Parlamentskorrespondenz Nr. 1441 vom 09.12.2021

Nationalrat: ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist eingesetzt

Konstituierung bereits nach der heutigen Plenarsitzung

Wien (PK) – Mit der Behandlung in der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats ist der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss offiziell eingesetzt. Noch heute, nach Schluss der Sitzung, hat der Ausschuss bereits auch seine Konstituierung angesetzt. Zuvor hatten die Parlamentsfraktionen im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats den grundsätzlichen Beweisbeschluss für den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss gefasst (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1390/2021). Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist, inwiefern Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden.

SPÖ, FPÖ und NEOS wollen entsprechend ihrem Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Zeitraum zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 beleuchten – also jene Zeit, in der Sebastian Kurz (mit Unterbrechung) Bundeskanzler war. Auch Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit dem "Projekt Ballhausplatz" sollen einbezogen werden. In den Fokus stellt die Opposition die "Gruppe um Sebastian Kurz" (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1110/2021). Alle Beschlüsse wurden zuvor im Ausschuss einstimmig gefasst, einen Antrag auf Unzulässigkeit des Einsetzungsverlangens oder auf Änderung des Untersuchungsgegenstandes gab es dieses Mal nicht. Nichtsdestotrotz verlief die heutige Debatte im Nationalrat kontrovers.

Einhellig beschlossen die Abgeordneten am Ende der Sitzung, die beiden Volksbegehren "Kauf regional" sowie "Impfpflicht: Striktes NEIN" einer Ersten Lesung unterziehen zu wollen. Erneut in der Minderheit blieb ein Fristsetzungsantrag der Opposition in Zusammenhang mit dem von ihr bereits seit eineinhalb Jahren geforderten COVID-19-Unterausschuss zur Kontrolle von Coronahilfen.

Debatte um Korruptionsvorwürfe

Kai Jan Krainer (SPÖ) zufolge geht es nach den Erkenntnissen des Ibiza-Untersuchungsausschusses und Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft jetzt in der politischen Bewertung darum, mit dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zu vermessen, "wie breit und tief dieser Korruptionssumpf" sei. Der Ibiza-Untersuchungsausschuss habe wichtige Vorarbeit geleistet, geht Krainer davon aus, diese Arbeit zügig abschließen zu können. Auch Julia Elisabeth Herr (SPÖ) bekräftigte, heute starte ein neuer Anlauf, "Licht ins Korruptionsdunkel" zu bringen. Die "Machenschaften" der letzten Jahre müssten "schonungslos aufgeklärt" werden. Vorkommnisse, wie sie die Vorwürfe gegen das "System Kurz" zeigen, dürfe es nicht mehr geben, betonte auch Christoph Matznetter (SPÖ).

Es gehe mit dem Untersuchungsausschuss nicht um Personen, sondern um Systeme, die die Demokratie schwächen, so Stephanie Krisper (NEOS). Das Ziel sei, Aufklärung zu betreiben, um Defizite mit Reformen enden zu lassen und den Bahnen der Korruption durch effektive Antikorruptionsgesetzgebung gegenzusteuern.

Christian Stocker (ÖVP) verneinte die Korruptionsvorwürfe, was die österreichische Volkspartei betrifft, und meinte demgegenüber, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei aus seiner Sicht kein Instrument zur politischen Kontrolle einer Partei. Das gelte für alle Fraktionen. Er äußerte Bedenken, was die Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstands betrifft, wonach sich ein Untersuchungsausschuss mit Organen des Bundes zu beschäftigen habe. Darüber hinaus gelte es, die Justiz arbeiten zu lassen und mit den "permanenten Vorverurteilungen und Unterstellungen" aufzuhören, wandte Andreas Hanger (ÖVP) ein. Er biete als Fraktionsführer der ÖVP eine konstruktive Zusammenarbeit an, dazu brauche es aber Rahmenbedingungen wie einen respektvollen Umgang und eine ebensolche Sprache.

Nina Tomaselli (Grüne) erinnerte an ein Versprechen, das vor vier Jahren gegeben wurde, nämlich für einen "neuen Stil". Heute läute der Nationalrat mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses "Aufräumarbeiten" ein. Das sei auch gut so, zumal das Vertrauen in die Politik in letzter Zeit massiv gelitten habe. Jetzt gebe es die Chance, durch politische Aufklärungsarbeit zu zeigen, dass sich die ÖsterreicherInnen auf die Politik verlassen können. Saubere Politik sei den Grünen wichtig, egal ob von Oppositions- oder Regierungsbank, ergänzte David Stögmüller (Grüne). Die bekanntgewordenen SMS-Nachrichten hätten ein System aufgezeigt, das tiefer gehe als erwartet. BürgerInnen hätten sich jedenfalls ein politisches System verdient, in dem Gesetze im demokratischen Diskurs erarbeitet werden.

ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss mit 13 Mitgliedern

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss hat seine Konstituierung bereits nach Ende der heutigen Nationalratssitzung angesetzt. Von den 13 Mitgliedern wird die ÖVP fünf stellen, die SPÖ drei und FPÖ sowie die Grünen jeweils zwei. Die NEOS sind mit einem Mandatar oder einer Mandatarin vertreten. Gleiches gilt für die 13 Ersatzmitglieder. Den Vorsitz im Untersuchungsausschuss hat gemäß der Verfahrensordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka inne. Er kann sich aber auch von Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures oder Drittem Nationalratspräsidenten Norbert Hofer vertreten lassen.

SPÖ, FPÖ und NEOS gliedern den Untersuchungsgegenstand in vier Beweisthemen: die Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren, die Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes, die mutmaßliche Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit sowie etwaige Begünstigungen bei der Personalauswahl.

Als Verfahrensrichter wurde bereits im Geschäftsordnungsausschuss der ehemalige Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien Wolfgang Pöschl sowie als Verfahrensanwältin die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Barbara Weiß gewählt. Stellvertretende Verfahrensrichterin ist Richterin Christa Edwards vom Oberlandesgericht Wien, stellvertretender Verfahrensanwalt Rechtsanwalt Andreas Joklik.

Die Übermittlung der angeforderten Akten und Unterlagen hat innerhalb von sechs Wochen bis spätestens 26. Jänner 2022 zu erfolgen. Laut Beweisbeschluss müssen insgesamt 25 Stellen dem Parlament Akten liefern. Neben sämtlichen Ministerien, inklusive nachgeordneter Dienststellen, und den neun Landesregierungen sind das auch der Bundespräsident und der Nationalratspräsident, der Rechnungshof, die Oesterreichische Nationalbank, die Finanzmarktaufsicht sowie die Finanzprokuratur. In der Liste der Stellen, die Akten zu liefern haben, sind zudem der Oberste Gerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht, die Bundesdisziplinarbehörde, der Unabhängige Parteien-Transparenzsenat, die Landesgerichte, das Handelsgericht Wien, die KommAustria und die Wirtschaftskammer Österreich.

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist nach dem Ibiza-Untersuchungsausschuss der 27. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik und der sechste, der nach den neuen U-Ausschuss-Regeln eingesetzt wird. Fünf davon gehen auf ein Minderheitenverlangen zurück, für das es zumindest die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten (46) braucht. Die Dauer des Untersuchungsausschusses ist laut Verfahrensordnung grundsätzlich auf 14 Monate begrenzt, im Bedarfsfall kann er auf bis zu 20 Monate verlängert werden. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.