Parlamentskorrespondenz Nr. 176 vom 24.02.2022

Nationalrat beschließt 75 Mio. € für Impfkampagnen in den Gemeinden und rechtliche Basis für Ausnahmezertifikate

Keine Mehrheit für geplante Prämien an die Kommunen bei Erreichen von bestimmten Impfquoten

Wien (PK) – Die Bereitstellung von 75 Mio. € an die Gemeinden zur Durchführung von Impfkampagnen, die digitale Abwicklung des Managements der Ausnahmegründe von der Impfpflicht auf Länderebene, Anpassungen bei der Ausstellung von COVID-19-Risikoattesten sowie die Verlängerung der Möglichkeit der kontaktlosen Medikamentenverschreibung ("Fernrezept") standen im Mittelpunkt von weiteren Nationalratsbeschlüssen aus dem Gesundheitsbereich, die alle mehrheitlich angenommen wurden.

Nicht beschlossen wurden die von den Regierungsfraktionen geplanten Prämien für Gemeinden zur Erhöhung der Durchimpfungsrate. Nachdem die ebenfalls vorgeschlagene Impflotterie schon im Vorfeld abgeblasen wurde, wollten ÖVP und Grüne den Kommunen Zweckzuschüsse in der Höhe rund 525 Mio. € beim Erreichen von bestimmten Impfquoten zukommen lassen; dafür hätte es jedoch aufgrund der im ursprünglichen Antrag enthaltenen Verfassungsbestimmung die Zustimmung einer Oppositionspartei gebraucht. Da dies jedoch schon im Gesundheitsausschuss nicht der Fall war, brachten ÖVP und Grüne heute einen Abänderungsantrag ein, der nur mehr die veranschlagten 75 Mio. € für die Durchführung von Impfkampagnen in den Gemeinden enthielt. Abgeordnete Verena Nussbaum (SPÖ) bezweifelte erneut, dass es überhaupt eine Verfassungsbestimmung für den Beschluss der Zweckzuschüsse gebraucht hätte. Sie vermutete ebenso wie ihr Fraktionskollege Alois Stöger, dass diese Vorgangsweise nur deshalb gewählt wurde, um der SPÖ die Schuld dafür zuweisen zu können, dass das Gesetz nicht zustande komme. Die ÖVP-VertreterInnen sahen dies naturgemäß anders und bedauerten die Haltung der SPÖ.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein verteidigte abermals die Einführung der Impfplicht. Es sei nicht auszuschließen, dass in den nächsten Monaten eine neue Corona-Variante auftauche, die noch virulenter sei als die bisherigen. Man müsse sich daher gut auf den Herbst vorbereiten und eine hohe Durchimpfungsrate anpeilen. Für die Umsetzung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes brauche es die Bereitstellung von digitalen Ausnahmezertifikaten, wie dies jetzt schon bei den Genesungs- und Impfnachweisen möglich sei. Durch den heute eingebrachten Abänderungsantrag werden nun die datenschutzrechtlichen Grundlagen geschaffen.

Keine Zustimmung fand eine Initiative der Freiheitlichen zur Verankerung und Etablierung der Komplementärmedizin im österreichischen Gesundheitswesen. Dieses Schicksal teilten auch die Entschließungsanträge der Oppositionsparteien, die im Laufe der Sitzung vorgelegt wurde. So forderte die SPÖ die Bundesregierung auf, bei Erreichung einer Impfquote von 90% an alle vollständig geimpfte Personen 500-Euro-Gutscheine zu verteilen, die bei österreichischen Betrieben eingelöst werden können. Die Freiheitlichen wiederum traten für die Vorlage eines Übergangspflege-Förderungsgesetzes ein, während die NEOS auf einen qualitätsvollen und langfristigen Ausbau der Hospiz- und Palliativangebote drängten.

Änderungen im COVID-19-Impfpflichtgesetz, Verlängerung der Zweckzuschüsse an die Länder und des Fernrezepts

Bei den mehrheitlich beschlossenen Änderungen im COVID-19-Impfpflichtgesetz geht es um die Etablierung eines sogenannten digitalen Ausnahmenmanagements auf Länderebene. Damit die Bestätigungen über Ausnahmen von der Impfpflicht ausgestellt und ins zentrale Impfregister eingetragen werden können, werden die Landeshauptleute ermächtigt, ein entsprechendes elektronisches System zur Verfügung zu stellen. Betroffene Personen sollen dort die zur Befreiung notwendigen Dokumente hochladen können. Mit der Novelle wird außerdem geregelt, dass für Personen über 18 Jahren, die nach Österreich ziehen, die Impfpflicht erst ein Monat nach Begründung des Wohnsitzes gilt. Durch einen Abänderungsantrag von ÖVP und Grünen werden nun auch die rechtlichen Grundlagen für die Erstellung der Ausnahmezertifikate geschaffen.

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde der Antrag zur Erhöhung der Inanspruchnahme von Impfungen gegen COVID-19 in der Fassung eines Abänderungsantrags angenommen. Demnach sollen die Gemeinden insgesamt 75 Mio. € für Print- und Onlinekampagnen sowie für persönliche Informationsmaßnahmen erhalten; die Mittel sollen bis 5. April überwiesen werden. Im Sinne der Transparenz soll auf allen Print- und Online-Produkten sowie Einladungen zu persönlichen Informationsmaßnahmen ein Hinweis platziert werden, dass die dafür nötigen Gelder aus der kommunalen Impfkampagne stammen.

Durch die Novellierung des ASVG und anderer Sozialversicherungsgesetze werden nicht nur Leistungsharmonisierungen, sondern auch Bestimmungen in Bezug auf die Ausstellung von COVID-19-Risikoattesten mit den Regelungen im Impfpflichtgesetz harmonisiert. Im Konkreten wird festgelegt, dass ab dem 1. April 2022 Bestätigungen über medizinische Ausnahmegründe von der COVID-19-Impfpflicht samt den entsprechenden Befunden vorgelegt und – analog zum Impfpflichtgesetz - durch eine fachlich geeignete Ambulanz, AmtsärztInnen oder EpidemieärztInnen bestätigt werden müssen. Der ebenfalls angenommene Abänderungsantrag sah unter anderem eine letztmalige Verlängerung der Preisbandregelung für Medikamente bis Ende 2023 vor. Bei den mehrheitlich angenommenen Änderungen im Telematikgesetz handelt es sich primär um die Verlängerung der Möglichkeit zur kontaktlosen Medikamentenverschreibung per Fax oder Email ("Fernrezept") bis Ende Juni 2022.

Grüne begrüßen rechtliche Grundlage für die Ausstellung digitaler Ausnahmezertifikate

Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner von den Grünen erläuterte die technischen Anpassungen im COVID-19-Impfpflichtgesetz, die u.a. eine rechtliche Klärung bezüglich der Onlineplattformen in den Ländern zum Inhalt haben. Dazu brachte er einen Abänderungsantrag ein, durch den eine gesetzliche Basis für sogenannte Ausnahmezertifikate geschaffen wird. Die Verlängerung des sogenannten Fernrezepts begründete er mit der Notwendigkeit, dass erst ab Juni eine technische Lösung über ELGA möglich sei. Der zum ASVG eingebrachte Abänderungsantrag wiederum nehme darauf Bezug, dass pandemiebedingt eine umfassende Überarbeitung der Preisbildungsregelungen im Bereich des Erstattungskodexes nicht möglich sei. Im Hinblick auf die bereits erfolgte Verlängerung der Generika- bzw. Biosimilar-Preisregelung bis Ende des Jahres 2023 soll nunmehr auch die Geltungsdauer der Preisbandregelung letztmalig für den gleichen Zeitraum verlängert werden. Wichtig war ihm auch, dass es bei "No Box"-Medikamenten einen Preisabschlag von 6,5% geben soll.

Elisabeth Götze (Grüne) stellte mit Bedauern fest, dass aufgrund der fehlenden Verfassungsmehrheit die vorgesehenen Impfprämien für jene Gemeinden, die bestimmte Quoten erreichen, nicht beschlossen werden können. Ein dazu eingebrachter Abänderungsantrag sehe daher eine Streichung dieses Punktes vor. Übrig bleibe jedenfalls die Regelung, wonach die Kommunen 75 Mio. € für die Durchführung von zielgerichteten Impfkampagnen erhalten sollen; dieses Geld werde im April ausgeschüttet. Ihre Fraktionskollegin Eva Blimlinger hielt ein Plädoyer für die wissensbasierte Medizin. Der von der FPÖ vorliegende Antrag betreffend Komplementärmedizin sei daher abzulehnen.

ÖVP wirft den SozialdemokratInnen Blockadepolitik in Sachen Impfprämien für die Gemeinden vor

Da die Pandemie ständig neue Herausforderungen bringe, müssten auch die gesetzlichen Bestimmungen kontinuierlich angepasst werden, rechtfertigte Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP) die Novelle zum Impfpflichtgesetz. So waren etwa für den Betrieb der Onlineplattformen noch datenschutzrechtliche Klarstellungen nötig. Mit Bedauern stellte sie fest, dass die geplanten Impfprämien im Ausmaß von 525 Mio. € vor allem aufgrund der "SPÖ-Blockade" nicht ausgeschüttet werden können. Es gebe aber nun zumindest die Mittel für die Durchführung von Impfkampagnen im Print- und Onlinebereich sowie von lokalen Informationsmaßnahmen, erläuterte Alexandra Tanda (ÖVP), die ebenfalls Kritik an der Haltung der SPÖ übte. Zum Antrag der FPÖ betreffend Komplementärmedizin gab Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) zu bedenken, dass unwirksame Methoden auch durch die beste Ausbildung nicht wirksam würden. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) kündigte an, dass sehr viel getan werde, um die Pflege auf neue Beine zu stellen.

SPÖ kritisiert Fortsetzung der Chaospolitik der Bundesregierung beim Pandemiemanagement

Kurz nach Beschluss des COVID-19-Impfpflichtgesetzes müsse es schon wieder geändert werden, zeigte SPÖ-Vertreterin Gabriele Heinisch-Hosek kritisch auf. Außerdem sei nicht einmal klar, in welcher Form es in Kraft treten werde. Es mussten nun nicht nur für die in den Ländern etablierten Onlineplattformen eine rechtliche Basis geschaffen werden, sondern auch Opfer und ZeugInnen von Gewalt von den Corona-Kontrollen ausgenommen werden. Die von ihrer Fraktion geforderte Einrichtung einer Expertenkommission sei zwar positiv zu bewerten, merkte sie an, sie frage sich allerdings, warum diese gerade am Weltfrauentag ihren ersten Bericht vorlegen müsse. Bedauerlich sei zudem, dass wichtige Anliegen wie etwa die dringend notwendige Erarbeitung eines Konzepts für Long Covid, die Ausweitung des Corona-Bonus oder der Ausbau der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen erneut "schubladisiert" wurden.

SPÖ-Mandatarin Verena Nussbaum ging noch einmal auf das Thema Impfanreize ein und sprach diesbezüglich von einer Fortsetzung der Chaospolitik der Bundesregierung. Sie stellte zudem mit aller Deutlichkeit klar, dass es nie die Idee der SPÖ gewesen war, eine Impflotterie einzuführen. Ihre Fraktion habe sich immer für Impfgutscheine eingesetzt. Dies brachte sie auch in einem entsprechenden Entschließungsantrag zum Ausdruck.

FPÖ sieht dringenden Handlungsbedarf im Pflegebereich und fordert ausreichende finanzielle Unterstützung der pflegenden Angehörigen

Auch FPÖ-Mandatar Peter Wurm machte darauf aufmerksam, dass das Impfpflichtgesetz schon kurz nach seinem Inkrafttreten wieder repariert werden müsse. Dabei sei es dem Engagement der FPÖ zu verdanken, dass nun im Wege eines Abänderungsantrags klargestellt werde, dass die "alten" Impfbefreiungen auch weiterhin gelten. Wenig abgewinnen konnte er den Zuwendungen an die Gemeinden für die Durchführung von Impfkampagnen, weil damit insgesamt 75 Mio. € für "Propagandazwecke" ausgeschüttet würden. Außerdem sollten die Kommunen ursprünglich über eine halbe Milliarde € für Impfprämien erhalten. Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ) wies darauf hin, dass mittlerweile sogar die Gecko-Kommission bestätigt habe, dass die Corona-Impfungen nicht dauerhaft wirken sollen. Es würde sich zudem immer mehr zeigen, dass die Impfung massivste Nebenwirkungen habe, stellte sie unter Bezugnahme auf aktuelle Todesfälle von jungen Menschen fest.

Sie habe den Eindruck, dass der Gesundheitsminister die Sorgen und Ängste der Menschen nicht kenne, da so viele wichtige Gesundheitsthemen auf die lange Bank geschoben werden, beklagte Abgeordnete Rosa Ecker (FPÖ). Ein besonderes Anliegen war ihr die längst überfällige Pflegereform, wo es dringenden Handlungsbedarf gebe. Dazu brachte sie auch einen Entschließungsantrag ein, der einen Forderungskatalog zur Förderung der Übergangspflege enthielt.

NEOS: Kritik am kurzfristig eingebrachten Abänderungsantrag zur Festlegung der Medikamentenpreise

Massive Kritik an der Arbeitsweise der Regierungsfraktionen übte NEOS-Vertreter Gerald Loacker, da in den kurzfristig eingebrachten Abänderungsanträgen mehr Substanz stecke als in den eigentlichen Tagesordnungspunkten. Als Beispiel führte er an, dass im Impfpflichtgesetz nun eine neue Datenbank etabliert werde; diese Bestimmung hätte man aber im Vorfeld dem Datenschutzrat zur Stellungnahme vorlegen müssen. Aus seiner Sicht besonders bedenklich seien die Vorschläge zur Novellierung der Sozialversicherungsgesetze, bei denen es um die Definition der gesetzlichen Grenzen für die Medikamentenpreise geht. Für "No Box"-Medikamente, also jene, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind, werde jetzt nämlich ein Abschlag von 6,5% vom EU-Durchschnittspreis eingeführt, zeigte Loacker auf. Dies könne aus seiner Sicht nur als Ausdruck einer feindlichen Einstellung gegenüber den Pharmafirmen interpretiert werden. Außerdem werde damit auf dem Rücken der PatientInnen gespart, die nicht mehr Zugang zu den modernsten Therapien haben werden, befürchtete er. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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