Parlamentskorrespondenz Nr. 1295 vom 18.11.2021

Nationalrat: Mehr Geld für Gewaltschutz im Frauenbudget

Familienlasten-Ausgleichsfonds soll nächstes Jahr wieder Überschüsse bringen

Wien (PK) – Die Finanzierung des geplanten Gewaltschutzpakets beschäftigte heute den Nationalrat zu Beginn seines letzten Sitzungstags über das Budget 2022, als Frauen- und Familienministerin Susanne Raab zu den für ihre Bereiche vorgesehenen Mitteln Stellung nahm.

"Gewalt hat viele Gesichter", sprach Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei der Sitzungseröffnung die traurige Aktualität von Gewalt gegen Frauen an. Gewalt starte meist verbal und ende häufig in physischer Misshandlung bis hin zum Mord, so Sobotka. 2021 habe man 26 Frauenmorde in Österreich zu betrauern gehabt. Als Zeichen seines Einsatzes gegen Gewalt an Frauen nimmt das Parlament an der UNO-Kampagne "Orange the World" teil und wird vom 25.11. bis 10.12. 2021 in oranger Farbe erstrahlen. Frauenministerin Raab erklärte im Plenum, wie sich die Schwere der Problematik im Budget widerspiegle.

Am Ende des heutigen Sitzungstagestages finden die Schlussabstimmungen zum Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 samt den dazu während der dreitägigen Plenarberatungen eingebrachten Anträgen statt. Zum Frauenbudget brachten heute SPÖ und FPÖ Entschließungsanträge ein, die unter anderem die finanzielle Absicherung von Familien zum Ziel haben.

ÖVP: Gewaltschutz-Mittel ressortübergreifend aufgestockt

Das Frauenbudget sei seit 2020 um 81% erhöht worden, unterstrich Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP). Die zusätzlichen Mittel flössen vorrangig in den ressortübergreifenden Gewaltschutz, zu dem auch Innen-, Justiz- und Integrationsministerium beisteuerten. Beispielsweise werde künftig in allen Polizeistationen bei weiblichen Gewaltopfern mindestens eine geschulte Polizistin zugegen sein. Zudem forciere man den Ausbau von Frauenhäusern, Familienberatungsstellen und Kinderschutzzentren.

Den während der Debatte von SPÖ und NEOS geäußerten Vorwurf, 2016 sei ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung beziehungsweise die Finanzierung des Kindergartenausbaus mit 1,2 Mrd. € vom späteren Kanzler Sebastian Kurz aus Machtkalkül verhindert worden, wiesen Pfurtscheller und ihr Parteikollege Norbert Sieber auf das Schärfste zurück. Tatsächlich hätten die damaligen Pläne der Mittelaufstockung den Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung betroffen. Unter der jetzigen Regierung werde die Kinderbetreuung für alle in einem angemessenen Ausmaß erweitert, stellte Pfurtscheller fest.

Für den Budgetbereich Familie und Jugend ging ÖVP-Abgeordneter Norbert Sieber im Detail auf steigende Auszahlungen für Familienbonus, Kindermehrbetrag, Wochengeld und Schülerbeihilfen ein. Dank der positiven wirtschaftlichen Entwicklung werde der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) ab 2022 wieder Überschüsse schreiben. Die Steuerleistung des Familienbonus auf 2.000 € pro Jahr sei eine große Entlastung für Familien, betonte er. Gleichzeitig habe man für GeringverdienerInnen die Auszahlung des höheren Kindermehrbetrags als Negativsteuer vorgesehen.

Grüne: Gewaltschutz für alle sicherstellen

Frauen mit Behinderungen müssten bei Gewaltschutzmaßnahmen mitbedacht werden, betonte Heike Grebien (Grüne). Die Frauenministerin habe daher mit dem Sozialministerium konkrete Maßnahmen für diese Zielgruppe ergriffen, stellte Grebien die Website und die Broschüre mit dem Titel "Kraftrucksack" vor. Darin gebe es niederschwellig zugängliche Informationen zu Traumabearbeitung, Notfallhilfe und langfristigen Strategien bei der Verarbeitung von Gewalt, wie Grebien in einfacher Sprache vom Rednerpult aus erklärte. Die Internetseite sei zwar kein Ersatz für Hilfsstellen wie die Frauen-Helpline oder Frauenberatungsstellen, biete ihre Inhalte aber auch in Gebärdensprache an. Denn: "Alle Frauen haben das Recht auf ein gutes Leben ohne Gewalt".

Gewaltschutz sei jahrelang chronisch unterfinanziert gewesen, erinnerte Meri Disoski (Grüne) an ungehörte Forderungen von Gewaltschutzorganisationen. Nun sei dieser Budgetbereich zum dritten Mal in Folge erhöht worden, zumal auch in anderen Ressorts gesteigerte Gewaltpräventionsmittel zur Verfügung stünden. Neben dem Bund sieht sie beim Gewaltschutz allerdings auch Länder, Städte und Gemeinden in der Pflicht. Recht gab die Grünen-Abgeordnete der SPÖ bei deren Kritik, das Frauenbudget reiche nicht, um Probleme wie die Armutsgefährdung von Frauen zu beseitigen. Immer noch erhielten Arbeitnehmerinnen durchschnittlich um 20% weniger Bruttostundenlohn als ihre Kollegen, bestätigte sie, wies gleichzeitig aber darauf hin, die SPÖ habe offenbar in den Zeiten ihrer Regierungsbeteiligung nichts dagegen getan. Gleiches gelte für den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze oder Weiterbildungsmaßnahmen für Frauen, für die unter der ÖVP-Grünen-Regierung nun die Weichen gestellt würden.

SPÖ: Gender Pay Gap weiterhin Realität

Trotz der geplanten Mittelsteigerung macht die SPÖ wiederum einige Mängel im Frauenbudget aus. So verlangte die Sozialdemokratin Eva Maria Holzleitner eine "satte Budgeterhöhung" beim Vorgehen gegen Frauenmorde nach Maßgabe der Forderungen von Opferschutzorganisationen. Zudem fehlten im Budgetvorschlag Anpassungen zum Ausgleich des Gender Pay Gap, also zum Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern, der laut Holzleitner nach einem Arbeitsleben eine halbe Million Euro beträgt. "Frauen waren die Krisenheldinnen", hob sie die besondere Herausforderung hervor, während der COVID-19-Krise Kinderbetreuung und Beruf zu vereinbaren. Einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz zu schaffen und ist aus Sicht der SPÖ hoch an der Zeit, die auch den flächendeckenden Ausbau der Kindergärten samt der dafür notwendigen Finanzierung einmahnte.

Die großen finanziellen Probleme, unter denen viele Familien nach 20 Monaten Pandemie litten, sprach Petra Wimmer (SPÖ) an und beklagte, die Regierung sorge hier nicht für ausreichend Unterstützung. Vom budgetierten Familienbonus würden 180.000 Kinder nicht profitieren und nur 30% der BezieherInnen seien Frauen, obwohl diese den Großteil der unbezahlten Arbeit wie Kinderbetreuung oder häusliche Pflege erbrächten. Zur raschen finanziellen Unterstützung von armutsgefährdeten Familien brachte sie einen Antrag auf Verlängerung des Familienhärteausgleichs ein.

FPÖ fordert mehr Geld für Familienleistungen

Effektivere Maßnahmen zur Gewaltprävention in der Familie sind Rosa Ecker (FPÖ) ein Anliegen. Sie brachte daher einen Entschließungsantrag auf Einrichtung einer "SOS-App" als direkten Draht zur Polizei ein, um gewaltgefährdeten Frauen in Notsituationen die rasche Kontaktaufnahme mit der Exekutive zu ermöglichen.

Generell meinte Ecker, als Querschnittsmaterie sollten in der Frauenpolitik auch Themen wie die Pflege, die Schließung des Einkommensunterschieds und die Anerkennung von nicht entlohnten Leistungen mehr Beachtung finden. In einem zweiten Antrag forderte sie daher auch eine App für Familienleistungen, die Familien einen umfassenden Blick auf ihre spezifischen Ansprüche ermöglicht. Die Anhebungen bei den Familienleistungen reichen aus der Sicht der FPÖ jedenfalls nicht aus, deren Wertverlust auszugleichen. Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Teuerung sei bei den FLAF-Leistungen eine jährliche Inflationsanpassung notwendig, meinte Edith Mühlberghuber (FPÖ). Weiters sieht die Freiheitliche Handlungsbedarf beim derzeitigen System der Unterhaltleistungen, bei denen der Staat pro Jahr 48 Mio. € zuschießen müsse.

NEOS: Frauenpolitik der Regierung greift zu kurz

Würde die Regierung nur einen Bruchteil ihres Werbebudgets für Frauen und Gleichstellung ausgeben, wäre die Frauenpolitik im Land weit besser gestellt, formulierte Henrike Brandstötter (NEOS) ihre Kritik, die geplante Erhöhung des Frauenbudgets falle nicht hoch genug aus. Gegenüber den Forderungen des Opferschutzes von über 200 Mio. € mehr relativiere sich der Mittelanstieg um 3,8 Mio. € bzw. ressortübergreifend 14,6 Mio. €. Zu wenig Augenmerk erhalten ihrer Meinung nach auch andere wichtige Bereiche der Frauenpolitik wie Arbeitsmarkt, Gesundheit und Bildung. Bei Debatten darüber verweise Frauenministerin Raab regelmäßig auf die Zuständigkeit anderer Ressorts, auch in Hinblick auf das Genderbudgeting, das im Bundesvoranschlag einmal mehr nicht zu finden sei.

Dass für Antidiskriminierungsprojekte von LGBTIQ-Personen keine Mittel bereitgestellt würden, war der Hauptkritikpunkt von Yannick Schetty (NEOS). Österreich habe immer noch ein massives Problem mit homophober Gewalt, erklärte Schetty und konstatierte,  dass in den letzten fünf Jahren 10% aller Betroffenen physische Gewalt erfahren mussten. In Wien würden die NEOS als Regierungspartei zeigen, was dagegen zu unternehmen sei, indem sie dort das erste queere Jugendzentrum als "safe space" für LGBTIQ-Personen einrichteten.

Raab: Selbstbestimmtheit ist wirksames Mittel gegen Gewalt

Die budgetäre Schwerpunktsetzung auf den Gewaltschutz von Frauen hob auch die zuständige Ministerin Susanne Raab hervor. Jede Frau und jedes Mädchen müssten sich in Österreich sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum sicher fühlen können und im Ernstfall auch wissen, dass es Zufluchtsorte gibt. Deshalb sei das Opferschutzangebot verstärkt und substantiell ausgeweitet worden. Wichtig sei, dass hier auch andere Ressorts, allen voran jene für Inneres und Justiz, an einem Strang ziehen, so Raab. Grundlegende Elemente für ein gewaltfreies Leben seien auch Selbstbestimmung und finanzielle Unabhängigkeit. Deshalb sei es essenziell, stereotype Rollenbilder aufzubrechen und Frauen dazu zu ermächtigen, auch im gut bezahlten MINT-Bereich beruflich Fuß fassen zu können. Dafür arbeite man eng mit dem Arbeitsministerium zusammen und habe 1,6 Mio. € zur Bewusstseinsbildung investiert. Gesamtziel sei es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass jede Frau das Lebensmodell verwirklichen könne, das sie möchte.

Ein besonderes Anliegen sei Ministerin Raab auch die Entlastung der Familien, da diese nach den Beschwerlichkeiten der Corona-Pandemie spezielle Unterstützung benötigten. Sie nannte dafür den Familienbonus, die Erhöhung der Anzahl der Kinderbetreuungsplätze, den Kindermehrbetrag, der besonders Alleinerziehenden zugutekomme und 6 Mio. € Unterstützung für Schulbücher. Was die Familienleistungen betreffe, sei Österreich europaweit bereits unter den Top 3 Ländern, es sei jedoch ihr Wunsch, noch weiter in diesem Bereich zu investieren, erklärte Raab.

Frauen und Gleichstellung: 25,6% mehr Budget

Für die im Bundeskanzleramt angesiedelte Frauenministerin ist nächstes Jahr eine Budgetsteigerung von 3,75 Mio. € oder 25,6% auf 18,4 Mio. € für frauen- und gleichstellungspolitische Maßnahmen vorgesehen. Finanziert werden soll mit den zusätzlichen Mitteln das "Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen und Stärkung von Gewaltprävention". Insgesamt sollen dafür ressortübergreifend 24,6 Mio. € zur Verfügung stehen.

Das Frauenbudget für das Jahr 2022 setzt sich einerseits aus Transferzahlungen für die Frauenförderung in der Höhe von rund 9,5 Mio. €, insbesondere für Frauenservicestellen, Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen, Notrufe und Notwohnungen sowie sonstige frauen- und gleichstellungsspezifische Projekte, zusammen. Andererseits sind rund 8,9 Mio. € für den betrieblichen Sachaufwand vorgesehen. Darunter fallen Mittel für die Gewaltschutzzentren sowie die Finanzierung der Zeitverwendungsstudie.

Familie und Jugend: FLAF-Überschuss soll an Familienbeihilfe-Reservefonds gehen

Für Familie und Jugend sind im Bundesvoranschlag 2022 Auszahlungen von 7,69 Mrd. € veranschlagt. Im Vergleich zum BVA 2021 bedeutet dies einen Anstieg um 52,0 Mio. € bzw. 0,7 %. Hinter dieser geringen Veränderung stehen gegenläufige Effekte. Die Steigerung der Auszahlungen ist hauptsächlich auf den budgetierten Überschuss beim Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) mit 281,8 Mio. € zurückzuführen, der an den Reservefonds für Familienbeihilfen überwiesen wird. Dem gegenüber steht der Rückgang bei den Pensionsbeiträgen für Kindererziehungszeiten über 174,6 Mio. €, die im Jahr 2021 aufgrund der Erfassung einer Aufrollung vergangener Jahre außergewöhnlich hoch ausfielen. Darüber hinaus fallen Auszahlungen für Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie weg, die im Vorjahr noch mit 100 Mio. € budgetiert waren, so der Budgetdienst des Parlaments.

Die budgetierten Einzahlungen steigen 2022 gegenüber dem BVA 2021 um 801,6 Mio. €. Dies wird durch konjunkturell bedingt stark steigende Dienstgeberbeiträge zum FLAF sowie den Abgabenanteilen begründet. (Fortsetzung Nationalrat) rei/wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.