Parlamentskorrespondenz Nr. 815 vom 29.06.2021

Wirtschaftsausschuss gibt grünes Licht für Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG)

Abänderungsantrag im Plenum soll notwendige Zweidrittelmehrheit sicherstellen

Wien (PK) – Lange wurde in Österreich um eine Neuregelung und Ausweitung der Ökostromförderung gerungen, nun könnte es noch vor dem Sommer einen endgültigen Beschluss geben. Der Wirtschaftsausschuss des Nationalrats hat heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der NEOS den Weg für ein umfangreiches Gesetzespaket mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) als Kernstück geebnet. Die im Plenum notwendige Zweidrittelmehrheit soll durch einen Abänderungsantrag sichergestellt werden, den ÖVP und Grüne für kommende Woche in Aussicht stellten. Noch sind die laufenden Verhandlungen mit der SPÖ allerdings nicht abgeschlossen, wiewohl sich alle Beteiligten grundsätzlich optimistisch zeigten. Wichtig ist der SPÖ unter anderem eine soziale Treffsicherheit beim Aufbringen der Fördermittel, wie Alois Schroll im Ausschuss erklärte.

Zweck des EAG-Pakets ist es, den Ausbau erneuerbarer Energieträger weiter voranzutreiben, mit dem Ziel, den heimischen Stromverbrauch ab dem Jahr 2030 zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen abzudecken und Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. In diesem Sinn sprach Umweltministerin Leonore Gewessler im Ausschuss vom größten bisher geschnürten Energiepaket. Weitere Gesetzesvorhaben zum Erreichen der angestrebten Energiewende sollen folgen.

Erfreut äußerte sich Gewessler darüber, dass die EU gestern die beihilfenrechtliche Genehmigung für die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Netzreserve erteilt hat. Damit konnte verhindert werden, dass die bisherigen Förderungen rückabgewickelt werden müssen, sagte sie. Auch das vorliegende Förderpaket ist noch von der EU zu genehmigen.

Bis zu 1 Mrd. € Förderungen pro Jahr

Konkret sieht das vorliegende Gesetzespaket (733 d.B.), das neben dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auch begleitende Änderungen in zahlreichen weiteren Gesetzen wie dem Elwog umfasst, vor, in den kommenden Jahren bis zu 1 Mrd. € pro Jahr an Förderungen bereitzustellen. Damit soll die Nutzung von Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik, Biomasse und Biogas zur Energiegewinnung forciert werden, wobei neben einem an den verschiedenen Energieträgern ausgerichteten Marktprämienmodell auch Investitionszuschüsse, etwa für die Umrüstung von Anlagen oder die Erweiterung von Stromspeichern, in Aussicht genommen sind. Zudem ist geplant, auch erneuerbares Gas und Wasserstoff in das Förderregime aufzunehmen und innovative Ansätze durch regulatorische Freiräume ("Sandboxes") zu fördern. Bestimmte Projekte wie Wasserkraftwerke an wertvollen Gewässerstrecken mit sehr gutem ökologischen Zustand sind allerdings von Förderungen ausgeschlossen.

Geschaffen werden mit der Sammelnovelle darüber hinaus gesetzliche Grundlagen für private – nicht vorrangig gewinnorientierte – Energiegemeinschaften. Damit will die Regierung Privathaushalte und kleine Betriebe motivieren, selbst Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und zu begünstigten Konditionen mit anderen Teilnehmern der Gemeinschaft zu teilen. Ebenso gehören die Erstellung eines integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans, die Überarbeitung der Herkunftskennzeichnung für Strom und Gas, die Einrichtung einer EAG-Förderabwicklungsstelle, ein vereinfachter Netzzugang für Ökostromanlagen sowie die Vorschreibung eines "Dekarbonisierungspfads" zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie bzw. von Abwärme im Bereich der Fernwärme- und Fernkälteversorgung zum umfangreichen Paket. Änderungen gibt es auch beim weiterhin von der E-Control zu führenden Ladestellenverzeichnis für E-Fahrzeuge.

Fernwärmeförderung soll in Umweltförderungsgesetz integriert werden

Dass der in Aussicht gestellte Abänderungsantrag nicht schon im Ausschuss vorgelegt wurde, begründeten Lukas Hammer (Grüne) und Tanja Graf (ÖVP) damit, dass die Verhandlungen mit der SPÖ noch nicht abgeschlossen sind. Sie zeigten sich aber zuversichtlich, was das Erzielen eines Konsenses betrifft. Die Gespräche seien bisher sehr gut und konstruktiv verlaufen, sagte Graf.

Das wurde von SPÖ-Abgeordnetem Alois Schroll bestätigt, der sich auch ausdrücklich bei den MitarbeiterInnen des Umweltministeriums bedankte, mit denen man zuletzt "einige Nächte" verbracht habe. Die Verhandlungen seien sehr intensiv, sagte er. Noch hat man laut Schroll und seinem Fraktionskollegen Christoph Matznetter aber nicht in allen Punkten eine Einigung erzielt.

Teil der Verhandlungen ist laut Hammer auch eine Integration der Fernwärmeförderung in das Umweltförderungsgesetz. Ein im Ausschuss dazu eingebrachter Gesetzesmantel ohne konkreten Inhalt soll die Basis für einen entsprechenden Nationalratsbeschluss bieten. Diesem Gesetzesmantel stimmte neben ÖVP und Grünen auch die SPÖ zu.

FPÖ und NEOS kritisieren Vorgangsweise

Kritisch zu den andauernden Verhandlungen äußerten sich FPÖ und NEOS. Der Abänderungsantrag werde wohl so spät an die anderen Fraktionen übermittelt werden, dass man nur wenige Stunden Zeit haben werde, das Ergebnis zu beurteilen, mutmaßte Axel Kassegger (FPÖ). Dabei liege die Regierungsvorlage seit Monaten am Tisch. Er äußerte zudem die Befürchtung, dass wesentliche Anliegen der FPÖ nicht in der Endversion des Antrags berücksichtigt werden.

Konkret schlug Kassegger vor, beim Förderregime einen "Top-Up-Zuschlag" einzuführen. Demnach sollen 30% der jeweils zustehenden Fördersumme nur dann gewährt werden, wenn die Wertschöpfung in der EU erzielt wird.

Auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker wies darauf hin, dass der Regierungsentwurf seit März bekannt sei und andere Länder bei der Umsetzung der EU-Vorgaben schneller gewesen seien. Nun werde man erneut vertröstet und über das Ergebnis der Gespräche vermutlich erst kurzfristig informiert, kritisierte er.

Dass die NEOS dem Gesetzespaket im Ausschuss dennoch ihre Zustimmung erteilten, begründete Loacker damit, dass der vorliegende Kompromiss "über weite Strecken in Ordnung geht", auch wenn er in einigen Punkten noch Verbesserungsbedarf sieht. So befürchtet er zu viel Bürokratie für Unternehmen und verwies auf den Fachkräftemangel in Österreich. Auch etliche Fragen in Bezug auf Energiegemeinschaften sind seiner Meinung nach offen. Beim integrierten Netzstrukturplan sind Loacker bundeseinheitliche Regelungen ein Anliegen, etwa was die verpflichtende Prüfung von Erdkabel-Verlegungen bei allen Leitungen ab 110 kV betrifft. Klar ist für ihn, dass die Energiewende "nicht gratis daherkommt", das gelte es klarzumachen.

SPÖ pocht auf soziale Treffsicherheit bei Aufbringung von Fördermitteln

Einer der Knackpunkte der laufenden Verhandlungen dürfte die Frage sein, wie die Mittel für die Ökostromförderung künftig aufgebracht werden. Die SPÖ habe sich immer zum Ziel bekannt, 100% des Stroms aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, sagte Alois Schroll, man dürfe die Frage der sozialen Treffsicherheit aber nicht außer Acht lassen und kleine Haushalte übermäßig belasten.

Dem schloss sich SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter an. Er machte geltend, dass die Ökostromabgabe nichts anderes als eine Besteuerung der Haushalte zur Finanzierung des Energiewandels sei, und drängte in Anbetracht des geplanen Fördervolumens auf eine Ausweitung der Finanzierungsquellen. Man könne nicht die kleinen Haushalte über die Strom- und Gasrechnung zur Kasse bitten, während jene, die von hunderten Millionen an Dividenden profitierten, unbehelligt blieben. Matznetter fragt sich außerdem, ob das Fördervolumen von 1 Mrd. € im Jahr ausreichend sein wird und inwieweit man künfig mit Photovoltaikanlagen und Windrädern auf Bergen rechnen wird müssen.

ÖVP und Grüne sehen Quantensprung bei Energiewende

ÖVP-Wirtschaftssprecher Peter Haubner hielt dazu fest, dass die Kosten für Elektrizität stetig in die Höhe klettern und man auch darauf achten müsse, Betriebe nicht zu stark zu belasten. Die Wirtschaft könne den Ausbau der erneuerbaren Energie nicht alleine bezahlen, meinte er. Haubner ist aber zuversichtlich, dass im Endergebnis "ein guter Mix" herauskommen wird.

Haubners Fraktionskollege Christoph Stark erinnerte daran, dass von der Politik seit Jahren gefordert wird, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Das vorliegende Paket sei ein Quantensprung in diese Richtung, meinte er und sprach vom größten Energiepaket seit dem Jahr 2000 und einem Investitionspaket für die Wirtschaft. "Wir schaffen Arbeitsplätze und Strom 'Made in Austria'", hob auch Tanja Graf hervor. Etliche Punkte werden Stark zufolge aber erst auf Verordnungsebene gelöst werden können, um eine gewisse Flexibilität zu erhalten.

Grün-Abgeordneter Hammer wertete das vorliegende Gesetzespaket als wesentlichen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität und für das Erreichen einer naturverträglichen Energiewende. Jede Technologie werde mit einer maßgeschneiderten Lösung gefördert. Das Vorhaben sei außerdem für den Wirtschaftsstandort und die Arbeitsplätze in Österreich wichtig. Es werde viel darüber geredet, was auf der Stromrechnung stehe, sagte Hammer, man müsse aber auch sehen, dass derzeit fossile Energie im Umfang von 8 bis 10 Mrd. € importiert werde. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energieträger würde Wertschöpfung nach Europa und Österreich geholt.

Gewessler: EAG-Paket wird großer Innovations- und Job-Motor sein

Umweltministerin Leonore Gewessler betonte, dass es Ziel der Regierung sei, das Energiesystem auf neue Beine zu stellen. Das EAG-Paket ist ihr zufolge die Grundlage für die angestrebte Energiewende. Damit würde die heimische Energieerzeugung gestärkt, was auch eine große Chance für kleine und mittlere Unternehmen sei. Schließlich brauche es nicht nur Wind, Sonne und Biomasse, um die Energienutzung umzustellen, sondern auch "Intelligenz und geschickte Hände". In diesem Sinn erwartet Gewessler, dass das EAG-Paket nicht nur ein großer Innovationsmotor, sondern auch ein großer Job-Motor sein wird. Besonders hob sie zudem das neue Instrument der Energiegesellschaften hervor.

Die Ministerin sieht das Gesetzespaket außerdem gut mit Monitoring- und Überwachungselementen abgesichert: Damit könne man gut "nachsteuern", sollte dies notwendig sein. Klar ist für Gewessler auch, dass die eigentliche Arbeit mit dem Gesetzesbeschluss erst losgeht, wobei ihr zufolge bei der Umsetzung auch die Bundesländer eine ganz zentrale Rolle spielen werden. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) gs