Parlamentskorrespondenz Nr. 1125 vom 04.11.2020

EU-Ausschuss des Bundesrats pocht auf nationalen Spielraum bei EU-Plänen zur klimaneutralen Wirtschaft

Zur Debatte stand auch die Zukunft nach dem Brexit

Wien (PK) – Das zukünftige Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit war heute ebenso Diskussionsgegenstand im EU-Ausschuss des Bundesrats wie die geplante EU-Strategie zur Integration des Energiesystems. Die BundesrätInnen wenden sich diesbezüglich mit einer einhelligen Mitteilung an die EU-Organe, um darauf hinzuwirken, dass die Wahl der Energiequellen auf nationaler Ebene festgelegt werden kann.

Integriertes Energiesystem

Die im Sommer präsentierte EU-Strategie zur Integration des Energiesystems definiert eine Vision, wie der Wandel hin zu einem integrierten Energiesystem in Europa beschleunigt werden kann. Bei den BundesrätInnen stieß sie auf Zuspruch. Auch von der Bundesregierung wird das Ziel, eine vollständige Dekarbonisierung kostengünstig über alle Sektoren hinweg zu erreichen und gleichzeitig Wachstum zu generieren sowie technologische Innovation voranzutreiben, begrüßt. Zentrale Punkte sind die Schaffung eines kreislauforientierten Energiesystems sowie die forcierte Nutzung erneuerbarer Brennstoffe und nachhaltiger Energien im Bereich Elektrifizierung. Die EU-Strategie liefere laut einer Vertreterin des Klimaschutzministeriums wertvolle Inputs für den Ausbau erneuerbarer Energieträger sowie für den Fokus auf Energieeffizienz und fördere ein abgestimmtes Handeln der Mitgliedstaaten. Die Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene sollten jedoch verbessert und ungerechtfertigte Barrieren beseitigt werden, so die Expertin. Die Wirtschaftskammer unterstützt die österreichische Position und geht davon aus, dass eine kostengünstige Sektorenintegration nur durch nachhaltige Energiesysteme gelingt, wie eine WKO-Vertreterin erläuterte.

Das Kommissionsvorhaben entfaltet noch keine Gesetzesvorschriften; entsprechende Rechtsakte sind analog zu den Maßnahmen bis Sommer 2021 zu erwarten. Von Seiten Österreichs liegt bereits eine einheitliche Länderstellungnahme vor, worin auf ausreichend nationalen Spielraum im Energiebereich gepocht wird. Dieser trugen die ÖVP-, Grünen und SPÖ-BundesrätInnen mit einem Antrag auf Mitteilung Rechnung, der schließlich auch beim FPÖ-Klub Unterstützung fand. Mitgeteilt wird den EU-Organen auf diese Weise, dass die Länderkammer des österreichischen Parlaments die EU-Strategie für eine intelligente Sektorenintegration begrüßt, um langfristig Klimaneutralität zu erreichen, gleichzeitig aber Mechanismen fordert, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Energiequellen zu ermöglichen. Die Nutzung der Energieressourcen, die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur der Energieversorgung sollte aus Sicht des Bundesrats den Mitgliedstaaten freigestellt sowie Raum für nationale Strategien gelassen werden.

Antragseinbringer Martin Preineder (ÖVP/N) hob in diesem Zusammenhang den hohen Eigenversorgungsanteil Österreichs bei erneuerbaren Energien hervor. Auch alternative Treibstoffe seien ihm zufolge hierzulande bereits "in einigen Prozent" Realität, was auch ÖVP-Kollegin Sonja Zwazl unterstrich. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) wurde von der Ressortexpertin auf Nachfrage informiert, dass einige geplante Maßnahmen darauf abzielen, die Informationen für VerbrauerInnen zu verbessern, um etwa die Sichtbarkeit von Emissionswerten zu erhöhen.

Im Sinne des politischen Dialogs brachte Stefan Schennach (SPÖ/W) seine Unterstützung für die gemeinsame Mitteilung zum Ausdruck, obwohl die Länderstellungnahme ihm zufolge auf einem Irrtum fuße, da ja noch kein Legislativvorschlag vorliegt. Bundesrat Schennach zeigte sich ebenso wie Marco Schreuder (Grüne/W) und Bernd Saurer (FPÖ/W) skeptisch gegenüber den starken Fokus auf Elektrifizierung, weil dabei eine Hintertür für Atomenergie vermutet wird. Die Ministeriumsvertreterin entgegnete, dass man sehr erpicht auf genaue Definitionen sei.

Brexit-Verhandlungen

Auf Grundlage eines Tagungsberichts des AStV II (Ausschuss der Ständigen Vertreter) berieten die BundesrätInnen ferner über die seit Frühjahr laufenden Brexit-Verhandlungen. Nach bisher neun Verhandlungsrunden und trotz gemeinsamer Organisationsgrundsätze konnten bislang nur geringe Fortschritte in den aus EU-Sicht bedeutsamen Bereichen erzielt werden. Zu diesen zählen neben einem offenen Marktzugang auch die Bereiche Fischerei und Governance. Generell strebt die EU einen einheitlichen institutionellen Rahmen für ein Freihandelsabkommen und faire Wettbewerbsbedingungen mit Großbritannien an, was auch im Interesse Österreichs liegt. Zudem soll eine Partnerschaft für die innere und äußere Sicherheit vereinbart werden. Die Kommission hält trotz dem starken Zeitdruck einen erfolgreichen Verhandlungsabschluss weiterhin für möglich. Bis Mitte November sollte laut Zeitplan ein Ergebnis vorliegen, erläuterte ein Vertreter des Außenministeriums. Rechtlich erachtet er dies für möglich, politisch sei jedoch schwer einzuschätzen, ob dies von Großbritannien überhaupt gewünscht ist. Der ÖVP-Abgeordnete zum Europäischen Parlament Othmar Karas wohnte dem EU-Ausschuss des Bundesrats heute bei und geht von einem "Minimalabkommen" aus.

Ob es unterschiedliche europäische Stimmen gegenüber dem Brexit gibt, wollte Marco Schreuder (Grüne/W) wissen. Laut Karas hätten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission dabei immer an einem Strang gezogen. Da dies üblicherweise nicht so gut funktioniere, wäre es gut, davon etwas zu lernen, meinte er. EU-Chefverhandler Michel Barnier würde außerdem ein hohes Vertrauen genießen.

Die Nordirland-Problematik wurde von Stefan Schennach (SPÖ/W) und Martin Preineder (ÖVP/N) zur Sprache gebracht. Das Binnenmarktgesetz Großbritanniens um Kontrollen zu Nordirland zu verhindern sei zwar noch nicht in Kraft, hätte aber bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung des EU-Austrittsabkommens gebracht und könnte aus Sicht des Vertreters des Außenministeriums vor dem EuGH landen. Die EU müsse aus ihrem Eigeninteresse darauf bestehen, dass die vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden, sagte MEP Karas. Zu einer Zustimmung des EU-Parlaments komme es ohnedies nur, wenn das Karfreitagsabkommen nicht gefährdet erscheint.

Auskunft zu den geplanten Sozial- und Umweltstandards holte Christoph Steiner (FPÖ/T) ein. Neben einem Rückschrittsverbot, um geltende Standards z.B. im ArbeitnehmerInnenschutz nicht zu unterschreiten, soll sich Großbritannien laut Ministeriumsvertreter durch ein "Level Playing Field" auch keine Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Beim Fischereiabkommen bringe sich Österreich nicht aktiv ein, sondern zeige sich solidarisch mit jenen Mitgliedsländern, die in diesem Bereich starke nationale Interessen haben, wurden die Bundesräte Steiner (FPÖ/W) und Schennach (SPÖ/W) vom Ressortexperten informiert. Über Doppelstaatsbürgerschaften zu diskutieren, würden die Briten bislang ablehnen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) fan


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