Parlamentskorrespondenz Nr. 1255 vom 11.11.2021

Debatte über Gesundheitsbudget von aktuellen Entwicklungen der Corona-Zahlen überlagert

Minister Mückstein setzt auf rasche, angemessene und verhältnismäßige Lösungen

Wien (PK) – Aufgrund des starken Anstiegs der Zahl an Corona-Neuinfektionen und der sich zuspitzenden Situation in den heimischen Spitälern sah sich Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein heute im Budgetausschuss nicht nur mit zahlreichen Fragen zum Haushaltsvoranschlag 2022, sondern vor allem mit Kritik am Pandemiemanagement der Regierung konfrontiert. Nicht näher äußern wollte er sich zu einer von SPÖ-Abgeordnetem Dietmar Keck angesprochenen Meldung auf der Homepage von ORF.at, wonach Oberösterreich ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte plane und dafür noch eine Rechtsgrundlage von Seiten des Bundes brauche. Er habe dies nicht gelesen und könne daher im Ausschuss ad hoc nicht Stellung nehmen. Generell setze er aber auf gemeinsame Lösungen mit den Ländern, die angesichts der aktuellen Entwicklungen rasch, angemessen und verhältnismäßig ausfallen müssen.

Der zur Debatte stehende Finanzierungshaushalt weist bei einer veranschlagten Auszahlungshöhe von 3,2 Mrd. € zwar einen Anstieg um 3,9% aus, aber allein 600 Mio. € müssen als Ersatz für die im Zuge der Steuerreform beschlossenen Beitragssenkungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungsträger aufgewendet werden. Aufgrund der prognostizierten positiven Wirtschaftsentwicklung werden zudem zusätzliche 177,9 Mio. € als Zweckzuschuss an die Krankenanstalten fließen, da sich dieser an der Höhe des Steueraufkommens bemisst. Gleichzeitig sind im Budget um 711,8 Mio. € weniger für Maßnahmen zur Krisenbewältigung eingeplant. Budgetäre Akzente finden sich in der Extremismusprävention (+1 Mio. €) sowie in den Bereichen Primärversorgung (+25 Mio. €), elektronischer Mutter-Kind-Pass (+0,5 Mio. €) und "Frühe Hilfen" (+4,5 Mio. €), wobei die Mittel dafür teilweise von der europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität bereitgestellt werden.

Mückstein: Durch Forcierung der Booster-Imfpungen soll vierte Welle gebrochen werden

Auf die Kritik des Abgeordneten Philip Kucher (SPÖ), der dringend Änderungen im Corona-Krisenmanagement forderte, merkte der Gesundheitsminister an, dass es kein Handbuch für die Pandemie gebe. Außerdem müsse man sich kontinuierlich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse einstellen. So seien die ExpertInnen etwa im Sommer noch davon ausgegangen, dass es nur zu einer kleinen vierten Welle kommen werde, die keine gravierenden Auswirkungen auf die Auslastung der Intensivstationen haben werde. Ein Problem bestehe sicher darin, dass man es nicht ausreichend geschafft habe, der Bevölkerung klar zu machen, warum das Impfen so wichtig sei, räumte Mückstein ein. Erfreulicherweise habe der Impfturbo aber wieder Fahrt aufgenommen, allein gestern wurden rund 40.000 Drittstiche verabreicht. Dieser Weg müsse konsequent weiter beschritten werden, war der Minister überzeugt. Auch das Beispiel Israel habe gezeigt, dass mit den Booster-Shots die vierte Welle gebrochen werden könne. Aus diesem Grund werden derzeit auch Erinnerungsschreiben für die Verabreichung der dritten Dosis vorbereitet. Es habe aber nie jemand behauptet, dass die Impfung gegen COVID-19 zu 100% vor einer Infektion schütze, sondern zu 94% vor der Aufnahme in Intensivstationen, richtete er erneut dem Abgeordneten Peter Wurm (FPÖ) aus.

Generell habe Österreich schon viel getan, unterstrich Mückstein, der auf das umfassende Testangebot (Verhältnis zwischen PCR- und Antigen-Tests bei 50:50) sowie die frühe Einführung des Grünen Passes und der 3G-Regel am Arbeitsplatz hinwies. Er verteidigte auch die vom Abgeordneten Gerhard Kaniak massiv kritisierte 2G-Regel, mit der Österreich Vorreiter in Europa sei.

Bei der Debatte über geplante Schwerpunkte seines Ressorts in der kommenden Finanzperiode hob Mückstein zunächst hervor, dass das solidarische Gesundheitssystem in Österreich, das grundsätzlich sehr gut funktioniere, noch weiter gestärkt werden soll. Auch die finanzielle Abgeltung der durch die Steuerreform verursachten Mindereinnahmen im Bereich der Krankenversicherungen seien gewährleistet, hielt er gegenüber Abgeordnetem Gerhard Kaniak (FPÖ) fest. Im Gegensatz zum Abgeordneten Philip Kucher vertrat er die Auffassung, dass es nicht in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin gehe, zumal die Harmonisierung der Leistungskataloge weiter vorangetrieben werde. Dennoch brauche es seiner Meinung nach immer wieder einen bedarfsgerechten Ausbau des Gesundheitssystems. Mückstein will dabei den Fokus auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen  legen, auf die Attraktivierung der verschiedenen medizinischen Berufe, den Ausbau der Primärversorgung, die Erhöhung der Zahl an Studienplätzen für Medizin sowie die Einrichtung eines Ausbildungsfonds Pflege. Durch die Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin soll ein wichtiger Beitrag zur besseren medizinischen Versorgung im ländlichen Raum geleistet werden, stellte der Minister gegenüber Abgeordnetem Mario Lindner (SPÖ) fest. Er könne sich auch die Einführung von Bonus- und Anreizsystemen vorstellen, um die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu erhöhen; dies liege aber im Bereich der Selbstverwaltung.

Entsprechend seiner Zuständigkeiten deckten die Fragen an Minister Mückstein eine breite Palette von Themen ab, die von der Digitalisierung im Gesundheitswesen bis zu dem in einem Wirkungsziel verankerten Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker reichten. Die gesunde Ernährung vor allem bei Kindern und Jugendlichen sei ihm ein großes Anliegen, versicherte er. Da brauche es sicher noch mehr Bewusstsein, vor allem was die Angebote in Schulbuffets oder den Zuckergehalt von manchen Getränken betrifft. Ein wichtiges Thema, das damit zusammenhänge, sei eine bessere und umfassendere Lebensmittelkennzeichnung, bestätigte er der Abgeordneten Ulrike Fischer (Grüne). Sein Ressort habe bereits eine nationale Verordnung ausgearbeitet, die eine Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Milch und Eier in öffentlichen und privaten Gemeinschaftsverpflegungen umfasse. Außerdem sei ein Aktionsplan in Sachen Lebensmittelverschwendung geplant.

Den Abgeordneten Gabriela Schwarz (ÖVP) und Bedrana Ribo (Grüne) teilte Mückstein mit, dass sein Ressort an der Novellierung des Psychotherapiegesetzes arbeite; ein erster Entwurf soll im ersten Quartal 2022 vorliegen. Ganz wichtig in diesem Bereich waren die zusätzlichen Mittel in der Höhe von 13 Mio. € speziell für Programme zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie die Aufstockung der kassenfinanzierten Therapiestunden um 300.000 €. Was die Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit betrifft – eine Frage des Abgeordneten Rudolf Silvan (SPÖ) –, so fehle ihm hier der berufliche Konnex. Es wurde ihm aber von Seiten der ÖGK versichert, dass ausreichend Ressourcen zur Behandlung der Betroffenen zur Verfügung stehen.

Mückstein bekräftigte gegenüber ÖVP-Mandatarin Alexandra Tanda, dass durch die Corona-Krise die Digitalisierung im Gesundheitswesen einen starken Schub erfahren habe. Österreich sei z.B. beim elektronischen Impfpass sehr weit vorne; dieser soll aber noch ausgebaut werden. Außerdem hob der Minister hervor, dass im Rahmen des Grünen Passes mittlerweile 45 Millionen Zertifikate ausgestellt wurden. Die Kosten für dieses Projekt würden sich bis Ende 2021 auf 6,3 Mio. € belaufen.

Der Abgeordneten Fiona Fiedler (NEOS) teilte der Minister mit, dass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie die Gesundheit Österreich GmbH im nächsten Jahr 70,2 Mio. € erhalten. Es handle sich dabei um eine Basisfinanzierung, weitere projektbezogene Förderungen seien möglich. Für 2022 sind bei der AGES wie im Vorjahr Investitionen in die Laborinfrastruktur geplant, um die Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise zu unterstützen.

Den Abgeordneten Dietmar Keck (SPÖ) informierte der Ressortchef darüber, dass die Mittel für den Tierschutz um 140.000 € steigen werden. Mehr Geld wird es etwa für das Programm "Tierschutz macht Schule" geben oder für die Ausbildung der Suchhundestaffel bei der österreichischen Bergrettung. Weiters erwähnte er den Tierschutzpreis sowie diverse Projekte, wie z.B. die Heimtierdatenbank.

Gesundheitsbudget weiterhin im Zeichen der Corona-Krise: Ausgaben steigen um 3,9%

Für den Bereich Gesundheit (Untergliederung 24) sieht der Finanzierungshaushalt 2022 Auszahlungen von insgesamt 3,2 Mrd. € vor, was einem Anstieg um 3,9 % (+123 Mio. €) im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Während für Maßnahmen zur Krisenbewältigung um 711,8 Mio. € weniger veranschlagt wird, steigen die Auszahlungen aus dem regulären Budget (ohne Berücksichtigung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds) um 834,8 Mio. € an. Als primäre Gründe dafür gibt der parlamentarische Budgetdienst den Ersatz für die Beitragssenkungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungsträger (600 Mio. €) sowie den Anstieg des Zweckzuschusses an die Krankenanstalten (+177,9 Mio. €) aufgrund der prognostizierten positiven Wirtschaftsentwicklung an. Weiters seien zusätzliche Auszahlungen für die Primärversorgung (+25 Mio. €), den elektronischen Mutter-Kind-Pass (+0,5 Mio. €) sowie auf die frühen Hilfen (+4,5 Mio. €) zurückzuführen, wobei die Mittel vom europäischen Aufbau- und Resilienzplan bereitgestellt werden.

Reduziert werden hingegen die COVID-19-Zweckzuschüsse an die Länder (-253,9 Mio. €), die Ersatzzahlungen nach dem Epidemiegesetz (-225,8 Mio. €), die Transfers an die Sozialversicherung (-150 Mio. €) und die Mittel zur Beschaffung von COVID-19-Antigen-Selbsttests (-200 Mio. €). Zu einer weiteren Erhöhung kommt es jedoch bei den Kosten für Impfstoffe und –zubehör, wo zusätzliche 117,9 Mio. €  eingeplant sind. Mittelfristig werde es aufgrund des voraussichtlichen Wegfalls der COVID-19-Hilfen zunächst zu einem Rückgang des Gesundheitsbudgets auf 2,5 Mrd. € im Jahr 2024 kommen. Danach folgt wieder ein Anstieg auf 2,6 Mrd. € (2025), ist dem Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 zu entnehmen. 

Anteil der gesamten Gesundheitsausgaben am BIP steigt auf 12,1%

In der umfangreichen Analyse des parlamentarischen Budgetdienstes wird darauf hingewiesen, dass sich die nach dem "System of Health Accounts" (SHA) berechneten öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben in Summe auf 46 Mrd. € belaufen und somit - gemessen am Anteil des BIP – in der Periode 2008 bis 2020 von 10,4 % auf 12,1 % zulegten.76% der gesamten Gesundheitsausgaben entfallen dabei auf die öffentliche Hand. Nur ein geringer Teil davon wird im Bundesbudget abgebildet, da höhere Anteile von den anderen Gebietskörperschaften getragen werden.

Was den im Rahmen der Zielsteuerung-Gesundheit vereinbarten Kostendämpfungspfad angeht, so konnten die Ausgabenobergrenzen für die öffentlichen Gesundheitsausgaben (ohne Langzeitpflege) um rund 279 Mio. € unterschritten werden, heißt es im Bericht des Budgetdienstes.

Die 22 definierten Messgrößen der Steuerungsbereiche bewegen sich laut Budgetdienst mehrheitlich in die intendierte Richtung. Einschränkend wird aber angemerkt, dass diese aufgrund der COVID-19-Pandemie nur eine bedingte Aussagekraft haben. Neben vielen positiven Entwicklungen, wie etwa dem Plus bei den Primärversorgungseinheiten oder dem steigenden Anteil an tagesklinisch oder ambulant erbrachten Leistungen, konnten bei einzelnen Indikatoren die Zielvorgaben nicht erreicht werden. Als Beispiele werden im Bericht die angestrebte gemeinsame sektoren- oder bundesländerübergreifende Medikamentenbeschaffung oder die gesunkene Lebenserwartung bei Frauen (-1,9 Jahre) und Männern (-2,8 Jahre) bei guter Gesundheit im Vergleich zu 2014 genannt. Auch trotz des zuletzt positiven Trends bei den Durchimpfungsraten für Mumps/Masern/Röteln bei 4-Jährigen, liege der Wert noch unter jenem von 2016. (Fortsetzung Budgetausschuss) sue

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.