Parlamentskorrespondenz Nr. 980 vom 13.09.2021

Distance Learning brachte Digitalisierungs- und Innovationsschub an Hochschulen

Studie über Veränderungen des Lehrbetriebs während der COVID-19-Semester 2020 und 2020/21

Wien (PK) – Die durch die COVID-19-Pandemie verursachte rasche Umstellung auf Distance Learning veränderte ab März 2020 den Studienbetrieb an den österreichischen öffentlichen Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten und Pädagogischen Hochschulen grundlegend. Ein Forschungsteam hat im Auftrag des Wissenschaftsministeriums im Detail untersucht, wie die Hochschulen diese Umstellung von Präsenzunterricht auf Online-Lehre bisher bewältigt haben. Der Bericht "Distance Learning an Universitäten und Hochschulen im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21" liegt nun dem Nationalrat vor (III-420 d.B.). Das Forschungsteam analysierte umfangreiche schriftliche Quellen und bezog auch die persönlichen Erfahrungen der Studierenden und Lehrenden mit Distance Learning ein.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann sieht durch die Ergebnisse der Studie bestätigt, dass digitale Lehr- und Lernformen nur dann innovativ sind, wenn sie fachkundig und didaktisch sinnvoll ein- und umgesetzt werden. Ein Hochschulstudium zeichne sich auch durch persönliche Begegnungen, öffentliche Diskurse und direkte Kontakte aus, unterstreicht Faßmann im Vorwort zum Bericht. Distance Learning könne letztlich immer nur ein Zusatz zur Präsenzlehre sein, die Universität und Hochschule der Zukunft werde nie ausschließlich digital sein. Vielmehr braucht es "die gelungene Mischung", ist Faßmann überzeugt.

Distance Learning bedeutete tiefgreifende organisatorische Veränderung der Hochschulen

Die Studie bezeichnet die Ad-hoc-Umstellung auf Distance Learning als die vermutlich am raschesten vollzogene organisatorische Veränderung der Hochschulen in der jüngeren Vergangenheit. In der Pandemie sei Distance Learning von einer Randerscheinung zu einer systemweiten Praxis an den österreichischen Hochschulen geworden. In kurzer Zeit erfolgten eine völlige Umstellung des Lehrbetriebs, die Anpassung und Erweiterung der technischen Ausstattung und IT-Infrastrukturen sowie die Adaption der Lehre an die neuen Bedingungen. Den Hochschulen kam dabei zugute, dass viele von ihnen, insbesondere einige der großen Universitäten, bereits vor der Pandemie über technische und organisatorische Strukturen und Services oder auch einschlägige Projekte und Planungen verfügten, die eine Umsetzung des vollflächigen Distance Learning erleichterten, hält die Studie fest. In dieser Umsetzung habe sich insbesondere die Bedeutung der digitalen und mediendidaktischen Kompetenzen der Lehrenden als wesentlicher und kritischer Faktor gezeigt.

Für die Studierenden habe die pandemiebedingte Umstellung auf Distance Learning in mehrfacher Hinsicht Belastungen gebracht. Die örtlichen, zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie die technischen Voraussetzungen eines Studiums änderten sich tiefgreifend. Das betraf etwa Anforderungen an Ausstattung und Internetanschluss, oder auch an eine hochschulnahe Wohnung. Studierende verloren auch Einkommen. Als negative Auswirkung werteten viele Studierende, dass mit dem Distance Learning unter anderem die Kommunikation mit Lehrenden und Mitstudierenden stark eingeschränkt wurde. Auf der anderen Seite sahen sie auch gewisse Vorteile, wie die Möglichkeiten zu flexiblerem Lernen anhand von Aufzeichnungen und eigener Schwerpunktbildung. Auch wurde eine Verbesserung der verfügbaren Online-Lerninhalte während der COVID-19-Pandemie konstatiert.

Empfehlungen zur Integration von Distance Learning ins Lehrangebot

Auf der Grundlage der analysierten Publikationen und Berichte der ersten beiden COVID-19-Semester formuliert das Team mehrere zentrale Einsichten und Empfehlungen, um erfolgreich durchgeführte Lehr- und Prüfungsformate bzw. Distance Learning auch im Lehralltag der österreichischen Hochschulen umzusetzen. Für ihre nachhaltige Verankerung müssten die rechtlichen, finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen ausgebaut und teilweise erst geschaffen werden.

Auch das Tätigkeitsprofil der Lehrenden hat sich durch das Distance Learning verändert und wird sich weiter verändern. Daher wird empfohlen, verstärkt auf die mediendidaktischen und digitalen Kompetenzen der Lehrenden zu setzen und sie entsprechend zu fördern. Zu beachten sei aber, dass nicht alle Lehrveranstaltungstypen und -themen für eine Digitalisierung bzw. für Distance Learning geeignet sind oder abgeprüft werden können. In einigen Fällen ist eine physische Anwesenheit unabdingbar, etwa bei Laboren, Werkstätten, Ateliers und Exkursionen.

Die Studie weist auch darauf hin, dass für Massenprüfungen im Distanz-Modus beziehungsweise für Prüfungen mit Prüfungsaufsicht per Video große technische Herausforderungen bestehen. Vor allem für Studierende bedeuten sie auch zusätzlichen Stress. Hier sei es notwendig, die institutionellen Erfahrungen zu analysieren und eine reflexive Praxis zu installieren, unterstreichen die AutorInnen.

Die COVID-19-Pandemie habe auch die Bedeutung des institutionellen Peer Learnings, das Knowhow der Fachnetzwerke, die Leistungen der Serviceeinrichtungen und die Rolle des kollegialen Miteinanders in den Institutionen deutlich gemacht. Diese Qualitätskultur sollte in der Zukunft bewusst weiter gefördert und genutzt werden, hält die Studie fest.

Abschließend benennt die Studie einige wichtige Forschungsanliegen. Zu untersuchen wäre etwa, welche Wirkung das Distance Learning auf den Kompetenzerwerb hat und welche etwaigen Folgen und Benachteiligungen für Bildungsbiographien sich daraus ergeben. Empfohlen werden weitere detailliertere Untersuchungen unter Einbeziehung der Entwicklungen des Sommersemesters 2021, um ein umfassendes Bild über Veränderungen und Anpassungen an den Hochschulen zu erhalten, da die Konsolidierungsprozesse, die im Wintersemester 2020/21 begonnen haben, zu berücksichtigen wären. Der Bericht verweist auch auf die Arbeitsgruppe der österreichischen Hochschulkonferenz zum Thema "Digitales Lehren, Lernen und Prüfen", die mit 16. Februar 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat. Ihr Ziel ist es, Empfehlungen zu erarbeiten, um die Qualität des hochschulischen Lehrens, Lernens und Prüfens auf Basis der bisherigen Evidenzen und Erfahrungen heraus weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse des vorliegenden Berichts sollen in die Beratungen dieser Arbeitsgruppe einfließen. (Schluss) sox