Parlamentskorrespondenz Nr. 1287 vom 17.11.2021

Gesundheitsbudget: Opposition kritisiert Krisenmanagement und vermisst Antworten auf Personal- und ÄrztInnenmangel

Mückstein hebt Schwerpunkte in den Bereichen Primärversorgung, Pflegeausbildung und Community Nurses hervor

Wien (PK) – Bei der weiteren Nationalratsdebatte über das Gesundheitsbudget hob der zuständige Bundesminister Wolfgang Mückstein vor allem das breite Maßnahmenbündel zur Attraktivierung der Primärversorgung und des Berufsfachs der Allgemeinmedizin hervor. Durch flexible Arbeitszeitmodelle und multiprofessionelle Teams soll insbesondere die medizinische Versorgung im ländlichen Raum verbessert werden. Insgesamt wird das Gesundheitsbudget laut Bundesvoranschlag im nächsten Jahr auf 3,2 Mrd. € steigen, was einer Erhöhung um 3,9% gleichkommt. Über die im Laufe der Plenarberatungen eingebrachten Anträge wird am Donnerstag nach Ende der Debatten über die einzelnen Kapitel gemeinsam mit dem Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 abgestimmt.

Gesundheitsbudget steigt um 3,9%, aber Rückgang bei den Maßnahmen zur Krisenbewältigung

Einen Anstieg um 3,9% verzeichnet das Gesundheitsbudget, das insgesamt Auszahlungen in der Höhe von 3,2 Mrd. € aufweist. Während für Maßnahmen zur Krisenbewältigung um 711,8 Mio. € weniger benötigt werden, steigen die Auszahlungen aus dem regulären Budget um 834,8 Mio. € an. Als primäre Gründe dafür gibt der Parlamentarische Budgetdienst den Ersatz für die im Zuge der Steuerreform beschlossenen Beitragssenkungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungsträger (600 Mio. €) sowie den Anstieg des Zweckzuschusses an die Krankenanstalten (+177,9 Mio. €) aufgrund der prognostizierten positiven Wirtschaftsentwicklung an. Weiters seien zusätzliche Auszahlungen für die Bereiche Primärversorgung, den elektronischen Mutter-Kind-Pass sowie auf die sogenannten Frühen Hilfen zurückzuführen, wobei die Mittel vom europäischen Aufbau- und Resilienzplan bereitgestellt werden. Reduziert werden hingegen die COVID-19-Zweckzuschüsse an die Länder (-253,9 Mio. €), die Ersatzzahlungen nach dem Epidemiegesetz (-225,8 Mio. €), die Transfers an die Sozialversicherung (-150 Mio. €) und die Mittel zur Beschaffung von COVID-19-Antigen-Selbsttests (-200 Mio. €). Zusätzliche Mittel sind jedoch für die Anschaffung von Impfstoffen erforderlich (+117,9 Mio. €). 

SPÖ wirft Regierung Versagen beim Krisenmanagement vor und warnt vor einer Entwicklung hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) zeigte sich fassungslos angesichts der Ignoranz der politisch Verantwortlichen gegenüber der Arbeitssituation der Bediensteten im Pflege- und Gesundheitsbereich, die sich durch die Pandemie noch dramatisch verschärft habe. Dies komme unter anderem auch durch den Ausschluss von einigen Berufsgruppen vom Corona-Bonus zum Ausdruck, wie etwa die biomedizinischen AnlaytikerInnen in den Laboren oder die RettungssanitäterInnen, die unter höchstem Einsatz immer für die Bevölkerung da waren. Dieses Ausspielen von einzelnen Berufsgruppen mache ihn unglaublich wütend, konstatierte auch Mario Lindner (SPÖ), der diesbezüglich einen Entschließungsantrag über "Corona-Bonus für alle" vorlegte.

SPÖ-Gesundheitssprecher Kucher warnte zudem davor, dass es nicht in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin gehen dürfe. Es müssten gleich gute Leistungen für alle Menschen in Österreich gewährleistet werden. Verena Nussbaum (SPÖ) warnte in diesem Zusammenhang davor, dass in den nächsten zehn Jahren nicht nur viele ÄrztInnen fehlen würden, sondern vor allem MitarbeiterInnen im Gesundheits- und Pflegesektor. Es sei insbesondere mit einem großen Stadt-Land-Gefälle zu rechnen, was die medizinische Versorgung der Bevölkerung angeht. Um dieses Problem zu lösen, brachte sie eine Reihe von Vorschlägen ihrer Fraktion im Rahmen eines Entschließungsantrags ein.

Die Entlastung der BezieherInnen von kleineren Einkommen sei grundsätzlich löblich, urteilte Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ), die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge dürfe jedoch nicht dazu führen, dass der Finanzminister im Endausbau 190 Mio. € zusätzlich an Lohnsteuern einnimmt. Letztendlich laufe dieses Konstrukt auf eine Schwächung der ÖGK und der Sozialversicherung hinaus, bemängelte er. Mit dem Thema Tierschutz befasste sich SPÖ-Mandatar Dietmar Keck, der die Erhöhung der Mittel in diesem Bereich ausdrücklich begrüßte. Viele Probleme würden jedoch noch einer Lösung harren, wie etwa die Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden oder der tierschutzgerechte Umgang mit Streunerkatzen.

Grüne für Lernen aus der Krise und spezielle Projekte in den Bereichen Pflege, Primärversorgung und "Young Carers"

Das Gesundheitsbudget in der Höhe von knapp 3,3 Mrd. € könne sich sehen lassen, zeigte sich Ralph Schallmeiner überzeugt. Obwohl die Ausgaben zur Krisenbewältigung deutlich zurückgehen werden, komme dies einer Erhöhung um 200 Mio. € gleich. Die für die Absicherung der Sozialversicherung veranschlagten 600 Mio. € seien als wichtige soziale Maßnahme zu verstehen, weil dadurch NiedrigverdienerInnen entlastet würden. Im Besonderen machte der Gesundheitssprecher der Grünen noch auf eine Reihe von Projekten aufmerksam, die im Rahmen der Untergliederung 24 finanziert werden: der Fonds für die Ausbildung von Pflegekräften (50 Mio. €), die Etablierung von Community Nurses in den Gemeinden (25 Mio. €) sowie der weitere Ausbau der Primärversorgung (100 Mio. €).

Bedrana Ribo (Grüne) wies darauf hin, dass es in Österreich 43.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gibt, die Familienangehörige pflegen oder betreuen. Diese als "Young Carers" bezeichnete Personengruppe sei oftmals ganz auf sich alleine gestellt. Damit sich das in Zukunft ändere, habe das Gesundheitsressort zwei Programme initiiert, die dazu dienen, die Betroffenen sichtbar zu machen. Im Zentrum würden dabei niederschwellige Online-Beratungsangebote sowie eine spezielle App stehen, die praktische Links, Infomaterial und Adressen von Anlaufstellen enthalten soll.

ÖVP: Maßnahmenpaket in Bezug auf den ÄrztInnenmangel sowie Ausbau der psychischen Gesundheitsversorgung

Um dem Ärztemangel im ländlichen Bereich zu begegnen seien eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, wie etwa der Ausbau der Kassenstellen, die Einführung eines Facharztes Allgemeinmedizin sowie flexiblere Arbeitsmodelle, erläuterte Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP). Ein besonderes Herzensanliegen war ihr die Verbesserung der psychischen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Es sei sehr erfreulich, dass die kassenfinanzierten Therapieplätze von Seiten der ÖGK massiv aufgestockt wurden, wobei 13 Mio. € speziell für Kinder und Jugendliche bereitgestellt werden. Zudem sei die Reform des Psychotherapiegesetzes bereits auf Schiene. In Bezug auf die Wortmeldung des SPÖ-Abgeordneten Kucher versicherte Schwarz abermals, dass innerhalb der Sozialversicherungen gleiche Beiträge und gleiche Leistungen für alle gelten.

Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) zeigte sich zufrieden mit dem Gesundheitsbudget, da es in die Zukunft weise und klare Akzente (z.B. Primärversorgung, Community Nurses, Frühe Hilfen, Digitalisierung) setze. Dem schloss sich auch Werner Saxinger (ÖVP) an, der die gerade in den "reichen Wohlstandsländern grassierende Impfmüdigkeit" bedauerte. Weiters wurden von Seiten der ÖVP die Verbesserung der medizinischen Versorgung am Land und die Forcierung der Pflegereform (Martina Diesner-Wais), die Erhöhung der Impfquote (Elisabeth Scheucher-Pichler), der Einsatz von genderspezifischen Vorsorgeprogrammen (Alexandra Tanda) sowie die Attraktivierung der medizinischen Berufe (Angela Baumgartner) thematisiert.

FPÖ-Kritik an viel zu geringem Beitrag des Bundes für die Krankenanstaltenfinanzierung in den Ländern

Einer ausführlichen Detailanalyse unterzog FPÖ-Mandatar Gerhard Kaniak das Gesundheitsbudget, das zwar groß wie selten zuvor sei, aber nicht die richtigen Schwerpunkte setze. Obwohl die Mittel aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds generell um ein Drittel sinken, seien für die Impfstoffe um 120 Mio. € mehr veranschlagt, gab er zu bedenken. Dies sei vor dem Hintergrund, dass noch fünf Millionen Dosen in Österreich lagern sollen und dass Impfstoffe im Wert von 100 Mio. € an andere Länder verschenkt würden, mehr als hinterfragenswert. Besonders kritisch beurteilte der freiheitliche Gesundheitssprecher, dass sich im Budget "kein einziger Euro" zur personellen Aufstockung und Kapazitätserhöhung in den Krankenanstalten, die jetzt so dringend notwendig wären, finde. Die über 300 Mio. €, die den Ländern schon in den letzten beiden Jahren als zweckgebundene Mittel für die Krankenanstaltenfinanzierung gefehlt hätten, würden nämlich noch immer nicht ersetzt. Außerdem würden die von Schallmeiner angesprochenen 600 Mio. € dem Gesundheitssektor in keinster Weise zur Verfügung stehen, beklagte Kaniak, die Gelder würden zur Finanzierung der "öko-asozialen Steuerreform" gebraucht werden. Ein großes Defizit stelle sich seiner Meinung nach auch im niedergelassenen Bereich dar. Dazu brachte Kaniak einen Entschließungsantrag betreffend die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum ein.

Sein Fraktionskollege Gerald Hauser zog die positiven Auswirkungen der Erhöhung der Impfquote in Zweifel. Ein Ländervergleich zeige, dass z.B. in Holland, wo 73% der Bevölkerung doppelt immunisiert seien, die Infektionszahlen ebenso wie in Österreich explodieren, währenddessen in Kenia (nur 3,7% der Menschen doppelt geimpft) die Kurve "de facto am Boden verlaufe". In eine ähnliche Richtung argumentierte Peter Wurm (FPÖ). Laut der britischen Health Security Agency seien zum Beispiel bei den Ansteckungen mit COVID-19 keine Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Personen feststellbar, zeigte er auf. Die FPÖ sei aber immer der Meinung gewesen, dass die Entscheidung für oder gegen die Corona-Impfung eine persönliche bleiben müsse. Eindeutig ablehnend stehe man daher der Zwangsimpfung des Gesundheitspersonals und vor allem jener von Kindern gegenüber.

NEOS zum Gesundheitsbudget: Keine Ziele, kein Plan, keine Steuerungshebel

NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler bezeichnete das Gesundheitsbudget als reinen Durchlaufposten, zumal keine Steuerungshebel vorgesehen seien. Allein 1,3 Mrd. € müssten aufgrund des schlechten Pandemiemanagements der Regierung weiterhin für die Krisenbewältigung, die in Österreich wohl deutlich länger dauern werde als in anderen europäischen Ländern, reserviert werden. Weitere 800 Mio. € würden an die Krankenanstalten überwiesen, ohne darauf zu achten, ob bestimmte Qualitätsstandards eingehalten werden. Stark steigend sei der Durchlaufposten für die Sozialversicherung, der mittlerweile bei 860 Mio. € liege. Lediglich 70 Mio. € würden für die gerade in der Pandemie wichtigen Organisationen AGES und GÖG anfallen, wobei die Mittel nur um 0,3% steigen. Wofür die zusätzlichen Gelder für die Primärversorgung eingesetzt werden sollen, wisse auch niemand, beklagte Fiedler. Ein von ihr eingebrachter Antrag enthält erneut die Forderung der NEOS, das Impfen in den Apotheken zu ermöglichen. Unter Bezugnahme auf die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage merkte Gerald Loacker (NEOS) zudem an, dass allein im heurigen Jahr 1,6 Mrd. € für Corona-Testungen ausgegeben wurden. Im Vergleich dazu seien aber nur 0,47 Mrd. € fürs Impfen aufgewendet worden. Um endlich den Impfturbo zu zünden, sollten die Menschen regelmäßig zu Auffrischungsstichen eingeladen werden, schlug er vor, dies sollte durch datenschutzrechtliche Bedenken nicht verhindert werden. 

Mückstein: Breites Maßnahmenbündel von der Primärversorgung bis zur Tiergesundheit

Bundesminister Wolfgang Mückstein wiederholte die geplanten Schwerpunktsetzungen im Gesundheitsbudget, die vom Ausbau der Primärversorgung bis hin zur Attraktivierung der Allgemeinmedizin reichen. Allein im nächsten Jahr werden 25 Mio. € aus dem europäischen Aufbau- und Resilienzfonds für die Einrichtung von zusätzlichen Primärversorgungszentren zur Verfügung stehen. Ein weiterer wichtiger Schritt sei aus seiner Sicht die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin. Außerdem soll 2022 bei der GÖG ein Kompetenzzentrum für Klima und Gesundheit mit dem Ziel aufgebaut werden, eine nationale Strategie in diesem Bereich zu entwickeln. Große Fortschritte werde es auch im Bereich des Tierschutzes geben, versicherte Mückstein, zumal in die Weiterentwicklung des Tiergesundheitsdienstes investiert werde. Ein besonderes Augenmerk werde man dabei auf das Problem der Antibiotikaresistenzen legen. Der Minister kam zudem noch auf das neue Amt für VerbraucherInnengesundheit zu sprechen, das ab 2022 die Lebensmittelbehörden unterstützen werde, sowie auf die Aufstockung der Mittel für die Tierschutzbildung. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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