgeräumt werden.

Von der Regierungsvorlage umfasst ist zudem eine Novelle des Polizeikooperationsgesetzes auf Basis der Frontex-Verordnung. Die gesetzliche Ergänzung soll ermöglichen, das Statuspersonal der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache künftig mit der Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben im österreichischen Bundesgebiet betrauen zu können. Die Aufstellung des eigenen EU-Körpers erachtet Innenminister Karl Nehammer als historischen Moment, wovon gemäß seinen Auskünften auch die polizeilichen Sonderheiten profitieren würden.

Rechtliche Anpassungen im Bereich Niederlassung

Der Innenausschuss widmete sich ferner den geplanten Verfahrenserleichterungen bei der Niederlassung von Personen, die im erweiterten Angehörigenkreis von UnionsbürgerInnen stehen (349 d.B.). Diese Personengruppe (dazu zählen etwa LebenspartnerInnen oder Pflegebedürftige) soll bei Vorliegen der Voraussetzungen künftig einfacher eine Niederlassungsbewilligung inklusive der Möglichkeit zur selbstständigen Erwerbstätigkeit erhalten und nach zwei Jahren auf den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" umsteigen können. Neben der Verkürzung der Verfahrensfrist auf 90 Tage ist auch die Option der Inlandsantragstellung vorgesehen. Bei Beantragung einer "Rot-Weiß-Rot-Karte" soll künftig außerdem der Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft entfallen.

Hintergrund für die Anpassungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ist ein Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf die Freizügigkeitsrichtlinie der Europäischen Union. Innenminister Karl Nehammer sah sich dadurch in der rechtsstaatlichen Pflicht, schnellstmöglich zu reagieren, berichtete er den Ausschussmitgliedern. Daher sei auch die Begutachtungsphase mit vier Wochen bemessen worden, entgegnete er der Opposition, weil die Frist sowohl von Hannes Amesbauer (FPÖ), Reinhold Einwallner (SPÖ) als auch Felix Eypeltauer (NEOS) als zu kurz angesehen wurde.

Die in der Novelle vorgesehene Verkürzung der Verfahrensfrist nimmt die SPÖ als positiven Aspekt wahr, das übergeordnete Ziel der Regierungsvorlage – die Förderung der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten – wird von der Fraktion allerdings angesichts der derzeit angespannten Situation am Arbeitsmarkt abgelehnt, wie SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner darlegte. Man müsse nun primär darauf achten, ÖsterreicherInnen in Beschäftigung zu bringen, so die Kritik. Georg Bürstmayr (Grüne) konnte diese nicht nachvollziehen, da diese Form der Zuwanderung voraussetze, dass der heimische Bedarf nicht eingedeckt werden kann, sagte er. Auch Wolfgang Gerstl (ÖVP) betonte, dass die "Rot-Weiß-Rot-Karte" nur für hochqualifiziertes Personal in Frage komme, welches dringend benötigt werde. Auch Innenminister Nehammer sieht darin ein wichtiges Steuerungsinstrument für die legale Migration. Gerade aufgrund der sensiblen COVID-19-Lage sei es wichtig, dass der Staat für Ordnung sorgen und entscheiden könne, wer nach Österreich kommt, so der Innenminister.

Auch die FPÖ verwehrte sich trotz einiger für gut befundene Elemente der Gesetzeszustimmung, da die Fraktion den Wegfall des Nachweises der ortsüblichen Unterkunft nicht befürwortet, wie FPÖ-Mandatar Amesbauer ausführte. Felix Eypeltauer (NEOS) hingegen betonte, dass sein Klub genau dies besonders begrüße. Bislang sei es ein besonderes Hindernis für viele Industriebetriebe gewesen, sagte er. Die NEOS unterstützten die Umsetzung, Eypeltauer meinte allerdings, es sei bedauerlich, dass es dafür ein Vertragsverletzungsverfahren gebraucht hat. Er sprach sich aufgrund der Komplexität der derzeit geltenden Regeln für eine Neukodifizierung des Einwanderungsrechts aus.

In Folge des Brexit sind ferner innerstaatliche Regelungen hinsichtlich des Aufenthalts von britischen StaatsbürgerInnen und ihren Angehörigen notwendig. Damit das Vereinigte Königreich auch weiterhin als sicherer Herkunftsstaat gilt, werden im BFA-Verfahrensgesetz Vorkehrungen getroffen. Neuregegelt werden sollen auch die BFA-Bestimmungen zur verpflichtenden Rückkehrberatung von Fremden hinsichtlich des Zeitpunkts der Inanspruchnahme des Beratungsgesprächs. Im Sinne der Stärkung der freiwilligen Rückkehr soll der Termin an den Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung geknüpft werden, um behördlichen Zwang bei der Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung zu vermeiden.

Strategie zum Umgang mit "Deepfakes"

Angenommen wurde außerdem mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen eine NEOS-Initiative zur Bekämpfung der sogenannten Deepfake-Technologie (365/A(E)). Dabei handelt es sich um täuschend echt wirkende Kombinationen von Deep Learning Algorithmen mit Audio- bzw. Videobearbeitungssoftware, um Menschen Aussagen in den Mund zu legen, oder sie bei Handlungen zu zeigen, die sie nie getätigt haben. Die Entschließung zielt darauf ab, dass die Bundesregierung ein Konzept zum Umgang mit Deepfakes schafft. NEOS-Antragsteller Douglas Hoyos-Trauttmansdorff sprach von einer rasenden Entwicklung, etwa im Bereich der Pornoindustrie, die einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstelle. Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) erinnerte daran, dass von dem bedenklichen Phänomen neben Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft auch Gefahren für Privatpersonen ausgehen, besonders junge Frauen seien von "Rachepornos" betroffen. Im Innenressort werde der Umgang mit der Materie bereits kritisch geprüft und ein wissenschaftlicher Diskurs angestrebt, sagte Himmelbauer. Auch der Präzisierung der Straftatbestände werde man sich annehmen, ergänzte Süleyman Zorba (Grüne). SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner (SPÖ) meinte, es handle sich um ein wichtiges Thema, dem rasch aktiv begegnet werden müsse. Da die Technologie für Laien nur schwer von der Realität zu unterscheiden sei, sah Christian Ries (FPÖ) ebenso die Notwendigkeit, sich dem Phänomen anzunehmen. (Schluss Innenausschuss) fan