Parlamentskorrespondenz Nr. 1308 vom 19.11.2021

Mückstein: Dreiwöchiger Wellenbrecher-Lockdown ist notwendig zur Stabilisierung des Gesundheitssystems

Hitzige Nationalratsdebatte bei Behandlung von Gesundheitsvorlagen zum Impfen und zum Testen in den Betrieben

Wien (PK) – Von den aktuellen Entwicklungen teilweise überrollt wurde die weitere Nationalratsdebatte über diverse Gesundheitsthemen, die aufgrund der Terminprobleme von Minister Mückstein erst zu späterer Stunde behandelt werden konnten. Dabei ging es unter anderem um einen Beschluss, der es dem Dachverband der Sozialversicherungsträger ermöglicht, aktiv an noch nicht gegen das COVID-19-Virus geimpfte Personen heranzutreten und sie in einem Schreiben über ihre damit verbundenen gesundheitlichen Risiken zu informieren. Außerdem wird der finanzielle Zuschuss des Bundes zu den Corona-Testungen in den Betrieben bis Ende des Jahres verlängert.

Aufgrund der Rekordwerte bei den Infektionszahlen und der dramatischen Situation in den österreichischen Spitälern seien Entscheidungen notwendig gewesen, die ihm nicht leicht gefallen seien, erklärte Bundesminister Wolfgang Mückstein. Um die vierte Welle zu brechen und um die Krankenhäuser zu entlasten, habe man sich bei den Gesprächen mit den Landeshauptleuten in Tirol auf einen dreiwöchigen harten Lockdown ab 22. November für ganz Österreich geeinigt. Dieser sei grundsätzlich mit ganztägigen Ausgangsbeschränkungen verbunden, informierte Mückstein, Schulen und Kindergärten würden aber grundsätzlich offen bleiben. Außerdem sei die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht geplant, um vor allem aus mittel- und langfristiger Sicht die Durchimpfungsrate erhöhen zu können. Zum aktuellen Zeitpunkt müsse vor allem die Booster-Impfung forciert werden, betonte der Ressortchef, dafür liege ausreichend Evidenz vor. Parallel dazu werde die Gültigkeitsdauer des Grünen Passes auf sieben Monate verkürzt.

Die Regierung habe in den letzten Monaten beim Pandemiemanagement einfach versagt, konstatierte SPÖ-Abgeordnete Julia Herr, und machte dafür das "System Kurz" verantwortlich. Das Chaos münde nun in einen Lockdown, der zu verhindern gewesen wäre. NEOS-Vertreter Gerald Loacker bezeichnete es als politisches Unvermögen, wenn einfach alles zugesperrt werde. Während dies für den heimischen Handel fatale Folgen habe, würden nun bei den Onlinekonzernen wohl die Korken knallen. Von einem vollkommenen Versagen der Krisenkommunikation und des Krisenmanagements der Bundesregierung sprach die FPÖ. Hätte man die Vorschläge der Freiheitlichen rechtzeitig umgesetzt, hätte man die Situation gut in den Griff bekommen, war Gerhard Kaniak (FPÖ) überzeugt. Sein Fraktionskollege Peter Wurm qualifizierte die geplante Einführung einer allgemeinen Impfpflicht als einen Tabubruch ungeahnten Ausmaßes, während Dagmar Belakowitsch (FPÖ) meinte, dass damit eine rote Linie überschritten wurde.

Weiters auf der Tagesordnung standen eine Reihe von oppositionellen Anträgen aus dem Gesundheits- und Konsumentenschutzbereich, die jedoch keine Mehrheit fanden. So drängten etwa die SozialdemokratInnen auf Anerkennung des Long-COVID-Syndroms als chronische Erkrankung sowie als Berufskrankheit. Ein wichtiges Anliegen war ihnen auch die transparente Darstellung der Energiekosten in Form eines Preismonitorings. Auf Ablehnung stießen auch die Forderungen der Freiheitlichen nach einem Auslaufen aller Corona-Maßnahmen, die nicht evidenzbasiert seien, nach Umsetzung eines sogenannten "Plans B" sowie nach einem Diskriminierungsverbot von nicht gegen COVID-19 geimpften Personen. Außerdem wollte die FPÖ einen Aufschub des Auslaufens der gesetzlichen Corona-Kreditstundungen bis zum Ende der Wirtschaftskrise erreichen. Auch die während der Sitzung eingebrachte FPÖ-Initiative betreffend Einsatz von entsprechend geschultem Personal in Apotheken zur Verabreichung von komplikationslosen Auffrischungsimpfungen wurde nicht angenommen.

Oppositionskritik: Informationsschreiben der Sozialversicherung über Corona-Impfung kommt viel zu spät

Gemäß einer mehrheitlich beschlossenen Änderung des ASVG sowie weiterer Sozialversicherungsgesetze in der Fassung von zwei Abänderungsanträgen wird der Dachverband der Sozialversicherungsträger beauftragt, Versicherte, die bis 22. November 2021 noch keine Impfung gegen SARS-CoV-2 erhalten haben, in einem Schreiben über ihr erhöhtes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, zu informieren und ihnen gleichzeitig die Möglichkeiten aufzuzeigen, sich kostenlos impfen zu lassen. Außerdem wird festgehalten, dass auf Rechnung der Krankenversicherungsträger weiterhin Impfungen gegen SARS-CoV-2 mit dem vom Bund zur Verfügung gestellten und finanzierten Impfstoff durchgeführt werden können, wobei diese Bestimmung bis 30. Juni 2022 gelten soll.

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) hielt es für wichtig, dass die Menschen nun von der Sozialversicherung an das Impfen gegen SARS-CoV-2 erinnert werden. Wie das Beispiel Israel gezeigt habe, sei vor allem der dritte Stich dafür entscheidend, ob die vierte Welle gebrochen werden könne oder nicht. Ein von ihm eingebrachter Abänderungsantrag beinhaltete die Verlängerung der Freistellungsmöglichkeit von Risikogruppen bis Juni 2022, wobei eine Überprüfung der Atteste durch AmtsärztInnen bei begründetem Verdacht ermöglicht wird. Ein weiterer Abänderungsantrag dient der Ausdehnung der Frist für das Informationsschreiben vom 1. November auf den 22. November.

Abgeordneter Werner Saxinger (ÖVP) bedankte sich bei der SPÖ und den NEOS für die konstruktive Zusammenarbeit beim Impfthema. Das gemeinsame Ziel aller müsse es nun nämlich sein, alle noch zögernden Menschen von der Wichtigkeit der Impfung zu überzeugen. Wenn man die Statistiken in den einzelnen europäischen Ländern vergleiche, dann könne man einen hohen Zusammenhang zwischen Impfquote und Todesfällen feststellen, unterstrich Josef Smolle (ÖVP) mit Nachdruck.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) hätte sich eine frühere Einbeziehung seiner Fraktion in Bezug auf die im Laufe der Sitzung eingebrachten Abänderungsanträge gewünscht. Dass gewissen Risikogruppen zugehörige Personen nun auch noch zum Amtsarzt gehen müssen, halte er für keinen menschlichen Zugang. Was das Informationsschreiben anbelangt, so sei es tragisch, dass dieser schon vor Monaten von der SPÖ-Klubobfrau Rendi-Wagner gemachte Vorschlag erst so spät umgesetzt werde.

Wie konnte es dazu kommen, dass ein reiches Land wie Österreich, das über eines besten Gesundheitssysteme der Welt verfüge, nun wieder vor einem Lockdown stehe, fragte Gerhard Kaniak (FPÖ). Diese aus seiner Sicht vermeidbare Maßnahme habe schon in der Vergangenheit mehr Schaden angerichtet als sie genutzt habe und werde pro Woche rund 1 Mrd. € kosten. Kaniak erinnerte daran, dass seine Fraktion schon vor einem Jahr zahlreiche Vorschläge gemacht habe, die aber leider nicht umgesetzt wurden. So würden etwa noch immer nicht ausreichende Daten darüber vorliegen, über wie viele Behandlungskapazitäten die Spitäler verfügen, wie viele Menschen mit oder an COVID-19 verstorben seien oder wie hoch die Immunität innerhalb der österreichischen Bevölkerung sei. Auch durch die frühzeitige und richtige Behandlung der mit COVID-19 infizierten Personen, den verstärkte Einsatz von Medikamenten sowie der bereits zugelassenen monoklonalen Antikörpertherapie hätte man viel erreichen können. Nun sei es aber leider zu spät, um die vierte Welle zu brechen, bedauerte Kaniak. Vor allem die Bediensteten im Gesundheitswesen müssten nun jene Suppe auslöffeln, die ihnen die Regierung und insbesondere der Gesundheitsminister eingebrockt haben. Sein Fraktionskollege Peter Wurm appellierte an die TeilnehmerInnen der morgigen Protestkundgebung, friedlich zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen.

Zuschüsse zu den COVID-19-Betriebstestungen bis Jahresende verlängert

Der Bund wird bis Ende des Jahres die Durchführung von COVID-19-Tests in Betrieben finanziell unterstützen. Der dazu vorliegende Initiativantrag von ÖVP und Grünen auf Änderung des Betrieblichen Testungsgesetzes wurde ebenso wie dafür notwendigen Änderungen im COVID-19-Maßnahmengesetz mehrheitlich beschlossen. Den Freiheitlichen ging das zu wenig weit. Die von ihnen gestellte Forderung nach Ausweitung der Finanzierung der betrieblichen Gratis-Testungen bis 30. Juni 2022 blieb jedoch bei der Abstimmung in der Minderheit.

Nachdem heute ein Lockdown verkündet wurde, könne man jetzt schon davon ausgehen, dass in ein paar Wochen das Betriebliche Testungsgesetz erneut verlängert werden müsse, führte Abgeordnete Julia Herr (SPÖ) ins Treffen. Wenn nicht parteipolitisches Kalkül und der eigene Machterhalt, sondern die Interessen der Bevölkerung im Vordergrund gestanden wären, dann hätte man diesen Lockdown verhindern können.

Es habe nie jemand behauptet, dass die Pandemie mit Ende des Jahres vorbei sei, entgegnete Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne). Es sei aber wichtig, die Teststrategie auch angesichts der hohen Kosten zu evaluieren, zumal das Testen nicht mit dem Impfen gleichgesetzt werden könne. Laurenz Pöttinger (ÖVP) zeigte sich zufrieden darüber, dass betriebliche Testungen weiter unterstützt werden.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) befürwortete die Durchführung von Antigen-Tests in den Betrieben, zumal es auch nicht ausreichend Kapazitäten für die Auswertung der PCR-Tests gebe. Gerald Hauser (FPÖ) kritisierte die Fokussierung auf das Impfen und verwies abermals auf zahlreiche Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Impfquote und dem Infektionsgeschehen in Zweifel ziehen würden.

Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) stellte in Bezug auf den angekündigten Lockdown fest, dass die "gescheiterten Landeshauptleute" der Regierung nun diktiert haben, was sie umsetzen soll. Diese Maßnahme habe insbesondere für den Handel fatale Folgen, obwohl es dort kaum zu Ansteckungen gekommen sei. Da bekomme man den Eindruck, dass die Regierung von Amazon und Zalando gesponsert werde. Es sei wirklich erschütternd zu sehen, was das Gesundheitsressort bisher alles "vermasselt" habe. Diese reiche vom "Datensalat" bis hin zur falschen Teststrategie, die das Impfen unterlaufen habe. Es sei einfach nur zum Schämen, "diese Republik sei ein gescheiterter Staat", lautete sein Resümee. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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