Parlamentskorrespondenz Nr. 165 vom 23.02.2022

Dringlicher Antrag im Nationalrat: SPÖ fordert Maßnahmenpaket gegen die Teuerung

Staatssekretärin Plakolm verweist auf bereits gesetzte Maßnahmen der Regierung

Wien (PK) – Um der "stärksten Teuerungswelle seit Jahrzehnten" entgegenzuwirken und den damit einhergehenden Kaufkraftverlust auszugleichen, richtete die SPÖ im Nationalrat einen Dringlichen Antrag an die Bundesregierung. Darin wird eine "Teuerungsbremse" in Form eines Maßnahmenpakets gefordert, das die BürgerInnen in verschiedenen Bereichen entlasten soll. Staatssekretärin Claudia Plakolm verwies im Plenum auf zahlreiche bereits gesetzte Maßnahmen der Bundesregierung, welche der Teuerung entgegenwirken sollen. Der Antrag der SPÖ wurde abgelehnt.

Zwei im Zuge der Debatte eingebrachte Entschließungsanträge der NEOS, in denen zum einen die Streichung der Elektrizitäts- sowie der Erdgasabgabe und zum anderen die Abschaffung der kalten Progression gefordert wird, fanden keine Mehrheit. Auch ein Vorschlag der FPÖ für ein Maßnahmenpaket für ein Preismonitoring und einen Inflationsstopp blieb in der Minderheit.

Leichtfried (SPÖ): Bundesregierung lässt Bevölkerung in stärkster Teuerungswelle seit Jahrzehnten im Stich

Im Nationalrat erläuterte Antragsteller Jörg Leichtfried (SPÖ) nach einer hitzigen Geschäftsordnungsdebatte um die Abwesenheit des Bundeskanzlers - in deren Verlauf ein Antrag auf Herbeischaffung gestellt und abgelehnt wurde - die Hintergründe des Dringlichen Antrages. Die darin geforderten Maßnahmen seien notwendig, da die Bundesregierung sich nicht um die Nöte und Sorgen der Menschen kümmere. Das demonstriere schon das Fernbleiben des Bundeskanzlers im Plenum, so Leichtfried. Jeden Tag scheitere ein weiteres Regierungsprojekt und jeden Tag würden die BürgerInnen in der "stärksten Teuerungswelle seit Jahrzehnten" im Stich gelassen.

Im Vergleich zum Vorjahr seien der wöchentliche Einkauf um 6,8% und der Kauf eines Eigenheims um 10% teurer geworden. Von 2019 auf 2020 seien die monatlichen Mieten um 3% und aufgrund eines steigenden Erdölpreises die Tankkosten um bis zu 50% gestiegen. Zusammen mit einer ungefähren Verdreifachung der Energiepreise innerhalb eines Jahres seien diese Entwicklungen nicht mehr hinnehmbar. Die Bundesregierung unternehme laut Leichtfried jedoch nichts dagegen, da ihr besonders von der Teuerung betroffene Bevölkerungsgruppen gleichgültig seien. Diese müssten sich mittlerweile überlegen, ob sie heizen oder Lebensmittel kaufen können. Währenddessen seien die Steuereinnahmen durch die Mehrwertsteuer um ca. 1 Mrd. € gestiegen, die durch eine Senkung der Unternehmens- und Körperschaftssteuer "den Superreichen in den Rachen geschoben" werde.

Laut Antrag habe die Teuerung derzeit ein Ausmaß erreicht, das weit über normale Preisschwankungen hinausgehe und eine Existenzbedrohung besonders für PensionistInnen, PendlerInnen, Studierende und Arbeitslose darstelle. Da die angekündigte Einmalzahlung der Regierung zu spät komme und nicht ausreiche, um den Kaufkraftverlust auszugleichen, fordert die SPÖ als Sofortmaßnahme die Einführung eines Winterzuschusses in der Höhe von 300 € für Haushalte mit geringem Einkommen. Außerdem solle die Pendlerpauschale für kleine und mittlere Einkommen durch Ökologisierung und Umstellung von Steuerfrei- auf Steuerabsetzbetrag erhöht werden. Weiters haben sich laut SPÖ die Großhandelspreise für Strom und Gas an den Börsen innerhalb eines Jahres in etwa verdreifacht, weshalb die AntragstellerInnen eine Senkung der Mehrwertsteuer im Bereich Strom und Gas für notwendig halten.

Da sich Immobilien in Krisenzeiten vermehrt zu Spekulationsobjekten entwickelten, werde auch das Wohnen immer weniger leistbar. So seien Häuserpreise österreichweit seit 2020 um mehr als 70% gestiegen, wie die SozialdemokratInnen unter Verweis auf die Statistik Austria anführen. "Besonders dramatisch" habe sich die Teuerung jedoch seit der COVID-19-Krise entwickelt. Hier liege der Preisanstieg bei Wohnimmobilien bereits vier Quartale in Folge über 10%, womit die Immobilienpreise den Einkommen "davongaloppieren" würden. Auch die Mieten stiegen in den letzten 15 Jahren laut Antrag um 56% an. Die SPÖ fordert daher, die Indexierung der Richtwert- und Kategoriemieten mit 1. April 2022 auszusetzen.

Weitere SPÖ-Forderungen betreffen die Vorziehung der Pensionserhöhung für alle PensionistInnen spätestens ab Mitte 2022 sowie eine jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Den derzeitigen Familienzuschuss von 97 Cent pro Tag und anspruchsberechtigter Personen sehen die AntragstellerInnen als "lächerlich gering". Dieser müsse laut Dringlichem Antrag verdreifacht werden. Zur Unterstützung von Studierenden setzen sich die SozialdemokratInnen für eine Valorisierung der Studienförderung um 10% ein.

Staatssekretärin Plakolm: Große Entlastungsschritte bereits gesetzt

In Vertretung des Bundeskanzlers ging Staatssekretärin Claudia Plakolm auf den an ihn gerichteten Antrag ein. Wie sie ausführte, sei Inflation in einem gewissen Rahmen etwas Normales. Die aktuellen Entwicklungen würden diesen Rahmen jedoch bei weitem überschreiten. Dabei handle es sich um globale Vorgänge, die durch Faktoren wie geopolitische Umwälzungen, die nicht in der Hand der österreichischen Bundesregierung liegen, bedingt seien.

Österreich dürfe besonders von der Teuerung betroffene BürgerInnen, die sich zum Teil in ihrer Existenz bedroht sehen, nicht alleine lassen, so Plakolm. Diese würden auch bereits durch vielfältige Maßnahmen unterstützt. So seien mit der ökosozialen Steuerreform bereits umfassende Entlastungsschritte speziell für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen gesetzt worden. Beispielhaft nannte sie die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer, die Erhöhung des Familienbonus und den regional gestaffelten Klimabonus, die gerade diesen Personengruppen zugutekämen. Speziell niedrige Pensionen seien seit 2017 über die Inflationsrate hinaus erhöht worden. Vom im Dezember beschlossenen Teuerungsausgleich in einer Höhe von insgesamt 300 € würden sowohl Arbeitslose als auch Studierende profitieren. Zudem helfe der kürzlich vorgestellte Energiekostenausgleich akut bei der Bewältigung der aktuellen Preissteigerung in diesem Bereich. Insgesamt seien also bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um die Menschen in der gegenwärtigen Teuerungswelle nicht alleine zu lassen, resümierte Staatssekretärin Plakolm.

SPÖ: Sofortmaßnahmen liegen auf dem Tisch

Es sei eine Schande für ein wohlhabendes Land wie Österreich, dass sich viele PensionistInnen am Ende des Monats entscheiden müssten, ob sie essen oder heizen, weil sie sich nicht mehr beides leisten könnten, sagte Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). Doch auch junge Familien und arbeitende Menschen stünden durch die Teuerung unter großem Druck. Weil rasche Hilfe das Wichtigste sei, habe die SPÖ bereits im Herbst Lösungen vorgeschlagen. Ein Sofortmaßnahmenpaket liege mit dem heutigen Antrag fertig zur Umsetzung am Tisch. Die Regierung jedoch verspreche nur vieles, handle aber nicht, so Rendi-Wagner. Auch sie kritisierte, dass der Bundeskanzler nicht einmal für diese Debatte ins Parlament gekommen sei.

Alois Schroll (SPÖ) sprach von einer "Kapitulation der Regierung". Das "SPÖ-Schutzpaket" sei eine "unbürokratische und praktikable Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung". In dieselbe Kerbe schlug seine Fraktionskollegin Julia Herr. Es brauche "strukturelle Verbesserungen statt der Almosenpolitik der Bundesregierung".

ÖVP: Maßnahmen der Regierung können sich sehen lassen

Tanja Graf (ÖVP) sah dies anders. Das Gesamtpaket der Bundesregierung mit dem Teuerungsausgleich, der Aussetzung der Ökostrompauschale, dem Klimabonus, der Senkung der unteren Einkommenssteuersätze und der Erhöhung des Familienbonus könne sich sehen lassen. Ein durchschnittlicher Haushalt werde damit um 250 € entlastet, bei einkommensschwachen Haushalten betrage die Entlastung sogar 550 €. Die von der SPÖ geforderten Maßnahmen können laut Graf den bereits gesetzten Schritten nicht das Wasser reichen. Außerdem habe sich die Regierung entschlossen, jene Menschen zu unterstützen, die besonders darauf angewiesen seien, und das Geld nicht mit der Gießkanne zu verteilen.

ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl forderte Entlastungen auf allen Ebenen und kritisierte die seiner Meinung nach im Vergleich mit anderen Bundesländern zu hohen Gebührenerhöhungen im SPÖ-geführten Wien. Es sei nicht die Aufgabe der VermieterInnen, die Folgen der Teuerung zu kompensieren, erteilte Johann Singer (ÖVP) der SPÖ-Forderung nach einem weiteren Aussetzen der Indexierung der Richtwert- und Kategoriemieten eine Absage.

FPÖ übt Kritik an Österreichs Position im Ukraine-Konflikt

Für Dagmar Belakowitsch (FPÖ) setze die Regierung keine konkreten Maßnahmen. Etwaige Entlastungen durch die Steuerreform seien schon längst durch die Teuerung wieder ausgeglichen. Weil die Energiekosten einer der wichtigsten Inflationstreiber seien, kritisierte Belakowitsch auch das Vorgehen im aktuellen Ukraine-Konflikt. Der Bundeskanzler eines neutralen Landes wie Österreich hätte nicht in den Kanon einsteigen und Sanktionen gegen Russland androhen dürfen. Denn Österreich sei bei den Gaslieferungen weitaus mehr auf Russland angewiesen als Russland auf Österreich. Als konkrete Maßnahme brachte sie einen Vorschlag für ein Paket gegen die Teuerung ein, das neben einem Preismonitoring auch einen Inflationsstopp beinhaltet.

Der SPÖ-Antrag komme zwar zu spät, "aber besser spät als gar nie", betonte Peter Wurm (FPÖ). Die Freiheitlichen hätten bereits im Mai 2020 Maßnahmen gegen die Teuerung gefordert. Die FPÖ sei die einzige Partei, die sich für den Mittelstand einsetze. Erwin Angerer (FPÖ) sprach von einer "grünen Inflation" durch die verfehlte Energiepolitik der Bundesregierung.

Grüne: Entlastungsmaßnahmen von 2,4 Mrd. € wurden bereits gesetzt

Markus Koza (Grüne) warf der SPÖ vor, dass sie wider besseren Wissens behaupte, dass die Regierung nichts zum Ausgleich der Inflation unternommen habe. Er führte, wie seine ÖVP-Kollegin, Maßnahmen wie den Teuerungsausgleich, die Aussetzung der Ökostrompauschale und den Klimabonus an. All das, was die Koalition laut SPÖ angeblich nicht tue, mache insgesamt 2,4 Mrd. € an Unterstützungsleistungen aus. Was im SPÖ-Antrag gefordert werde, sei daher erfüllt bzw. übererfüllt. Die von den NEOS oft vorgeschlagene Abschaffung der kalten Progression helfe Menschen mit geringem Einkommen nicht, so Koza.

Die SPÖ gehe in ihrem Antrag nicht auf die Abhängigkeit von Öl und Gas ein, welche die Ursachen der Teuerung sein würden, kritisierte Lukas Hammer (Grüne). Es gehe nun um rasche Hilfe für einkommensschwache Haushalte sowie um die Umstellung auf heimische erneuerbare Energiequellen.

NEOS: Abschaffung der kalten Progression als Lösung

Für Gerald Loacker (NEOS) ist die "unverantwortliche Schuldenpolitik, die viele europäische Staaten über Jahrzehnte praktiziert haben" Grund für die Inflation. Den Vorschlägen der SPÖ konnte er nicht viel abgewinnen. Eine vorgezogene Pensionsanpassung etwa müssten die Jungen bezahlen, von einem Einfrieren der Richtwertmieten würden vergleichsweise wenige Personen profitieren. Die Menschen bräuchten mehr Netto vom Brutto, wiederholte Loacker die NEOS-Forderung nach einer Abschaffung der kalten Progression. Er brachte in diesem Zusammenhang auch einen Entschließungsantrag ein, mit dem er ebendiese forderte, indem die Steuertarifstufen jährlich an die Inflation angepasst werden.

Die SPÖ-Forderungen würden das Problem der Teuerung nicht lösen und das Prinzip "Gießkanne" verfolgen, hielt Karin Doppelbauer (NEOS) fest. Auch die NEOS-Abgeordnete befürwortete einmal mehr die Abschaffung der kalten Progression sowie die Senkung von Steuern, Abgaben und Gebühren. Dazu brachte Doppelbauer einen Entschließungsantrag ein, der eine Streichung der Elektrizitäts- sowie der Erdgasabgabe fordert. (Fortsetzung Nationalrat) wit/kar/med

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