Parlamentskorrespondenz Nr. 1473 vom 16.12.2021

Nationalrat startet mit Fokus auf Schutz geflüchteter Kinder

Autarke Polizeigebäude durch Photovoltaik-Anlagen, Neuerungen bei Registerzählung, Verlängerung von COVID-Sonderregelungen

Wien (PK) – Meist werden Materien aus dem Bereich des Innenressorts von den einzelnen Parlamentsfraktionen äußerst unterschiedlich beurteilt. Nicht so heute im Nationalratsplenum, wo es gleich zu den ersten vier Tagesordnungspunkten einstimmige Beschlüsse gab. Das betraf sowohl die Anpassungen im Registerzählungsgesetz als auch die Verlängerungen von COVID-19-Sonderregelungen im Fremdenrecht und die Datenerhebung bezüglich verschwundener Kinder mit Fluchterfahrung. Einig waren sich die Fraktionen auch bezüglich der Ausstattung von Gebäuden der Polizei mit Photovoltaik-Anlagen.

Der Vorsitzende des Innenausschusses und ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer verabschiedete sich bei dieser Gelegenheit aus dem Nationalrat. Er wechselt nach dem Rücktritt von Gernot Blümel aus allen politischen Funktionen in die Wiener Stadtregierung. Mahrer wurde nicht nur von seinem Parteikollegen Andreas Minnich, sondern auch von Hannes Amesbauer (FPÖ) und Georg Bürstmayr (Grüne) für seine Arbeit und sein Bemühen um überparteilichen Konsens Respekt gezollt. Hervorgehoben wurde insbesondere seine Initiative zur Weiterentwicklung des Gewaltschutzes. Mahrer selbst zeigte sich auch dankbar dafür, dass es gelungen ist, den Verfassungsschutz neu aufzustellen und ein gemeinsames Dialogforum im Parlament zu gründen. Ihm sei es immer wichtig gewesen, aufeinander zuzugehen und einen wertschätzenden Umgang miteinander zu pflegen. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka schloss sich dem Dank an Mahrer an. Mahrer sei ein Polizist vom Scheitel bis zur Sohle, so Sobotka, und er lebe dies auch in seinem politischen und gesellschaftspolitischen Engagement.

Anpassung im Registerzählungsgesetz mit hohem Datenschutzstandard

Gleich zu Beginn der Tagesordnung sprachen sich die Abgeordneten einhellig für die vom Innenminister vorgelegte Novellierung des Registerzählungsgesetzes aus. Die Registerzählung ist eine neue Form der Volkszählung. Früher mussten die BürgerInnen Fragebögen ausfüllen, nunmehr ist es möglich, bereits vorhandene Datensätze zusammenzuführen, wie etwa aus dem Melderegister. Für 2021 sollen nun auch Daten aus dem seit 2011 neu geschaffenen Zentralen Personenstandsregister und dem Zentralen Staatsbürgerschaftsregister verwendet werden können. Dazu kommen Daten aus dem eHealth-Verzeichnisdienst und dem Gesundheitsberuferegister, die im Rahmen einer Evaluierung als wichtige Datenquellen für die Verwendung als Vergleichsdaten identifiziert wurden.

Ein weiterer Aspekt ist, dass aufgrund einer EU-Verordnung über Volks- und Wohnungszählungen EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet sind – beginnend mit dem Kalenderjahr 2011 - der Europäischen Kommission, konkret Eurostat, Bevölkerungsdaten zu übermitteln. Bedingt durch diese Verordnungen sowie durch Weiterentwicklungen der Registerlandschaft Österreichs seit 2011, ist für die Registerzählung 2021 eine Anpassung des Registerzählungsgesetzes notwendig geworden, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz.

Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), Reinhold Einwallner (SPÖ) und Georg Bürstmayr (Grüne) betonten, dass die Daten anonymisiert weitergegeben werden und dem Datenschutz Rechnung getragen wurde. In diesem Zusammenhang wies Bürstmayr darauf hin, dass die NGO-Organisation epicenter.works den Gesetzentwurf wegen dessen datenschutzrechtlicher Qualität außerordentlich gelobt habe. Die Politik brauche valide Daten, wenn sie evidenzbasiert handeln möchte, sagte der Grüne Abgeordnete.

Verlängerungen von COVID-19-Sonderregelungen im Fremdenrecht

Auch die von den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne beantragte Verlängerung von COVID-19-Sonderregelungen im Fremdenrecht bis zum 30. Juni 2022 fand die Zustimmung aller Parlamentsfraktionen. Grund dafür ist die Tatsache, dass sich bis zum 31. Dezember 2021 keine Entspannung der pandemischen Lage abzeichnet. Mit der Maßnahme will man vor allem unnötige Menschenansammlungen wie Warteschlangen verhindern.

So soll es im Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes auch weiterhin genügen, anstatt des mündlichen Ablegens des Gelöbnisses bei der Staatsbürgerschaftsverleihung, dieses schriftlich an die Behörde zu übermitteln. Selbiges gilt im Falle von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit oder des zwischenmenschlichen Kontakts aufgrund von COVID-19-Maßnahmen für Verlängerungs- und Zweckänderungsanträge im Rahmen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes sowie des Asylgesetzes.

Inhaber des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" sollen diesen auch künftig nicht verlieren, wenn sie der Behörde nicht rechtzeitig mitteilen, dass sie sich aufgrund besonders berücksichtigungswürdiger Gründe für länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten. Eine Abwesenheit von 24 Monaten stellt jedoch nach wie vor die Höchstgrenze dar. Die Verlängerungen der Sonderregelungen im BFA-Verfahrensgesetz betreffen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Im Falle etwaiger pandemiebedingter Schließungen von Erstaufnahmestellen sollen diese nach Asylantragstellung auch künftig in Regionaldirektionen und dessen Außenstellen verbracht werden können.

Georg Bürstmayr (Grüne) und Ernst Gödl (ÖVP) betonten, es sei notwendig sicherzustellen, dass es trotz der Corona-Pandemie auch weiterhin korrekte Verfahren gibt. Bürstmayr regte auch an zu überlegen, ob man einige dieser bürokratischen Vereinfachungen auch ins Dauerrecht übernehmen könnte.

Datenerhebung über verschwundene Kinder mit Fluchterfahrung soll zu besserem Schutz führen

Die Parlamentsfraktionen sprachen sich heute auch gemeinsam dafür aus, jährlich Daten über das Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung in geeigneter statistischer Form der Öffentlichkeit und dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen. Zudem soll untersucht werden, ob dieses Phänomen möglicherweise mit kriminellen Handlungen wie Menschenhandel oder Gewaltdelikten in Zusammenhang steht. Ausgangspunkt für die Forderung an die Regierung war ein SPÖ-Antrag, der auf eine Datenerhebung zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung sowie die Aufnahme dieser Daten in die Asyl- und Fremdenrechtsstatistik abzielt.

Über die Notwendigkeit dieser Datenerhebung, auch im Sinne der verfassungsrechtlich verankerten Kinderrechte, waren sich alle einig. Im letzten Jahr sind allein in Österreich über 250 Kinder verschwunden.

Katharina Kucharowits (SPÖ) wies auf die enorm hohe Dunkelziffer und die Tabuisierung in Bezug auf verschwundene Kinder hin. Diese würden Opfer von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Kinderarbeit, sagte sie. Es gelte, die Kinderrechte ohne Wenn und Aber durchzusetzen. Valide Daten könnten dabei eine wertvolle Hilfe sein. "Da müssen wir hinschauen", meinte auch Johanna Jachs (ÖVP). Die Daten des Innenressorts würden verdichtet und veröffentlicht und daraus könne man dann Schlüsse ziehen.

Es gehe um jene Kinder, die von ihren Familien in Sicherheit geschickt würden, sagte Faika El-Nagashi (Grüne), und wir hätten die Verantwortung für eine kindgerechte Unterbringung und Obsorge. Hier gebe es noch viel zu tun, war sie sich mit Katharina Kucharowits (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) einig. Krisper sprach insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen den Kinderrechten und dem besonderen Schutz durch den Staat einerseits und das konkrete politische Handeln der bisherigen Innenminister an. Geflüchtete unbegleitete Kinder würden nicht jene Behandlung in Österreich erfahren, die für sie adäquat wäre. Sie mahnte daher ein, die Empfehlungen der Kindeswohlkommission umzusetzen. Auch Ernst Gödl (ÖVP) ortete  Handlungsbedarf, gab aber zu bedenken, dass in den meisten Fällen hervorragende Arbeit geleistet werde. Fehler würden nicht vorsätzlich begangen. Im letzten Jahr hätten rund 35.000 Menschen in Österreich um Asyl angesucht, rund 4.000 davon seien unbegleitete Jugendliche gewesen. Österreich sei stark gefordert, in Österreich passiere vieles, auch wenn noch viel zu tun sei, so Gödl.

Photovoltaik auf Polizeistationen soll für Sicherheit bei Blackout sorgen

Erfolg hatte die SPÖ auch mit ihrer Initiative zur Ausstattung von Gebäuden der Polizei mit Photovoltaik-Anlagen. Angesichts der Gefahr von weitreichenden Stromausfällen ("Blackouts") in Österreich soll dadurch die polizeilichen Einsatzfähigkeit auch in Krisensituationen sichergestellt werden, da dann die  Stromversorgung unabhängig vom öffentlichen Stromnetz ist. Außerdem leistet man damit auch einen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energieziele. Im Innenausschuss wurde der Antrag mit dem Zusatz ergänzt, dass dabei auch die Eigentümergesellschaften BIG bzw. ARE miteinbezogen werden. Auch darüber waren sich alle Abgeordneten einig.

Die Initiative ziele darauf ab, für eine etwaige Krise und den Ernstfall vorzubeugen und damit zugleich Autarkie und Nachhaltigkeit zu verbinden, erläuterten Elisabeth Feichtinger (SPÖ) und Andreas Minnich (ÖVP).

Man müsse versuchen, die Gefahr zu minimieren. Der volkswirtschaftliche Schaden im Fall eines Blackouts belaufe sich zwischen 1,2 und 1,5 Mrd. €, rechnete Minnich vor, weil die Stromversorgung nur schrittweise wiederhergestellt werden könne. Wichtig sei es an sich, die dezentrale Stromversorgung mit erneuerbarer Energie auszubauen, ergänzte Hermann Gahr (ÖVP). Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner investiere 90 Mio. € in die Autarkie von Kasernen. Allgemein müsse die öffentliche Hand im Hinblick auf Vorsorge und Nachhaltigkeit mit gutem Beispiel vorangehen, merkte Gahr an. Dem schlossen sich auch Hannes Amesbauer und Philipp Schrangl (beide FPÖ) an. Es sei notwendig, die öffentliche Ordnung und Sicherheit auch im Falle eines Blackouts sicherzustellen, unterstrich Amesbauer. Schrangl forderte in diesem Zusammenhang auch für Schulen und Amtsgebäude Photovoltaik-Anlagen.  

Es gehe nicht darum, Ängste zu schüren, sondern Vorschläge zu erarbeiten, sollte es zu ernstlichen Vorfällen kommen, sagte David Stögmüller (Grüne), der sich wie Amesbauer von der FPÖ für eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung und eine Vorsorge privater Haushalte für den Fall eines Blackouts aussprach. Stögmüller räumte ein, dass mit diesem Antrag nur ein Schritt von vielen gesetzt werde. Das Krisenschutzgesetz schreite im parlamentarischen Prozess voran, informierte er, man definiere, was eine Krise ist, wann Vorsorge zu treffen ist und wer dafür verantwortlich ist. Der Grüne Mandatar wies auch auf die sogenannten Sicherheitsinseln hin. (Fortsetzung Nationalrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der

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