Parlamentskorrespondenz Nr. 1508 vom 22.12.2021

Bundesrat gibt grünes Licht für Neuregelung der Sterbehilfe

Alle Fraktionen treten für Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung ein

Wien (PK) – Grünes Licht gab es in der heutigen Sitzung des Bundesrats für die Neuregelung der Sterbehilfe. Die BundesrätInnen aller Fraktionen sahen die Notwendigkeit des Ausbaus der Palliativ- und Hospizversorgung als begleitenden und nächsten Schritt. Justizministerin Alma Zadić verwies auf einen dementsprechenden Ministerratsbeschluss und eine Gesetzesvorlage.

Außerdem erhoben die BundesrätInnen mehrheitlich keinen Einspruch gegen die Verlängerung der KronzeugInnenregelung und mehrerer Corona-Sonderregelungen.

Sterbehilfe: Neuregelung passiert Bundesrat

Das bisherige Verbot der Hilfeleistung beim Suizid wurde vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit Wirkung ab 1. Jänner 2022 aufgehoben. Die Regierung hat daher eine gesetzliche Neuregelung vorgelegt. Zentrales Anliegen in diesem Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz ist, das vom VfGH betonte Grundrecht auf Selbstbestimmung auszuführen und zugleich gegen Missbrauch abzusichern. Die Neuregelung beinhaltet daher neben engen Auflagen, etwa betreffend schwerster Krankheiten, unter anderem ein einzuhaltendes Prozedere mit ÄrztInnen, die Einhaltung einer Bedenkzeit, eine wirksame Errichtung einer Sterbeverfügung und eine kontrollierte Abgabe eines Präparates über Apotheken. Sie beschränkt sich auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen es künftig zulässig sein soll, jemandem beim Suizid Hilfe zu leisten. Bei der Tötung einer anderen Person auf deren Verlangen wird die Strafbarkeit nicht angetastet.

Justizministerin Zadić: Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung und Suizidprävention wichtig

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs musste die Bundesregierung für dieses hochsensible Thema in sehr knapper Zeit eine Regelung finden, erklärte Justizministerin Alma Zadić. Ziel war, eine umsichtige Lösung zu finden, um schwerkranken Menschen, die in einer schwierigen Phase ihres Lebens sind, die Möglichkeit der Selbstbestimmung zu geben. Dabei müsse aber auch Missbrauch verhindert werden. Es sei versucht worden, möglichst alle Stimmen in der Ausarbeitung einzubinden und eine breite Diskussion zu führen. Mit der Regelung gebe es nun einen Weg, der Rechtssicherheit gibt, der den freien Willen schützt und den notwendigen Schutz vor Missbrauch beinhaltet. Niemand soll sich für diesen Weg entscheiden müssen, wenn es eine andere Möglichkeit gibt, hob Zadić den mit 108 Mio. € geplanten Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung hervor.

Sterbehilfe: Fraktionen einig über den Bedarf für den Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung

Menschen sollen nicht durch die Hand, sondern an der Hand eines Menschen sterben. Dies sollte das oberste Ziel der Gesellschaft sein, plädierte Franz Ebner (ÖVP/OÖ) und hob die große Bedeutung der Palliativ- und Hospizversorgung hervor. Die beste medizinische Versorgung müsse für alle Menschen weiter sichergestellt werden und es dürfe nicht zwischen wertem und unwertem Leben unterschieden werden, betonte Ebner. Mit der neuen Regelung werde die Tür zur aktiven Sterbehilfe geöffnet, die Politik müsse aber darauf achten, dass diese nicht noch weiter aufgerissen werde. Das Leben sei ein absolutes Gut, erklärte auch Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Der Schutz des Lebens sei von Anfang bis zum Ende ein höchstes Gut. Deswegen hofft die Bundesrätin, dass das Gesetz möglichst wenig in Anspruch genommen wird.

Es seien einige Sicherheitsanker mit dem Ziel einer möglichst missbrauchsfesten Regelung eingebaut worden, erklärte Elisabeth Grossmann (SPÖ/St). Dennoch müsse man die Handhabung laufend genau beobachten, um Missbrauch zu verhindern. Die palliativmedizinische Versorgung müsse flächendeckend ausgebaut und die Pflege massiv verbessert werden, damit sich niemand aus dem persönlichen Empfinden einer Belastung veranlasst fühlt, aus dem Leben zu scheiden.

Es gebe einige positive Ansätze in der neuen Regelung, aber viele Fragen würden unbeantwortet bleiben, begründete Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ)     die Ablehnung seiner Fraktion. So sei unter anderem die Definition von unheilbar Kranken zu ungenau und es sei ein zusätzliches Gespräch mit einem Psychiater bzw. einer Psychiaterin notwendig, bemängelte der Freiheitliche und trat ebenfalls für einen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung ein.

Nur wer entscheidungsfähig sei, könne von der Sterbeverfügung Gebrauch machen, betonte Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ). Eine Person, die beschließt, ihr Leben zu beenden, müsse sich der Tragweite bewusst sein und diese Entscheidung frei von Willensmängeln treffen. Um dies sicherzustellen, sei ein mehrstufiger Prozess vorgesehen. Den bedarfsgerechten und flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung begrüßte Hauschildt-Buschberger ebenfalls.

Es sei notwendig, eine Regelung zu beschließen, um einen rechtsfreien Raum in diesem sensiblen Bereich zu verhindern, betonte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Wenn unter Einhaltung der gesetzlichen Erfordernisse kein Zweifel mehr am selbstbestimmten Willen der Person bestehe, sei es notwendig, aufgrund der Achtung der Menschenwürde und des Respektes vor dem Leben und vor dieser höchstpersönlichen Entscheidung, dass schwerstkranke Menschen Hilfeleistung bei einem selbstbestimmten Suizid in Anspruch nehmen dürfen.

Verlängerung der Kronzeugenregelung

Mit Mehrheit erhoben die BundesrätInnen keinen Einspruch gegen die Verlängerung der "großen Kronzeugenregelung", die mit Jahresende auslaufen würde. Mit der Änderung der Strafprozessordnung wird die Regelung um weitere sieben Jahre verlängert. Zudem wird die Kriminalpolizei in den Kreis der Behörden einbezogen, an die KronzeugInnen herantreten können. Zusätzlich können künftig neben Kronzeugenstatus ansuchenden Unternehmen auch die einzelnen MitarbeiterInnen ihr Wissen offenbaren.

Verlängerung von Corona-Sonderregelungen

Die verfassungsrechtlich notwendige Mehrheit fand die von den Regierungsfraktionen vorgeschlagene Verlängerung verschiedener Corona-Sonderregelungen um ein weiteres halbes Jahr bis Mitte 2022. Dabei werden COVID-19-Begleitgesetze sowie auch die Bundesverfassung geändert. Inhaltlich geht es unter anderem um den verstärkten Einsatz von Videotechnologie bei Gemeinderatssitzungen sowie bei verschiedenen Verwaltungsverfahren. Außerdem sollen beschleunigte Vergaben im Bereich der Labordiagnostik ermöglicht werden. (Fortsetzung Bundesrat) pst

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek auf der Parlamentswebsite verfügbar.


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