Parlamentskorrespondenz Nr. 1281 vom 16.11.2021

Zadić: Heutiger Frauenmord als Auftrag für uns alle

Nationalrat diskutiert Justiz-Budget 2022

Wien (PK) – Im Jahr 2022 wird zum dritten Mal in Folge das Budget für Justiz angehoben. Die zusätzlichen Mittel werden vor allem für die bauliche Instandsetzung von Justizanstalten für den Maßnahmenvollzug, die Umsetzung des Gewaltschutz- und des Anti-Terror-Pakets sowie die Aufstockung der psychosozialen Prozessbegleitung und die Löhne von GerichtsdolmetscherInnen benötigt. Konkret sind im Budget 2022 mit 1,872 Mrd. €, um 4,3% bzw. 76,4 Mio. € mehr als 2021 vorgesehen. 906 Mio. € der Auszahlungen entfallen auf Personalausgaben, wobei die Zahl der Planstellen um 55 auf 12.249 erhöht wird, zeigte sich Justizministerin Alma Zadić im Nationalrat erfreut. Laut Zadić trägt die neuerliche Budgeterhöhung zur erfolgreiche Trendwende im Justizbereich bei.

Zadić: Häusliche Gewalt bekämpfen und Gewaltspiralen durchbrechen

Zadić betonte vor dem Nationalrat die hohe Bedeutung der Justiz für eine unabhängige und starke Gesellschaft. Der Justizbereich sei personalintensiv und habe hohe laufende Kosten, führte sie aus. Als wichtiges Anliegen nannte Zadić den Kampf gegen häusliche Gewalt. Der heutige Frauenmord sei als Auftrag für uns alle zu sehen. Es werde viel daran gesetzt, Gewaltspiralen zu durchbrechen. Mehr Personal gibt es künftig für Asylverfahren. Als persönliches Ziel nannte Zadić die Rückstände bei Asylverfahren zur Gänze aufzuarbeiten.

ÖVP: Ausgewogenes Budget mit guten Schwerpunkten

Für Michaela Steinacker (ÖVP) handelt es sich um ein ausgewogenes Budget mit guten Schwerpunkten. Ziel der ÖVP seien eine nachhaltige Budgetpolitik, die Schuldenquote zu reduzieren, Familien zu entlasten, Gewaltschutz und die ökosoziale Steuerreform. Steinacker hob insbesondere die vier Wirkungsziele des Justizsystems hervor. Die Budgetaufstockung um 76 Mio. € ermögliche Projekte weiter zu entwickeln. In Österreich habe es im Jahr 2021 bis zum heutigen Tag 26 Frauenmorde gegeben, stellte die Abgeordnete bedauernd fest. Besonders am Herzen lag ihr auch die Umsetzung des IT-Projekts, mit dem der Digitale Akt umgesetzt wird. Dies verbessere insbesondere die Wahrung von Persönlichkeitsrechten, sagte Steinacker.

SPÖ: Budgeterhöhungen als Tropfen auf den heißen Stein

Petra Bayr (S) sah die Verbesserungen bei den GerichtsdolmetscherInnen als Erfolg beharrlicher Oppositionsarbeit. Sie machte sich darüber hinaus für die weitere Verbesserung der Qualitätsstandards der Gebühren und der Arbeitsbedingungen für GerichtsdolmetscherInnen stark und brachte in einem Entschließungsantrag konkrete Vorschläge ein. "Die Dolmetschung ist ein Menschenrecht, es braucht Kompetenz, Qualifikation und Erfahrung, hohe Mobilität und geistige Flexibilität", unterstrich Bayr. Die Dolmetschleistung sei eine fordernde, anspruchsvolle und vor allem verantwortungsvolle Aufgabe und essenzieller Baustein im Justizsystem, die auch dementsprechend abgegolten werden müsse, so Bayr. Geht es nach der Abgeordneten, so dürfen nur Personen, die allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert sind, an Verhandlungen bei Gericht oder Vernehmungen bei der Polizei hinzugezogen werden. Bei Dolmetschermangel seien unzertifizierte DolmetscherInnen ad hoc zu beeiden. Bayr forderte unter anderem jährliche Indexanpassungen, eine dreimonatige Frist zur Begleichung der Honorarnoten sowie eine Ausfallsentschädigung bei kurzfristig abberaumten Verhandlungen.

Auch Abgeordnete Selma Yildirim (SPÖ) anerkannte die budgetäre Anhebung als Schritt in die richtige Richtung insbesondere aufgrund der Verbesserungen für GerichtsdolmetscherInnen. Die Erhöhungen seien aber nicht mehr als ein "Tropfen auf den heißen Stein", so Yildirim. Große Reformen seien damit nicht möglich, erklärte sie die ablehnende Haltung der SPÖ zum Budget. Darüber hinaus warnte die SPÖ vor Kündigungswellen bei Mieten und stellte dringenden Handlungsbedarf bei der Justizwache aufgrund Personalmangels fest. Weitere Kritik galt der mangelnden Erreichbarkeit der Gerichte.

FPÖ übt Kritik an Durchlässigkeit der Justiz

Seitens der FPÖ anerkannte Harald Stefan die wichtige finanzielle Ausstattung im Bereich der Justizanstalten sowie bei den Schreib- und Bürokräften. Kritik übte er hingegen an der aus seiner Sicht bestehenden Durchlässigkeit der Justiz, insbesondere aufgrund von bekanntgewordenen Weitergaben von Akten.

Stefan trat darüber hinaus für die Einbeziehung der InsassInnen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung ein. InsassInnen von Justizanstalten seien nicht sozialversichert, argumentierte er in einem Entschließungsantrag. Die Kosten für ihre ärztliche Betreuung und medizinische Behandlung werden direkt vom Bund getragen. Ärzte und Krankenanstalten würden dem Justizministerium deutlich höhere Tarife als jene der Sozialversicherung verrechnen, unterstrich Lausch seine Argumentation.

Eine weitere Forderung der FPÖ betraf die bessere budgetäre und personelle Ausstattung der Justizwache. Von Justizministerin Alma Zadić forderte Lausch ein Maßnahmenpaket. Eckpunkte dessen sollten mehr Planstellen, eine bessere budgetäre Ausstattung, Schutz der Privatsphäre der Bediensteten, die Anerkennung der Justizwache und die "Haft in der Heimat" sein. Die Haft in der Heimat zu verbringen, sei durch bilaterale Übereinkommen und konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen zu forcieren, so der Standpunkt der FPÖ.

NEOS: Fokus auf "korrupte Politik"

Das Terrorbekämpfungspaket sei ein wichtiges Thema, so Johannes Margreiter (NEOS), der aber andere Prioritäten setzen würde. Margreiter sprach sich dafür aus, den Fokus der Justiz auf die "korrupte Politik" statt auf die Terrorbekämpfung zu legen. Vorrangig sollte unethisches Verhalten der Politik und das "korrupte System" behandelt werden, sagte er angesichts jüngster Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Johanna Jachs (ÖVP) hielt für verwerflich, den ehemaligen Bundeskanzler auf die gleiche Stufe mit Terroristen zu stellen.

Die NEOS machten sich mittels Entschließungsantrag für eine Reduktion der Grundbuchgebühren stark. Das österreichische Justizsystem weise die höchste Gebührenbelastung europaweit auf, unterstrich Margreiter. Die in Österreich festgesetzten Gebühren übersteigen den damit verbundenen Aufwand erheblich, stellte er fest.

Darüber hinaus forderten die NEOS mehr Personal für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Verfahren würden sich mit den vorhandenen Ressourcen nicht in angemessener Frist erledigen lassen, argumentierten sie in einem weiteren Entschließungsantrag. Es sei sicherzustellen, dass für die Unterstützung der Tätigkeit der WKStA ab 2022 zehn zusätzliche Planstellen für Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte geschaffen werden sowie in der Budgetplanung weitere ExpertInnen aus dem Finanz-, Wirtschafts- und IT-Bereich vorgesehen werden, unterstrich Margreiter.

Grüne: Budget 2022 rettet Justiz vor "schleichendem Tod"

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) nannte die Stärkung der Justiz als Schwerpunkt des Budgets. Damit werde die Justiz vor dem viel zitierten schleichenden Tod gerettet, sagte sie, zumal das System jahrelang kaputtgespart worden sei. Laut Prammer werden nun dringend benötigte Stellen geschaffen. GerichtsdolmetscherInnen würden Verbesserungen erhalten und Gebühren fairer gestaltet und an die Praxis angepasst. Eine echte Verbesserung soll im Maßnahmenvollzug geschaffen werden, so Prammer. Auch die Prozessbegleitung erhalte mehr Ressourcen.

Am Ende der Debatten zu den einzelnen Budgetkapiteln finden am Donnerstag im Nationalrat die Schlussabstimmungen zum Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022-2025 samt den dazu während der dreitägigen Plenarberatungen eingebrachten Anträgen statt.(Fortsetzung Nationalrat) gla

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