Parlamentskorrespondenz Nr. 1177 vom 22.10.2021

Neu im Gesundheitsausschuss

Pflegereform, Long-COVID-Syndrom, betriebliche Testungen, Verbot des rituellen Schlachtens, grenzüberschreitender Rettungseinsatz

Wien (PK) – Die neuen SPÖ-Entschließungsanträge, die für den Gesundheitsausschuss bestimmt sind, enthalten Forderungen nach Maßnahmenpaketen zur Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Österreich sowie nach geeigneten Strategien zur Behandlung von Long-COVID-PatientInnen. Auch von Seiten der Freiheitlichen liegen wieder Vorschläge vor, wobei es nicht nur um die Fortführung der kostenlosen betrieblichen Corona-Tests bis Ende Juni 2022, die bundesweite Umsetzung eines neuen Pflegemodells, sondern auch um ein Programm zur Rettung von Rehkitzen oder das Verbot der rituellen Schlachtung von Tieren geht. Die NEOS wiederum regen ein Rahmenabkommen für den Rettungsdienst an, um mehr Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Einsätze zu gewährleisten.

Bei den drei Initiativanträgen der Regierungsfraktionen handelt es sich wohl wieder um sogenannte Trägerraketen, da nur minimale Änderungen vorgeschlagen werden. Betroffen davon sind das Betriebliche Testungs-Gesetz, das Epidemie- und COVID-19-Maßnahmengesetz sowie das COVID-19-Zweckzuschussgesetz.

SPÖ legt Maßnahmenpaket zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der österreichischen Bevölkerung vor

Dringenden Handlungsbedarf in Sachen Pflegereform orten die SozialdemokratInnen, die einerseits auf den deutlichen Anstieg der Zahl an über 80-jährigen Menschen sowie andererseits auf den zusätzlichen auf den zusätzlichen Bedarf von rund 100.000 Pflegekräften bis zum Jahr 2030 hinweisen.  Im Rahmen von zwei Entschließungsanträgen legen sie einen umfassenden Maßnahmenkatalog vor, der nicht nur Forderungen nach einem bundesweit einheitlichen Pflegesystem, sondern auch die Einrichtung eines sogenannten Pflegegarantiefonds enthält. Durch die Zusammenführung der Mittel von Bund und Ländern sowie durch die Budgeterhöhung um eine Milliarde Euro("Pflegemilliarde") könnten die Pflegeleistungen in Hinkunft kostenlos zu Verfügung gestellt werden (1978/A(E)).

Weiters ansetzen will die SPÖ bei der Personalfrage, wo es vor allem mehr Ausbildungsplätze, eine faire Bezahlung sowie langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle brauche. Außerdem schlagen die AntragstellerInnen einen Umstiegbonus vor, ein Fachkräftestipendium, die Übernahme von laufenden Schulprojekten in diesem Bereich in den Regelbetrieb sowie die Ermöglichung der Schwerarbeitspension für Pflegekräfte (1930/A(E)). Der aktuelle Mitarbeitermangel würde bereits dazu führen, dass Betten in Pflegeheimen leer stehen und sich immer mehr Beschäftigte bei Leiharbeitsfirmen anstellen lassen, weil sie dadurch weniger Druck haben, immer einspringen zu müssen, zeigt Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) besorgt auf.

SPÖ: Sofortmaßnahmenpaket für eine ausreichende medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung

In eine ähnliche Richtung geht ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ, in dem der Mangel an ÄrztInnen in Österreich im Mittelpunkt steht (1931/A(E)). Laut einer aktuellen Studie sei in den nächsten zehn Jahren aufgrund der Altersstruktur mit einem Rückgang der Zahl der besetzten Arztstellen um ca. 5,5% von derzeit rund 47.000 auf 44.400 im Jahr 2030 zu rechnen. Besonders davon betroffen seien sowohl die Kassenstellen im niedergelassene Bereich als auch die Fächer Augenheilkunde, Frauenheilkunde, Innere Medizin und Urologie. Überdies habe eine Umfrage unter SpitalsärztInnen ergeben, dass 52% von ihnen bereits überlegt haben, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen.

Nur um den Status quo zu erhalten, würden 1.450 ÄrztInnen pro Jahr gebraucht, es stünden aber nur 840 zur Verfügung, hebt Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) hervor. Gleichzeitig würden aber nur 1.680 junge Menschen pro Jahr zum Medizinstudium zugelassen, obwohl es 16.000 BewerberInnen gebe. Kucher fordert daher neben einer Verdoppelung der die Zahl der Medizinstudienplätze eine bessere budgetäre Ausstattung der Universitäten, die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin, eine Aufwertung des Arztberufs (stärkerer Fokus auf bezahlte Praktika), mehr Kassenverträge, bessere Arbeitsbedingungen, eine Entlastung der SpitalsärztInnen sowie verstärkte Anreize für ÄrztInnen, im Land zu bleiben und/oder das Fach Allgemeinmedizin zu ergreifen.

SPÖ drängt auf Strategien und Lösungen zur Behandlung von Long- COVID-PatientInnen

Mit den Spätfolgen einer Corona-Infektion, also dem sognannten Long-COVID-Syndrom, befasst sich ein Entschließungsantrag der SozialdemokratInnen (1932/A(E)). Die Bandbreite der Symptome, von der PatientInnen weltweit berichten, sei vielfältig. Diese reichten von extremen Erschöpfungszuständen, Atemnot, Herzrasen, Schwächeanfällen, Konzentrations- und Schlafstörungen, Brustschmerzen bis hin zu Depressionen. Vor allem Frauen im mittleren Alter seien laut neuesten Studien aus Großbritannien am meisten betroffen, zeigt Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) auf. Aber auch Kinder können an Long-COVID erkranken.

Die Antragstellerin ersucht daher den Gesundheitsminister, echte Strategien und Lösungen zur Behandlung von Long-COVID-PatientInnen zu erarbeiten, die insbesondere folgende Punkte umfassen sollen: die Durchführung wissenschaftlicher Studien mit dem Fokus auf Frauen und Kinder, die Einbeziehung von FrauenmedizinerInnen und KinderärztInnen, die Anerkennung von Long-COVID als chronische Erkrankung und als Berufskrankheit, die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Rehabilitation, der Ausbau stationärer sowie ambulanter Long-COVID-Therapiemöglichkeiten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Krankheitsbilder und der familiären Gegebenheiten.

FPÖ-Forderung nach Ende aller COVID-19-Maßnahmen mit "Freiheitstag"

Die FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch, Gerhard Kaniak und Gerald Hauser fordern in ihrem Entschließungsantrag (1993/A(E)) ein Auslaufen aller Corona-Maßnahmen, da sie nicht evidenzbasiert seien. Der Ausnahmezustand werde nur verlängert, weil die Regierung Gefallen an der Unterdrückung, Bevormundung und Spaltung der Gesellschaft gefunden habe, so die Abgeordneten im Antrag. Dass zukünftig auch Geimpfte einer Testpflicht unterworfen werden könnten, zeige, dass nicht einmal die Regierungsparteien an die "Game-Changer-Propaganda" des ehemaligen Kanzlers glaubten. All dem soll mit einem Tag der Freiheit – am besten dem Nationalfeiertag am 26. Oktober – begegnet werden, an dem die ÖsterreicherInnen von den zahlreichen auferlegten Zwängen und Vorschriften befreit werden müssten. Dazu habe die FPÖ auch einen Plan B – B für Befreiung – vorgelegt, der neben den schon genannten Forderungen unter anderem folgende Punkte beinhaltet: das Ende des Impfdrucks und -zwangs, kostenlose Antikörpertests für die gesamte Bevölkerung, das Vorantreiben der Entwicklung alternativer Impfstoffe, das Testen nur bei Symptomen, die Beendigung der Angstkommunikation und die Herstellung einer soliden Zahlenbasis.

FPÖ lehnt das Verschenken von im Zuge der Corona-Krise angeschafften Medizinprodukten und Arzneimitteln an das Ausland ab

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) übt Kritik an der Novelle des COVID-19-Lagergesetzes, weil sie ermögliche, dass eingelagerte Medizinprodukte und Arzneimittel an das Ausland verschenkt bzw. unentgeltlich abgegeben werden können (1933/A(E)). Er fordert die Bundesregierung daher auf, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende gesetzliche Bestimmung enthält: "Die unentgeltliche Abgabe von eingelagerten Medizinprodukten und Arzneimitteln an das Ausland auf der Grundlage des COVID-19-Lagergesetzes ist aus den Gründen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ausdrücklich untersagt". Die Freiheitlichen führen zudem ins Treffen, dass laut einem Rohbericht des Rechnungshofs unter dem Arbeitstitel "Gesundheitsdaten und Pandemiebekämpfung" schwere Mängel bei der gesundheitspolitischen Einschätzung von COVID-19-Maßnahmen und den daraus abgeleiteten Beschaffungs- und Beauftragungsverfahren festgestellt wurden.

FPÖ: Kärntner Pflegemodell als Vorbild für Österreich

Die Notwendigkeit für einen klaren Systemwechsel im Pflegebereich sehen die FPÖ-Abgeordneten Christian Ragger und Erwin Angerer, denn die Devise müsse lauten: Daheim statt stationär! Ihrer Meinung nach könnte das am 25. September 2021 am Kärntner Landesparteitag beschlossene "Kärntner Pflegemodell" Vorbild für ganz Österreich sein, weil es u. a. den Schwerpunkt auf die Pflege zuhause lege und somit den stationären Sektor deutlich entlasten würde (1934/A(E)). Die Eckpunkte des Modells bestehen in der Einführung eines sogenannten Pflegeschecks, in der sozialen Absicherung der pflegenden Angehörigen, der steuerlichen Entlastung von Pflegeberufen sowie in der Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (zum Beispiel Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild). Ein gleichlautender Antrag wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zugewiesen (1945/A(E)).

FPÖ: Betriebliche Gratistests sollen bis Ende Juni beibehalten werden

Im Interesse der heimischen Wirtschaft soll die Finanzierung der kostenlosen betrieblichen COVID-19-Tests bis mindestens 30. Juni 2022 sichergestellt werden, lautet die Forderung des FPÖ-Abgeordneten Gerald Hauser (1935/A(E)). Dies sei für alle Unternehmen, aber vor allem für die Tourismusbetriebe angesichts der bevorstehenden Wintersaison von essenzieller Bedeutung. Generell warf Hauser der Regierung neuerlich Chaosmanagement vor, da im letzten Gesundheitsausschuss nur die Regelungen für den Kostenersatz der Testungen im Rahmen von Screening-Programmen und in Apotheken verlängert wurden.

FPÖ fordert Übermittlung von Akten der Ministerien zu Pflegeausbildungszentrum in Grafenwörth

Die Übermittlung einer Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge innerhalb der Bundesministerien, sämtlicher Beschaffungsvorgänge und Förderungen sowie sämtlicher Behördenkontrollen im Zusammenhang mit dem Projekt Campus Lakeside in Grafenwörth fordert die FPÖ in einem von Dagmar Belakowitsch eingebrachten Entschließungsantrag (1939/A(E)). In Grafenwörth im Bezirk Tulln werde vom privaten Pflegeheimbetreiber SeneCura bis 2023 ein Pflegeausbildungszentrum mit Studierendenwohnheim, Hotel und Ambulatorium errichtet. Wegen des Pflegekräftemangels in Österreich kooperiere SeneCura mit dem österreichisch-marokkanischen Verein AMOROC, um auch junge Menschen aus Marokko, wo die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch sei, an diesem Campus für den Einsatz in Österreich auszubilden.

Die FPÖ beschäftigt sich bereits seit 2020 in mehreren Anfragen mit dem Projekt Campus Lakeside, unter anderem was mögliche politische Absprachen und Interventionen sowie das Vorhaben, Pflegekräfte aus Marokko nach Österreich zu holen, betrifft. So habe der Bürgermeister von Grafenwörth und Präsident des Österreichischen Gemeindebunds Alfred Riedl von der ÖVP bei Grundstücksverkäufen für dieses Projekt und das übergeordnete Projekt Sonnenweiher, zu dem auch eine Anlage mit Seehäusern gehört, nach Ansicht der Freiheitlichen "ordentlich mitverdient", was trotz Legalität eine "schiefe Optik" erzeuge.

FPÖ setzt sich erneut für Verbot des rituellen Schlachtens ohne Betäubung ein

Einen neuerlichen Vorstoß für ein Verbot des betäubungslosen Schlachtens von Tieren unternehmen die Freiheitlichen in Form eines Entschließungsantrags (1944/A(E)). Die aus rituellen Gründen im Judentum und im Islam praktizierte Methode, bei der die Tiere mittels eines speziellen Messers mit einem einzigen großen Schnitt quer durch die Halsunterseite getötet werden, führe trotz Durchtrennung der Luftröhre und der Hauptschlagadern oft zu einem mehrminütigen Todeskampf bei den Tieren. Eine sofortige Bewusstlosigkeit sei nicht immer gegeben. Auch das Beharren auf das Schächten ohne vorherige Betäubung mit dem Hinweis auf das erforderliche Ausbluten sei nicht überzeugend, da ein betäubtes Tier in gleicher Weise ausblute wie ein nicht betäubtes.

Bei der Diskussion des Themas müsse zudem der historische Hintergrund betrachtet werden, gibt Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ) zu bedenken. Während das Schächten bis zur Einführung moderner Betäubungsmethoden als fortschrittlich galt (schnelle Tötung), könne diese Position heute nicht mehr vertreten werden. Diese Ansicht werde auch von Anhängern des Reformjudentums geteilt, die den Verzehr von unter Betäubung ausgebluteten Tieren erlauben. Ebenso habe der Mufti von Ägypten festgestellt, dass das Tier vor der Schächtung betäubt werden dürfe, wenn diese Betäubung für das Tier nicht tödlich sei. Aus Sicht der FPÖ sei es unzulässig, die barbarische Methode der "reinen Schlachtung" unter dem Deckmantel der freien Religionsausübung zuzulassen. Es dürfe keine Sonderrechte für bestimmte Weltanschauungen geben, die Trennung von Staat und Religion müsse gewährleistet werden. Auch der Europäische Gerichtshof habe kürzlich in einer Entscheidung geurteilt, dass es kein Recht auf rituelles Schächten ohne Betäubung gebe und dass EU-Mitgliedstaaten ein diesbezügliches Verbot aussprechen können.

… sowie für ein Programm zur Rettung von Rehkitzen aus Mitteln des Tierschutzes

Sowohl an den Gesundheitsminister als auch an die Landwirtschaftsministerin geht von Seiten der FPÖ das Ersuchen, ein Programm zur Rettung von Rehkitzen vor dem drohenden Mähtod einzurichten, da trotz umfassender Vorkehrungen der Landwirte jährlich bis zu 25.000 Jungtiere in Österreich den Mähwerken zum Opfer fallen würden (1977/A(E)). Vor allem soll der Ankauf von Vergrämungsgeräten und der Einsatz von Drohnen gefördert werden, betont Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ).

NEOS für Rahmenabkommen mit allen Nachbarländern im Bereich des Rettungsdienstes

Auf rechtliche Probleme beim grenzüberschreitenden Einsatz von Rettungsdiensten machen die NEOS aufmerksam (1958/A(E)). So gebe es pro Jahr rund 200 Einsätze, bei denen österreichische Rettungskräfte in Deutschland tätig werden und rund 130 Fälle, bei denen deutsche SanitäterInnen in Österreich Einsätze absolvieren würden. Diese würden derzeit allerdings in einem rechtsfreien Raum agieren, da sich etwa die deutschen ÄrztInnen in solchen Fällen erst bei der österreichischen Ärztekammer melden müssten. Die naheliegendste Lösung wäre der Abschluss eines Rahmenabkommens, schlägt NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker vor, ein solches würde bereits mit Tschechien seit dem Jahr 2016 bestehen. Diesbezügliche Verhandlungen seien nun auch mit Ungarn und der Slowakei aufgenommen worden. Im Sinne der Rechtssicherheit sollten daher auch mit den Nachbarländern Deutschland, Schweiz, Italien und Slowenien Gespräche über den Abschluss von aufgenommen werden.

ÖVP und Grüne: Änderungen im Betrieblichen Testungs-Gesetz, im Epidemie- und COVID-19-Maßnahmengesetz sowie im COVID-19-Zweckzuschussgesetz

Ein Initiativantrag von ÖVP und Grünen auf Änderung des Betrieblichen Testungs-Gesetzes hat vorerst laut Begründung nur sprachliche Bereinigungen zum Inhalt (1999/A). Ähnliches trifft auf die geplanten Novellierungen im Epidemiegesetz und COVID-19-Maßnahmengesetz zu, wo es um redaktionelle Anpassungen geht (1969/A). Das COVID-19-Zweckzuschussgesetz wiederum soll in einheitlicher Weise geschlechtergerecht formuliert werden (1971/A). (Schluss) sue