Parlamentskorrespondenz Nr. 1011 vom 22.09.2021

Nationalrat einstimmig für Verlängerung der Regelungen zur Sonderbetreuungszeit

Gültigkeit rückwirkend ab 1. September gemeinsam mit Honorarregelung für dritten Impfstich

Wien (PK) – Einstimmig sprach sich der Nationalrat heute für eine weitere Verlängerung der Sonderbetreuungszeit aus, die eine Abgeltung für die Betreuung von unter 14-jährigen Kindern, von Angehörigen mit Behinderung oder Pflegebedürftigen festlegt, die aufgrund von COVID-19-Maßnahmen erforderlich wird. Diese Sonderbetreuungszeit kann bis Jahresende 2021 in Anspruch genommen und für bis zu drei Wochen abgegolten werden. Die Regelung tritt zudem rückwirkend ab 1. September in Kraft.

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und den NEOS mehrheitlich angenommen wurde die gesetzliche Grundlage, die es dem Gesundheitsminister ermöglicht, das Honorar der Österreichischen Gesundheitskasse für Corona-Impfungen im niedergelassenen Bereich per Verordnung festzulegen. Damit wird der Weg für eine Abgeltung des "dritten Impfstichs" geebnet. Auch diese Bestimmung tritt rückwirkend mit 1. September 2021 in Kraft.

Dem Beschluss der beiden Maßnahmen ging eine Debatte über den richtigen Weg aus der Pandemie voraus. Die FPÖ benützte die Gelegenheit, sich einmal mehr gegen jeden Zwang bei Corona-Maßnahmen auszusprechen, seien es FFP2-Masken oder Impfungen. Die anderen Fraktionen betonten hingegen die Wichtigkeit der Erreichung einer hohen Impfquote. ÖVP und Grüne kritisierten dabei vor allem die Haltung der FPÖ und meinten, sie trage wesentlich zur Verunsicherung der Bevölkerung in der Impffrage bei. Die Koalitionsfraktionen riefen zu einem nationalen Schulterschluss auf, um rasch die Impfquote anzuheben. SPÖ und NEOS sprachen sich ebenfalls für Impfungen aus, führten die zu niedrige Impfrate aber auf Versäumnisse der Bundesregierung zurück. Mangelndes Krisenmanagement und komplizierte Verordnungen hätten zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt, waren sich SPÖ und NEOS einig.

Klarstellung zur Abgeltung von Impfhonoraren führt zu hitziger Debatte um COVID-19-Maßnahmen und Impfquote

Ein Initiativantrag von ÖVP und Grünen, der auch die Zustimmung von SPÖ und NEOS erhielt, stellt klar, dass die Österreichische Gesundheitskasse für die Durchführung von COVID-19-Impfungen sowie für die Dokumentation ein pauschales Honorar zu bezahlen hat. Mit der Neuformulierung ist nun auch die dritte Impfung umfasst. Im bisherigen Gesetzestext war explizit nur eine zweimalige Durchführung der Impfung erwähnt. Der Gesundheitsausschuss ergänzte zudem, dass die gesetzliche Honorarregelung sowie die Bestimmungen über die entsprechende Verordnung des Gesundheitsministers zur Festlegung des konkreten Honorars für Impfungen gegen SARS-CoV-2 im niedergelassenen Bereich rückwirkend mit 1. September 2021 gelten.

FPÖ-Mandatar Gerhard Kaniak betonte, die FPÖ sei selbstverständlich dafür, dass ÄrztInnen für Impfungen ein Honorar erhalten. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass damit Druck zu einer dritten Impfung aufgebaut werde. Er beklagte in diesem Zusammenhang eine "Sudelkampagne" gegen die FPÖ, der man offenbar die Schuld am neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen unterschieben wolle. Aus seiner Sicht seien die Maßnahmen der Bundesregierung, etwa zur FFP2-Maske, rein politischer Natur und aus epidemiologischer Sicht zweifelhaft. Seine Fraktion trete dafür ein, dass BürgerInnen frei wählen können, welche Schutzmaßnahmen sie ergreifen. Das betreffe auch die Impfung, bei der es keinen Zwang geben dürfe. Kaniak brachte einen Abänderungsantrag seiner Fraktion zur Honorarregelung ein. Die FPÖ wollte eine Ergänzung, wonach nur von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) oder der nationalen Zulassungsbehörde ausdrücklich zugelassene Corona-Impfstoffe zur Verwendung und Abrechnung zugelassen werden sollen.

Kaniaks Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch fürchtet eine Diskriminierung von ungeimpften Menschen und an COVID-19 Erkrankten bzw. Genesenen. Ihre Fraktion fordere daher ein ausdrückliches und bindendes Diskriminierungsverbot für COVID-19-Ungeimpfte in Gesellschaft, Wirtschaft, am Arbeitsplatz, an den Schulen und Universitäten in einem Entschließungsantrag, betonte die Abgeordnete. Sie brachte in diesem Sinne einen Entschließungsantrag ein. Die beiden Anträge der FPÖ fanden keine Mehrheit.

FPÖ-Mandatar Gerald Hauser betonte, die FPÖ stehe den Impfungen nicht im Wege. Eine aktuelle Statistik der AGES zu Impfdurchbrüchen lasse jedoch Zweifel an der Wirksamkeit der COVID-19-Impfungen aufkommen. Darüber müsse man diskutieren. Aus eigener Erfahrung mit Nebenwirkungen der Impfung werde er niemandem die Impfung anraten. Peter Wurm (FPÖ) kritisierte die Koalitionsparteien, sie hätten ihre Corona-Politik von Anfang an mit Panikmache und Zwang betrieben. Auch die SPÖ lasse die ArbeitnehmerInnen im Stich. Seine Fraktion sei die einzige, die von Anfang an vor den Kollateralschäden der Politik der Bundesregierung gewarnt habe.

Der "dritte Stich" werde nun im ASVG verankert, da einige Bundesländer bereits mit den Nachimpfungen begonnen hätten, erläuterte Ralph Schallmeiner (Grüne). Die vier Parteien, die diesen Beschluss mittragen, hätten damit ihre Verantwortung gezeigt, da die Impfung die sicherste Methode zur Beendigung der Pandemie sei. Leider sei aber die Impfrate noch nicht hoch genug. Umso bedauerlicher sei daher, dass nicht alle Fraktionen der Verantwortung gerecht werden, indem sie klar zur Impfung aufrufen, sagte Schallmeiner mit Blick auf die FPÖ. Einmal mehr bewahrheite sich die Aussage, "mit der FPÖ ist kein Staat zu machen", sagte Schallmeiner. Die Freiheitlichen würden in verantwortungsloser Weise versuchen, aus der Impfskepsis eines Teiles der Bevölkerung politisches Kleingeld zu schlagen, das zeigten auch ihre Anträge einmal mehr. Michel Reimon (Grüne) wies den Entschließungsantrag der FPÖ zurück. Dieser sei ein weiterer Versuch einer Polarisierung der Gesellschaft. Hermann Weratschnig (Grüne) wies die Aussage von FPÖ-Abgeordneten, COVID-19-Impfungen seien letztlich wirkungslos, vehement zurück. Die Daten zeigten das Gegenteil.

Heftige Kritik an der Haltung der FPÖ zu COVID-19-Maßnahmen und zur Impfung übte auch Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP). Die notwendige Impfrate sei noch nicht erreicht, daher sei jetzt jeder und jede Einzelne wichtig, der oder die sich impfen lasse. In dieselbe Kerbe schlug ihr Fraktionskollege Werner Saxinger (ÖVP). Er benützte seinen Redebeitrag dazu, Fehlmeinungen und Falschinformationen über die Wirkung der COVID-19-Impfung entgegenzutreten. Nur mit einer ausreichenden Impfquote werde man rasch aus der Pandemie herauskommen, betonte er. Die FPÖ interpretiere die Angaben über Impfdurchbrüche grundlegend falsch; die Impfung wirke nicht zu hundert Prozent, könne aber die Pandemie beenden. Auch Alexandra Tanda (ÖVP) betonte, dass die Impfung ein Erkrankungsrisiko nicht völlig ausschließe, aber deutliche senke. Sie sei auch ein Akt der Solidarität mit anderen.

Aus seiner Sicht sei es "billig", wenn die ÖVP die FPÖ für die niedrige Impfrate verantwortlich mache, meinte hingegen Gerald Loacker (NEOS). Sie wolle damit von ihrem politischen Versagen in mehreren Punkten ablenken. Wichtig wäre ein niederschwelliger Zugang zur Impfung, wie er in anderen Ländern bestehe, wo etwa auch in Apotheken geimpft werden könne. Leider verhindere der Einfluss der Ärztekammer diese sinnvolle Maßnahme.

Philip Kucher (SPÖ) hielt den VertreterInnen der Koalitionsparteien vor, dass die Bundesregierung beim Krisenmanagement versagt und damit viel Glaubwürdigkeit verspielt habe. Das Vertrauen der Bevölkerung sei vor allem dadurch kaputt gemacht worden, dass der Bundeskanzler die Krise in erster Linie zu Eigenmarketing benützt habe, statt an die Interessen des Landes zu denken. Rudolf Silvan (SPÖ) sah die Honorarregelung als ein richtiges Signal. Die in Österreich vergleichsweise hohe Impfskepsis und Verunsicherung sei von der Bundesregierung und insbesondere von Bundeskanzler Kurz verursacht, meinte auch er. Nun wolle die Bundesregierung die ArbeitnehmerInnen immer weiter unter Druck setzen, etwa mit einer Impfpflicht.

SPÖ-Mandatarin Verena Nussbaum warf der Bundesregierung vor, zu wenig Aufklärung über die Impfung zu betreiben und die Bevölkerung durch ständig neue, immer kompliziertere Verordnungen zu verwirren. Gerade die Angestellten im Handel würden massiv darunter leiden. Viele Berufsgruppen hätten nach wie vor keinen Corona-Bonus erhalten.

COVID-19-Sonderbetreuungszeit bis Jahresende für bis zu drei Wochen möglich

Phase 4 der Sonderbetreuungszeit, die während der Corona-Pandemie beantragt werden konnte, hat am 9. Juli 2021 geendet. Als Reaktion auf den Schulbeginn, der eine Verlängerung der Maßnahmen notwendig macht, wurde von der Koalition im Gesundheitsausschuss per Ausschussantrag eine Phase 5 der Sonderbetreuungszeit auf den Weg gebracht. Der Antrag knüpfte an den erwähnten Initiativantrag von ÖVP und Grünen zur Abgeltung der Impfhonorare durch die Österreichische Gesundheitskasse an und orientiert sich an den Bestimmungen der Phase 4.

Wie bisher soll ein Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit neben der Möglichkeit einer Vereinbarung bestehen, wenn Lehranstalten oder Kinderbetreuungseinrichtungen behördlich geschlossen werden, Quarantäne verordnet wird oder Betreuungskräfte ausfallen. Das rückwirkende Inkrafttreten mit 1. September 2021 sichert auch den Kostenersatz seitens der Buchhaltungsagentur des Bundes für das durch ArbeitgeberInnen fortgezahlte Entgelt ab diesem Zeitpunkt ab. Die Sonderbetreuungszeit der Phase 5 soll bis Ende 2021 in Anspruch genommen bzw. vereinbart werden können. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit ist, dass die Betreuung eines unter 14-jährigen Kindes, eines oder einer Angehörigen mit Behinderung oder einer pflegebedürftigen Person notwendig ist und dass keine andere geeignete Person die Betreuung übernehmen kann. Der Rechtsanspruch gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für jene, die in systemrelevanten Betrieben beschäftigt sind.

Gerhard Kaniak (FPÖ) begrüßte die Verlängerung der Möglichkeit der Pflegefreistellung und betonte, diese Regelung sei auf Druck der FPÖ zustande gekommen. Seine Fraktion trete für sinnvolle Maßnahmen ein, um die Krise zu bewältigen. Seine Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch stellte die Frage, warum die Regelung so lange auf sich habe warten lassen, dass sie nun rückwirkend beschlossen werden müsse und nur bis Jahresende gelte. Das alles sei nur eine Fortsetzung des "Schuldebakels", das die Bundesregierung zu verantworten habe. Praktisch alle Nachbarländer hätten es geschafft, die Schulen durchgängig offen zu halten, unabhängig von der Impfquote.

Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) führte aus, dass der Schulbeginn durch die Quarantäne ganzer Klassen für viele Eltern eine große Herausforderung darstelle. Hier sei die Sonderbetreuungszeit, die bis zu drei Wochen in Anspruch genommen werden könne, eine wichtige Maßnahme, die im Übrigen auch für die Betreuung von Pflegebedürftigen oder Menschen mit Behinderungen gelte. Wie Pfurtscheller wies Alexandra Tanda (ÖVP) darauf hin, dass die Sonderbetreuungszeit, die seit März 2020 gelte, immer stärker auch von Vätern in Anspruch genommen werde. Das sei eine erfreuliche Entwicklung, da bisher die Frauen die Hauptlast zu tragen hätten. Martina Diesner-Wais (ÖVP) sprach von einer Regelung, die mit den Sozialpartnern abgestimmt sei und den Interessen der Familien wie der Unternehmen entspreche.

Auch Barbara Neßler (Grüne) freute sich über den Beschluss. Das Instrument der Sonderbetreuungszeit sei für Frauen wichtig, die immer noch den Großteil der unbezahlten Familien- und Pflegearbeit übernehmen müssen und durch die COVID-19-Krise noch zusätzlich belastet werden.

Martina Künsberg Sarre (NEOS) meinte, ÖVP und Grüne wollten mit dem Lob für die Verlängerung der Sonderbetreuungszeit nur von ihrem Versagen in der Pandemiebekämpfung ablenken. Nur aufgrund der weiterhin zu niedrigen Impfquote brauche man weiterhin Maßnahmen wie die Quarantäne von Schulklassen. Kinder und Jugendliche müssten den Preis für die verfehlte Impfpolitik zahlen.

Seitens der SPÖ begrüßte Gabriele Heinisch-Hosek die Verlängerung der Sonderbetreuungszeit. Diese sei von der Bundesregierung erst nach einem halben Jahr Pandemie zu einem Rechtsanspruch gestaltet worden. Leider gelte sie nur bis Jahresende, das werde voraussichtlich zu kurz sein. SPÖ-Mandatar Michael Seemayer brachte in diesem Sinne einen Abänderungsantrag seiner Fraktion ein, die Regelung der Sonderbetreuungszeit bis zum Beginn des Schuljahres 2022 zu verlängern. Der Antrag der SPÖ wurde abgelehnt. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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