Parlamentskorrespondenz Nr. 367 vom 25.03.2021

Nationalrat: Einstimmige Entschließung gegen weibliche Genitalverstümmelung

Einhelligkeit auch zu Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung

Wien (PK) – Einstimmig sprachen sich heute im Nationalrat die Abgeordneten mit einer Entschließung gegen weibliche Genitalverstümmlung aus. Ebenso einhellig befürwortet wurde ein in der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen, um auf eine Rücknahme der Entscheidung der türkischen Regierung über den Austritt aus der Istanbul Konvention einzuwirken.

Darüber hinaus gab es im Plenum Einhelligkeit für einen Entschließungsantrag für die Weiterentwicklung des geplanten Nationalen Aktionsplans Behinderung 2022 bis 2030.

Ebenso einstimmig angenommen wurden Entschließungen für mobile Tierschlachtungsanlagen, sowie die rasche Öffnung von Hundeschulen. Beschlossen wurde auch eine durch EU-Vorschriften notwendig gewordene Veterinärrechtsnovelle.

Zeichen gegen weibliche Genitalverstümmelung

Mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag setzen die Parlamentsfraktionen ein einstimmiges Zeichen gegen weibliche Genitalverstümmlung. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, eine regelmäßige, systematische Datenerfassung und Erforschung von weiblicher Genitalverstümmelung in Österreich und auf EU-Ebene voranzutreiben. Der Sozialminister sowie die Frauenministerin werden angehalten, den Austausch mit der Zivilgesellschaft und den betroffenen Berufsgruppen zur Bekämpfung und Prävention von weiblicher Genitalverstümmelung zu intensivieren. Zudem soll im Sinne des Opferschutzes bei den Bundesländern angeregt werden, den Bedarf an psychosozialer und medizinischer Unterstützung sowie den Bedarf von spezieller Geburtshilfe für betroffene Frauen zu erheben. Verstärkte Präventions- und Bewusstseinsarbeit etwa beim medizinischen Personal wird ebenfalls gefordert.

Genitalverstümmelung sei in manchen Kulturen tief verankert, bedauerte Gudrun Kugler (ÖVP). Zwei wichtige Wege, dagegen aufzutreten, stelle die Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften und mit den jeweiligen Communities dar. Auch in Österreich würden tausende betroffene Frauen leben. Umso wichtiger sei es, sich gemeinsam dieses Themas anzunehmen.

Genitalverstümmelung stelle oft den Versuch von Männern dar, totale Kontrolle über Frauen auszuüben und sei ein Akt der Unterdrückung, sagte Petra Bayr (SPÖ). Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag, dass im Sinne des Schutzes von Frauen die Türkei wieder der Istanbul Konvention beitreten solle, blieb in der Minderheit.

Das Patriarchat stelle die Ursache dar, sexuelle Rechte von Frauen einzuschränken und ihre sexuelle Selbstbestimmung zu regulieren, warf Faika El-Nagashi (Grüne) auf. Den Austritt der Türkei aus der Istanbul Konvention bezeichnete sie als eine reale Gefahr und Bedrohung. Sie bedauere, dem SPÖ-Antrag nicht zustimmen zu können, brachte aber mit dem Koalitionspartner ÖVP einen gemeinsamen und schließlich einstimmig angenommenen Entschließungsantrag ein, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für eine Rücknahme des Austritts der Türkei von der Istanbul Konvention einzusetzen und auf andere Mitgliedsstaaten der EU einzuwirken, um weitere Austritte zu verhindern.

Auch Rosa Ecker (FPÖ) sieht tausende Frauen in Österreich von Genitalverstümmelungen betroffen. Seit 2020 gebe es eine Meldepflicht, so Ecker. Es brauche dazu nun dringend eine diesbezügliche Statistik, die nunmehr gefordert werde. Solche kulturell bedingte Gewalt habe in Österreich "nichts zu suchen", ebenso wenig wie Zwangsverheiratungen. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag zur Erstellung einer Statistik über Kinderehen in Österreich blieb in der Minderheit.

Tradition lebe leider sehr lange über die Gesetze hinaus, meinte ebenfalls Henrike Brandstötter (NEOS). Auch sie sagte, dass Genitalverstümmelung in Österreich passiere. Es brauche dazu valide Daten, das stelle die Kernforderung im gemeinsamen Antrag dar. Außerdem gelte es, alles zu tun, dass die Opfer nicht selbst zu Täterinnen würden.

Einhelligkeit für Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung

Einstimmig beschlossen die Parlamentsfraktionen auch einen Antrag, mit dem es um die Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2022 bis 2030 geht. ÖVP, Grüne, SPÖ, FPÖ und NEOS setzen sich damit unter anderem dafür ein, dass die Empfehlungen des UN-Komitees zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie die Empfehlungen der Evaluierung des ersten Nationalen Aktionsplans im neuen Plan umgesetzt werden. Auch der Einsatz moderner Technologien für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen soll darin Eingang finden. Darüber hinaus sei die Finanzierung der ressortbezogenen Maßnahmen sicherzustellen. Ein Anliegen ist den Parlamentsfraktionen zudem, dass Menschen mit Behinderungen eine Partizipation in allen Schritten des Prozesses ermöglicht wird, es soll also auf Barrierefreiheit geachtet werden.

Kira Grünberg (ÖVP) unterstrich, mit dem Allparteienantrag würde sich das gesamte Plenum für dieses Thema einsetzen. Der Nationale Aktionsplan laufe Ende dieses Jahres aus. Es habe eine Evaluierung stattgefunden, die eine sehr gute Basis für den neuen Aktionsplan darstelle, etwa was eine transparente Darstellung des Ist-Zustandes sowie Zielbestimmungen der Ressorts betrifft, aber auch dessen Finanzierung. Wichtig sei hier ihr zufolge auch, die Länder mit einzubeziehen.

Petra Wimmer (SPÖ) ging auf zwei konkrete Forderungen ein, zum einen betreffend die Barrierefreiheit in allen Belangen. Ein Blick in die Realität zeige, dass etwa in Einkaufsstraßen 50% der Lokale und Geschäfte nicht barrierefrei zugänglich sind. Hier brauche es eine Koppelung mit der Förderung, so Wimmer. Zum anderen bemängelte sie, dass Tätigkeiten von Menschen mit Behinderung nach wie vor oft nicht als Erwerbsarbeit angesehen, sondern mit einem Taschengeld abgespeist werden.

Rosa Ecker (FPÖ) meinte, die Evaluierung des ersten Aktionsplans habe noch viel Handlungsbedarf aufgedeckt. Außerdem gebe es bisher noch kein Sonderbudget für den Aktionsplan, bemängelte sie. Besonders dringend sei es außerdem, Menschen mit Behinderung sozial und arbeitsrechtlich abzusichern. In Österreich zeigten sich dazu aber Stillstand und sogar Rückschritte, es brauche hier das Engagement des Sozialministeriums.

Nach der durchgeführten Evaluierung des Nationalen Aktionsplans habe sich gezeigt, dass nicht alle Ministerien ihre Verantwortung in dem Bereich wahrnehmen, warf Heike Grebien (Grüne) auf. Es gelte, etwa Informationen in leichter Sprache zur Verfügung zu stellen. Im neuen Aktionsplan sollen ihr zufolge nunmehr Ist-Zustand und Ziele sowie die Finanzierung Berücksichtigung finden.

Auch wenn alle das gleiche Ziel haben, habe sie dennoch das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen, so Fiona Fiedler (NEOS). Mit dem ersten Aktionsplan seien zwar einige wichtige Schritte gesetzt worden, aber bei Weitem nicht genug, etwa was das Thema inklusiver Arbeitsmarkt sowie die dringende Forderung nach Lohn statt Taschengeld betrifft. "Fehlanzeige" gebe es auch bei inklusiver Bildung, forderte sie ein inklusives Bildungssystem. Das Ziel sollte Fiedler zufolge für 2030 jedenfalls sein, alle Forderungen umgesetzt zu haben und keinen Aktionsplan mehr zu brauchen.

Veterinärrechtsnovelle: Anpassung an EU-Vorschriften

Die Veterinärrechtsnovelle 2021 wurde notwendig, da ab 21. April 2021 EU-weit neue Vorschriften für den Bereich Tiergesundheit und Tierseuchenbekämpfung gelten werden. Die entsprechende Basisverordnung wurde bereits 2016 erlassen und mittlerweile um zahlreiche Durchführungsverordnungen und delegierte Verordnungen ergänzt. Die letzten wurden erst im Dezember 2020 kundgemacht. Geplant war laut ÖVP und Grünen, die unionsrechtlichen Vorgaben übersichtlich in einem Durchführungsgesetz zusammenzuführen, aufgrund der knappen Zeit bis April geht sich das ihnen zufolge aber nicht mehr rechtzeitig aus. Dem Wunsch zahlreicher Mitgliedstaaten, das Anwendungsdatum um ein Jahr zu verschieben, sei die EU-Kommission nicht nachgekommen, hielten Franz Eßl (ÖVP) und Olga Voglauer (Grüne) bedauernd in der Begründung des Antrags fest.

Als Übergangslösung wurde heute ein Gesetz beschlossen, in dem die ab April geltenden EU-Rechtsakte aufgelistet sind. Damit wird die Vollziehung des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts gewährleistet, heißt es dazu in den Erläuterungen. Betroffen sind das Tierseuchengesetz zur Bekämpfung von Tierseuchen, das Tiergesundheitsgesetz zur Überwachung von Tierkrankheiten und das Bienenseuchengesetz zur Bekämpfung von Bienenseuchen.

Kritik an der Novelle kam von der SPÖ. Dietmar Keck erinnerte daran, dass diese EU-Vorschrift seit 2016 umgesetzt hätte werden sollen. Die Bundesländer hätten bereits darauf hingewiesen, dass die nationalen Vorschriften mit den EU-Vorschriften zusammengeführt werden müssen.

Einstimmige Zustimmung für mobile Tierschlachtanlagen

Einstimmig beschlossen wurde ein Antrag zu mobilen Schlachtungsanlagen. Die Abgeordneten sprachen sich in der Entschließung dafür aus, die Schlachtung von Tieren im gewohnten Lebensumfeld zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. In diesem Sinn sollen etwa mobile und teilmobile Schlachtanlagen bzw. regionale Schlachthöfe stärker gefördert werden. Zudem drängen die Abgeordneten auf eine Regelung für die Schlachtung von Tieren auf der Weide bzw. der Futterstelle nach dem Vorbild der Schweiz.

Basis für den Beschluss bildete ein von den NEOS gemeinsam mit den Koalitionsparteien eingebrachter Antrag, in dem unter anderem darauf hingewiesen wird, dass in Oberösterreich und der Steiermark die stressreduzierte Schlachtung von Tieren am Bauernhof durch den Einsatz von (teil-)mobilen Anlagen bereits möglich sei. Gerade vonseiten vieler BiobäuerInnen und DirektvermarkterInnen bestehe der Wunsch nach einer gesetzlichen Regelung in diesem Bereich, argumentieren die Abgeordneten.

Dietmar Keck von der SPÖ befürwortete den Vorschlag, mahnte allerdings die Einhaltung hygienerechtlicher Vorschriften auf gewohntem Niveau ein und warnte davor, diese zu senken.

Die Grünen sahen mit dem Antrag auch eine zentrale Forderung des Tierschutzvolksbegehrens erreicht. Clemens Stammler (Grüne) sieht durch den gestiegenen Absatz von Bio-Lebensmitteln das Bedürfnis der Menschen nach mehr Qualität. Josef Hechenberger (ÖVP) verwies darauf, dass die Qualität mit der Haus- und Hofschlachtung durch geringeren Stress bei den Tieren steige. Eine Argument, dass auch von MandatarInnen der NEOS, FPÖ und ÖVP geteilt wurde. Karin Doppelbauer (NEOS) sprach von einer "Win-Win-Win-Situation" für KonsumentInnen, LandwirtInnen und Tiere. Peter Schmiedlechner (FPÖ) betonte darüber hinaus die boomende Direktvermarktung der Bäuerinnen und Bauern, die hoch im Kurs stehe. Dazu würden mobile Schlachtungen einen Beitrag leisten. Es gelte, mit der Maßnahme auch Tiertransporte zu verringern, erklärte Karl Eßl (ÖVP) in der Debatte.

SPÖ-Antrag für eine rasche Öffnung von Hundeschulen einstimmig angenommen

Die Initiative betreffend die rasche Öffnung der derzeit coronabedingt geschlossenen Hundeschulen war von der SPÖ ausgegangen. Sowohl im Sinne der Gefahrenprävention als auch im Sinne des Tierschutzes sei es notwendig, Gruppenausbildungen durch HundetrainerInnen im Freien wieder zuzulassen, hatte Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ) den Antrag begründet. Im Plenum bedankte er sich nun bei Gesundheitsminister Anschober, der den Antrag inzwischen in einer bereits erlassenen Verordnung umgesetzt habe. In seiner Wortmeldung erklärte auch ÖVP-Mandatar Josef Hechenberger seine Unterstützung des Antrags. Weiters antwortete er auf die in der Debatte von der FPÖ geäußerten Forderung nach einer verpflichtenden und lückenlosen Lebensmittelherkunftsbezeichung, dass diese bereits in Umsetzung sei.

Ein in der Debatte eingebrachter weiterer Entschließungsantrag von Keck, mit dem Ziel, Maßnahmen gegen illegalen Welpenhandel zu setzen, fand keine Mehrheit.

Bürgerinitiative zur flächendeckender und kostenlosen Bargeldversorgung

Die Sicherstellung eines unentgeltlichen und wohnortnahen Zugangs zum eigenen Bargeld fordert eine von SPÖ-Abgeordnetem Andreas Kollross unterstützte Bürgerinitiative. Durch ein aktuelles Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs könnten Gebühren für die Behebung von Bargeld wieder Realität in Österreich werden, befürchten die EinbringerInnen.

Die SPÖ fürchtet, dass durch die Schließung von Bankfilialen das kostenlose Bankomatennetz gefährdet wird und Drittanbieter mit kostenpflichtigen Angeboten auf den Plan treten werden. Die Freiheitlichen sehen weiters das Problem der rechtlichen Deckung von Bankomatgebühren durch Banken. Die ÖVP nannte alternative Möglichkeiten des Bargeldbezugs wie Cashback-Programme oder Kooperationen mit Kreditkartenunternehmen und betonte, dass Österreich im internationalen Vergleich über ein dichtes Bankomatennetz verfüge. Die Versorgung mit Bargeld müsse gewährleistet bleiben und Bargeld sei auch wichtig, um den Umgang mit Geld zu üben, erklärte Ulrike Fischer (Grüne) in der Debatte.

Mandatar Christian Drobits von der SPÖ betonte, dass ein wohnortnaher Zugang zu Bargeld wichtig für die Teilhabe sei und dieser Zugang im ländlichen und auch städtischen Bereich durch Bankschließungen zunehmend verwehrt werde. Er stellte deshalb in der Debatte einen Entschließungsantrag, in dem er die Regierung aufforderte, Gespräche mit BankenvertreterInnen aufzunehmen, um regionale Bankfilialen sicherzustellen. Alternativ solle ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Der Antrag fand im Plenum keine Mehrheit. Ebenso abgelehnt wurde ein Antrag von Peter Wurm (FPÖ), der auf den Erhalt der Cent-Münzen und Euro-Scheine im aktuellen Bestand vorsah. Weiters sollte eine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaffung von Münzen und Scheinen verhindert werden.

Die Abgeordneten der ÖVP Peter Weidinger, Alexandra Tanda und Karl Schmidhofer betonten in ihren Wortmeldungen die wichtige und emotionale Bedeutung von Bargeld sowie das dichte Netz an Bankomaten. Es gelte, das Anrecht auf eigenes Bargeld zu bewahren, erklärte Tanda.(Fortsetzung Nationalrat) mbu/gun

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.