Parlamentskorrespondenz Nr. 607 vom 20.05.2021

Glyphosat: Nationalrat einstimmig für Teilverbot

Neues Düngemittelgesetz und Forderung nach Ausstieg aus nicht gentechnikfreien Futtermitteln mehrheitlich angenommen

Wien (PK) – Der Nationalrat sprach sich heute für ein Teilverbot von Glyphosat aus. Trotz einstimmigem Abstimmungsergebnis gab es Kritik von SPÖ und FPÖ, die für ein generelles Verbot eintreten. Mit dem beschlossenen Teilverbot darf das Pflanzenschutzmittel nicht mehr in jenen Bereichen verwendet werden, die in der Öffentlichkeit als besonders sensibel wahrgenommen werden. Davon umfasst sind unter anderem die nicht berufliche Verwendung, der Haus- und Kleingartenbereich sowie der Einsatz auf Flächen, die von der Allgemeinheit oder von gefährdeten Personengruppen genutzt werden.

Eine Mehrheit im Nationalrat fand - ohne Stimmen der SPÖ - ein neues Düngemittelgesetz, das den gesamtösterreichischen Markt sowie die Nachhaltigkeit fördern soll. Ferner ist vorgesehen, eine notifizierende Behörde sowie eine notifizierte Stelle einzurichten, die bewerten sollen, ob Düngeprodukte den Anforderungen der EU-Düngemittel-Verordnung entsprechen. Weiters sprach sich der Nationalrat für den verstärkten Einsatz von gentechnikfreiem Soja im Rahmen des AMA-Gütesiegels aus. Ein dementsprechender Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen fand Unterstützung bei ÖVP, FPÖ und Grünen.

Glyphosat-Einsatz wird auf sensiblen Flächen und im nicht beruflichen Bereich verboten

Einstimmig nahm der Nationalrat heute einen Antrag von ÖVP und Grünen zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes an, der ein Teilverbot von Glyphosat vorsieht. Damit darf das Pflanzenschutzmittel nicht mehr in jenen Bereichen verwendet werden, die in der Öffentlichkeit als besonders sensibel wahrgenommen werden. Konkret von dem Verbot umfasst sind die nicht berufliche Verwendung, der Haus- und Kleingartenbereich sowie das Inverkehrbringen zur Vorerntebehandlung, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist. Aber auch auf Flächen, die von der Allgemeinheit oder von gefährdeten Personengruppen genutzt werden, darf Glyphosat nicht mehr eingesetzt werden.

Zwar sei das Teilverbot zu begrüßen, aber es gebe trotz aufrechter Beschlüsse des Nationalrats noch kein Gesamtverbot, kritisierten Walter Rauch (FPÖ) und Cornelia Ecker (SPÖ). Die SPÖ-Mandatarin brachte einen entsprechenden Abänderungsantrag ein, der im Sinne der Versorgungssicherheit auf ein allgemeines Verbot des Pflanzenschutzmittels abzielt. Es gebe eine Reihe von Studien, die den Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebserkrankungen nachweisen würden, argumentierte Ecker. Auch gebe es Gerichtsbeschlüsse, die dies unterstreichen würden. Der SPÖ-Antrag fand in der Abstimmung allerdings keine Mehrheit. In der Minderheit blieb auch ein von Rauch eingebrachter Entschließungsantrag, in dem er eine Kennzeichnung von Lebensmitteln fordert, wenn diese mit Glyphosat-Einsatz produziert wurden. Eine solche Kennzeichnung würde es KonsumentInnen ermöglichen, glyphosatfreie Lebensmittel zu kaufen, sagte Rauch.

Für Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) fehlt es in der politischen Diskussion um Pflanzenschutzmittel häufig an Sachlichkeit. Die Landwirtschaft dürfe nicht als Projektionsfläche für politische Agitation herangezogen werden. Bei Glyphosat seien wissenschaftliche Ergebnisse heranzuziehen, betonte der ÖVP-Mandatar und verwies wie  Olga Voglauer (Grüne) auf eine ausstehende Neubewertung der Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene. Voglauer unterstrich, dass das vorliegende Teilverbot dem entspreche, was der EU-rechtliche Rahmen zulasse. Dem schloss sich auch Karin Doppelbauer (NEOS) an. Sie hob darüber hinaus das Problem des Artensterbens heraus. Neben synthetischen Pflanzenschutzmitteln stelle der Flächenverbrauch ein Risiko für die Biodiversität dar.

AMA-Gütesiegel soll den Ausstieg aus nicht-gentechnik-freien Futtermitteln forcieren

Im Sinne eines verstärkten Einsatzes von gentechnikfreiem Soja sowie zur Stärkung der Eigenversorgung mit gentechnikfreiem und europäischem Soja soll es zu einer Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels kommen. Ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien wurde dazu heute mehrheitlich angenommen. Darin wird die Landwirtschaftsministerin ersucht, im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten auf die zuständigen Stellen und betroffenen Branchen einzuwirken. Als Ziel wird der Ausstieg aus nicht gentechnikfreien Futtermitteln formuliert. Zudem soll die Weiterentwicklung von Tierwohlkriterien im Rahmen des AMA-Gütesiegels berücksichtigt werden.

Die Basis dafür bildete eine NEOS-Initiative, die eine Anpassung der Vergabe des AMA-Gütesiegels einfordert. Demnach sollen künftig keine Produkte, die in Aufzucht und Produktion nicht europäisches Eiweißfutter beinhalten, mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet werden können. Es sei im Interesse der österreichischen Bevölkerung, wenn diese ausschließen könnte, dass ein mit dem Gütesiegel markiertes Produkt weder gentechnisch verändert ist, noch mit extensivem chemischem Pflanzenschutz hergestellt, noch den "Raubbau" im Amazonasgebiet mitverursacht, heißt es in dem Entschließungsantrag, der jedoch keine Mehrheit im Plenum fand.

Ebenso mehrheitlich abgelehnt wurden zwei während der Debatte eingebrachte SPÖ-Initiativen. Einerseits fordern die SozialdemokratInnen, dass die Vergabe des AMA-Gütezeichens nur bei vollkommen gentechnikfreiem Herstellungsprozess inklusive gentechnikfreier Fütterung, verwendet werden darf. Andererseits soll sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, unter die strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen.

Für Karin Doppelbauer (NEOS) geht der Antrag von ÖVP und Grünen nicht weit genug, weshalb ihre Fraktion diesem nicht zustimmen werde. Es gehe um die Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels, um einen höheren Stellenwert für die mit europäischem Soja produzierten Lebensmittel zu erhalten. Jedoch stehe Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hier "auf der Bremse", so Doppelbauer.

Obwohl ihre Fraktion dem Antrag der Regierungsparteien zustimmen werde, sei dieser nicht weitreichend genug, hielt Cornelia Ecker (SPÖ) fest. Das AMA-Gütesiegel solle von einem Marketinginstrument zu einem Qualitätssiegel umgebaut werden. Ecker forderte, dass sich die Landwirtschaftsministerin für die Beibehaltung der hohen österreichischen "Gentechnik-Standards" auf europäischer Ebene einsetzen soll, denn die Europäische Kommission wolle diese im Rahmen der GAP-Verhandlungen aufweichen. Auch FPÖ-Mandatar Peter Schmiedlechner (FPÖ) signalisierte Zustimmung seitens seiner Fraktion. Er betonte jedoch, dass es eine grundlegende Reform des AMA-Gütesiegels brauche. "Wo Österreich drauf steht, muss Österreich drinnen sein", so Schmiedlechner. Außerdem gelte es den "Siegel-Dschungel" abzuschaffen, denn es brauche nur ein einziges AMA-Gütesiegel, das zu "100%" die österreichische Herkunft garantiere.

Es gehe vor allem um das Vorantreiben der Herkunftskennzeichnung, damit sich die Menschen freiwillig und bewusst für Lebensmittel entscheiden könnten, die zu einer gesunden Ernährung beitragen sollen, unterstrich Georg Strasser (ÖVP). Das AMA-Gütesiegel solle deshalb auch in den Bereichen Fütterung und Tierhaltung weiterentwickelt werden. Für Olga Voglauer (Grüne) habe man mit dem heutigen Beschluss ein Meilenstein erreicht, da nun der Ausstieg aus gentechnisch veränderten Futtermitteln formuliert worden sei.

Köstinger: Düngemittelgesetz wichtiger Beitrag zum Schutz von Mensch, Tier, Boden und Umwelt

Ein neues Düngemittelgesetz dient der Erfüllung von EU-Vorgaben und soll den gesamtösterreichischen Markt sowie die Nachhaltigkeit bei Düngemitteln fördern. Der Regierungsvorlage zufolge werden zu diesem Zweck eine notifizierende Behörde sowie eine notifizierte Stelle eingerichtet, die bewerten sollen, ob Düngeprodukte den Anforderungen der EU-Düngemittel-Verordnung entsprechen (CE-Konformitätsbewertung). So soll etwa im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Wiederverwertung von Reststoffen als Düngemittel gefördert werden. Die Bewertungsagenden werden schon bisher mit amtlichen Kontrollen betrauten Institutionen obliegen, dem Bundesamt für Ernährungssicherheit, Beschlagnahmen und Strafverfahren (BAES) sowie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Österreich sei im Bereich der Meldung von Düngemitteln bereits ein Vorreiter, unterstrich Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Umweltprogramme und der effiziente Einsatz der Mittel durch LandwirtInnen hätten bereits zu einer Reduktion des Mineraldüngereinsatzes beigetragen. Mit dem Düngemittelgesetz werde die Kennzeichnung und Kontrolle der Mittel sowie die Transparenz durch ein öffentlich zugängliches Register verbessert. Clemens Stammler (Grüne) hob an dem Gesetz die Beschränkung der Zulassung einzelner Produkte auf zehn Jahre positiv hervor. Damit leiste man einen Beitrag zur Erreichung des Green Deals der EU, der unter anderem eine Halbierung des Nährstoffverbrauchs und die Reduktion des Düngemitteleinsatzes bei gleichbleibender Bodenfruchtbarkeit vorsehe. Um dies zu erreichen, müssten die Produkte immer wieder neu bewertet werden.

Zustimmung zum Düngemittelgesetz kam auch von Walter Rauch (FPÖ). Wichtig sei in dem Zusammenhang, dass der Humusaufbau gefördert werde, da dieser nicht nur für die Ernährungssicherheit, sondern auch zur Speicherung von CO2 wichtig sei. Man setze in der Änderung aber mehr auf Strafen und weniger auf Beratung, kritisierte er. Mit dem Düngemittelgesetz werde nicht sichergestellt, was auf die Felder aufgebracht werde, lautete die Kritik von Klaus Köchl (SPÖ). Die aufgebrachten Schadstoffe würden lange in den Böden bleiben. Es fehle an Regelungen für Zwischenlager der Düngemittel. Schließlich sei es auch wichtig, was in der Gülle oder der Jauche und damit auch auf den Tischen der Menschen lande.

Mit dem Düngemittelgesetz nehme man Anpassungen an EU-Vorgaben vor, die zum Schutz von Mensch, Tier, Boden und Umwelt beitragen würden, unterstrich Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Zudem werde ein funktionierender Düngemittelmarkt entsprechend der EU umgesetzt und die Kreislaufwirtschaft gefördert. Bei der Schaffung und Umsetzung von Konformitätsbewertungen bei Düngemitteln sei Österreich Vorreiter in der EU und durch die Betreuung des Bundesamts für Ernährungssicherheit, Beschlagnahmen und Strafverfahren (BAES) mit den Bewertungsagenden komme ein wichtiger Aspekt bei der Kontrolle und Überwachung landwirtschaftlicher Betriebsmittel hinzu. (Fortsetzung Nationalrat) see/med

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