Parlamentskorrespondenz Nr. 248 vom 09.03.2022

Wissenschaftsausschuss debattiert über Qualitätssicherung von Hochschulen und Studierendenanliegen

Polaschek: Universitäten bemühen sich um Hilfe für Betroffene des Ukrainekriegs

Wien (PK) — Zwei Tätigkeitsberichte von Einrichtungen, die im Hochschulbereich tätig sind, standen auf der Tagesordnung des heutigen Wissenschaftsausschusses. Die Abgeordneten nahmen sowohl den Tätigkeitsbericht 2020 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) als auch den Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende einstimmig zur Kenntnis.

Eine Reihe von Anträgen der Opposition zu Hochschulthemen wurden teils vertagt, teils abgelehnt.

Wissenschaftsministerium und Universitäten reagieren auf Ukrainekrieg

Wissenschaftsminister Martin Polaschek nahm die Gelegenheit wahr, um in einer einleitenden Stellungnahme auf die aktuelle politische Lage einzugehen, die sich aus dem Angriff Russlands auf die Ukraine ergeben hat und die sich auch auf Wissenschaft und Forschung in Österreich auswirkt. In Absprache mit den öffentlichen Universitäten und der HochschülerInnenschaft seien bereits erste Hilfsmaßnahmen für ukrainische Studierende auf den Weg gebracht worden, weitere würden folgen, teilte Polaschek den Abgeordneten mit. Dazu gehöre, dass Studierenden aus der Ukraine, die Drittstaatsangehörige sind, Unterstützung finden. Es sei vereinbart, dass einzelne EU-Staaten sich jeweils um eine bestimmte Gruppe kümmern, Österreich etwa um Studierende aus Marokko und Algerien. Er habe aufgrund der derzeitigen Situation den österreichischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen empfohlen, ihre Zusammenarbeit mit russischen Einrichtungen bis auf Weiteres ruhen zu lassen, teilte der Minister mit.

Während die Abgeordneten aller Fraktionen positiv auf die Hilfen für Studierende reagierten, wurde die Sinnhaftigkeit eines Stopps der Kooperation mit russischen Hochschulen mehrfach angezweifelt. Die NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter und Martina Künsberg Sarre sowie Eva Blimlinger (Grüne), Andrea Kuntzl (SPÖ) und Ausschussobmann Martin Graf (FPÖ) vertraten die Ansicht, dass es sinnvoller sei, den Dialog mit Russland auf wissenschaftlicher Ebene offen zu halten. Damit könne man kritische Kräfte stärken, die es gerade im Wissenschaftsbereich auch in Russland gebe.

Bundesminister Polaschek verwies darauf, dass die EU-Kommission sich auf Sanktionen im Bereich Wissenschaft und Forschung festgelegt habe. Er habe seine Empfehlung vor dem Hintergrund der Tatsache ausgesprochen, dass sich die russische Rektorenkonferenz klar hinter den Kriegskurs von Präsident Putin gestellt habe. Daher solle es aus seiner Sicht bis auf Weiteres keine Zusammenarbeit mit russischen Hochschuleinrichtungen geben. Individuelle wissenschaftliche Kontakte müssten im Einzelfall betrachtet werden, meinte der Wissenschaftsminister. Dass es bedenkliche Großspenden von so genannten Oligarchen aus Russland oder der Ukraine an österreichische öffentliche Universitäten gegeben habe, könne er aufgrund der Transparenzverpflichtungen der Hochschulen ausschließen, meinte Polaschek in Richtung des Abgeordneten Brandstätter.

AQ Austria: Qualitätssicherungsverfahren konnten an COVID-19-Bedingungen adaptiert werden

Für Auskünfte zu aktuellen Herausforderungen der externen Qualitätssicherung des österreichischen Hochschulraums stand Geschäftsführer Jürgen Petersen den Abgeordneten des Wissenschaftsausschusses zur Verfügung. Grundlage der Debatte war der Tätigkeitsberichts 2020 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) (III-474 d.B.). Peterson unterstrich, dass die AQ Austria seit dem Jahr 2020 besondere Herausforderungen zu bewältigen habe, da es angesichts der COVID-19-Pandemie galt, die Durchführung von Verfahren auch unter stark veränderten Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Zudem habe die Agentur in ihrer Arbeitsweise auf eine Reihe von neuen gesetzlichen Vorgaben reagieren müssen. Dabei sei aber die Zahl der Qualitätssicherungsverfahren im Berichtsjahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres geblieben und es habe keine auffälligen Verzögerungen beim Abschluss der Verfahren gegeben, merkte Petersen an. Soweit es möglich war, habe man auch bei Audits Online-Instrumentarien eingesetzt. Die flexiblen, kurzfristigen Umstellungen seien nur aufgrund des starken Engagements der MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle möglich gewesen, betonte er.

Petersen ging auch auf Detailfragen von Abgeordneten ein. Abgeordneter Rudolf Taschner (ÖVP) sprach die Qualitätssicherung für Pädagogische Hochschulen an. Die AQ Austria sehe die Audits von 14 Pädagogischen Hochschulen als Chance, neue Akzente zu setzen, versicherte Petersen. Die Agentur habe ihre Bestimmungen bereits an den neuen Aufgabenbereich angepasst und werde heuer die ersten Audits durchführen. Andrea Kuntzl (SPÖ) erfuhr zur Frage der Gewinnung von GutachterInnen für die Agentur, die AQ Austria habe einen Pool sehr qualifizierter Personen für diese Tätigkeit aufbauen können. Bei Audits werde darauf geachtet, ausgewogene Teams zusammenzustellen, erklärte Petersen. Das Thema der Studierbarkeit sei ein wichtiger Punkt in Akkreditierungsverfahren, erfuhr die Abgeordnete außerdem. Eva Blimlinger (Grüne) erkundigte sich nach dem Stellenwert von informellem Lernen und Microcredentials in der Arbeit der Agentur. Petersen verwies darauf, dass die AQ Austria seit Längerem in mehreren Projekten mit diesem Thema aktiv befasst sei und die Hochschulen auch dazu berate. Die Empfehlungen, die in einem Prüfbericht des Rechnungshofs enthalten seien, habe die AQ Austria zu einem großen Teil bereits umgesetzt oder setze sie sich mit ihnen auseinander, teilte er Abgeordneter Martina Künsberg Sarre (NEOS) mit. Es gebe aber auch Punkte, in denen sich die Agentur anders positioniere, etwa wenn es um den Ablauf von Qualitätssicherungsverfahren gehe. Die Übernahme der Vorschläge des Rechnungshofs würden diesen einen anderen Charakter geben, betonte der Geschäftsführer der AQ Austria.

Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle für Studierende 2020/21 zeigt pandemiebedingten Höchststand an Anliegen

Der Wissenschaftsausschuss behandelte weiters den jährlichen Bericht der Ombudsstelle für Studierende im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) zum akademischen Jahr 2020/21 (III-528 d.B.). Der Bericht gibt Auskünfte über die an sie gerichteten Studierendenanliegen in Zusammenhang mit dem Studien-, Lehr-, Prüfungs-, Service- und Verwaltungsbetrieb an hochschulischen Bildungseinrichtungen sowie an Einrichtungen, die mit Studierendenthemen befasst sind. Laut der Ombudsstelle zeigen die eingebrachten Anliegen, dass die Pandemie 2020 und 2021 merkliche Auswirkungen auf den Studienbetrieb hatte. Problemfelder, die pandemiebedingt deutlicher in den Vordergrund rückten, waren demnach Online-Prüfungen, Auslandsstudien und Studierendenheime. Im Studienjahr 2020/21 verzeichnete die Ombudsstelle mit insgesamt 837 zudem einmal mehr einen Anstieg der Zahl der Anliegen, die innerhalb eines Jahres an sie herangetragen wurden, führte Leidenfrost aus. In der Liste der häufigsten Themen standen wie schon in den Vorjahren Fragen der Studienbedingungen klar an erster Stelle. Weitere häufige Themen waren die Zulassung zum Studium und Probleme mit der Studienbeihilfe. Auch Anfragen betreffend die akademischen Grade und die Anerkennung bzw. Anrechnung von Leistungen wurden in hoher Zahl an die Ombudsstelle herangetragen.

Der Bericht enthält auch zahlreiche Empfehlungen an den Gesetzgeber und die Hochschulen, die von den Abgeordneten zum Anlass von Fragen genommen wurde. Künsberg Sarre (NEOS) und Andrea Kuntzl (SPÖ) sprachen die Frage der Studienbeihilfe an, die zuletzt 2017 erhöht wurde. Minister Polaschek teilte ihnen mit, dass das Ressort bereits an einer Novelle arbeite, die zwei Eckpunkte enthalten solle, nämlich die Aufstockung der Studienförderung und die Ausweitung des BezieherInnenkreises. Katharina Kucharowits (SPÖ) verwies auf die Empfehlungen, die von der Ombudsstelle zu Studierendenheimen formuliert wurde. Sie erfuhr von Minister Polaschek, dass es bereits Gespräche mit Heimträgern gebe. Die Frage, ob das Ministerium angesichts der Wohnungsproblematik und steigender Mietkosten daran denke, die Wohnbauförderung von Studierendenheimen wiedereinzuführen, beschied Polaschek abschlägig. Derzeit sehe er keine Veranlassung dazu, da es genug Bauträger gebe, die bereit seien, Heime zu errichten.  

Petra Oberrauner (SPÖ) wies auf die Zunahme der Anliegen hin, die an die Ombudsstelle herangetragen werden, und wollte wissen, ob eine Personalaufstockung geplant sei. Wissenschaftsminister Martin Polaschek betonte, dass sein Ressort diese überlege, falls die Nachfrage nach Beratung anhalte. Der Wissenschaftsminister nützte die Gelegenheit, um Ombudsmann Josef Leidenfrost, der Ende März seine Tätigkeit beendet, für sein langjähriges Engagement und seinen unermüdlichen Einsatz für Anliegen der Studierenden zu danken. Dem Dank schlossen sich die Abgeordneten aller Fraktionen an. Die Ombudsstelle habe sich ungeachtet anfänglicher Widerstände gegen ihre Einrichtung in den vergangenen zwei Jahrzehnten etablieren können und hohe Anerkennung erworben, betonte auch Ausschussobmann Martin Graf (FPÖ).

SPÖ fordert Forschung zu Long-COVID

Aus Sicht der SPÖ-Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner ist die Datenlage zur Behandlung der Long-COVID-Erkrankung noch unzureichend. Sie forderte daher mehr Forschung in diesem Bereich (2306/A(E)). Konkret ging es ihr um einen Call für Projekte zur Erforschung von Long-COVID und um das Forcieren interdisziplinärer Forschung.

Eva Blimlinger (Grüne) verwies auf zahlreiche Forschungsprojekte, die bereits im Gange seien, was auch vom Wissenschaftsminister bestätigt wurde. Josef Smolle (ÖVP) betrachtete einen thematischen Call als nicht zielführend. Mittlerweile gebe es breites Wissen zu den Auswirkungen von COVID-19, erörterte er. Philip Kucher (SPÖ) forderte, Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen und auch die Zusammenarbeit der Ressorts zu verbessern. NEOS wie FPÖ sahen noch weiteren Bedarf an Daten zu Langzeitfolgen von COVID-19. Der Antrag wurde schließlich vertagt.

FPÖ will COVID-19-Sondervorschriften an Hochschulen beenden

Die FPÖ fordert das Ende der hochschulrechtlichen Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz) (2328/A). Die NEOS stimmten mit der FPÖ für den Antrag, der in der Minderheit blieb.

Abgeordneter Smolle (ÖVP) argumentierte, die Unterschiede zwischen den Institutionen würden auch eine unterschiedliche Handhabung der COVID-19-Vorschriften rechtfertigen. Er sei vorsichtig optimistisch, was den Verlauf der Pandemie betreffe. Aus Sicht des Wissenschaftsministeriums bilden die Vorschriften einen klaren Rechtsrahmen im Interesse der Studierenden und sind daher gerechtfertigt.

Soziale Lage von Studierenden wird im Sommersemester 2023 erhoben

NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre will sicherstellen, dass die fortgesetzte Digitalisierung und die finanziellen Folgen der COVID-19-Pandemie nicht zu einer Verstärkung von Ungleichheiten beim Bildungszugang führen. Die NEOS forderten daher mittels Entschließungsantrag eine vertiefende Studie zum Thema. Diese soll die Auswirkungen der Umstellung auf Distance-Learning an den Hochschulen sowie die finanziellen Folgen der Pandemie auf den Kompetenzerwerb und die Bildungschancen von Studierenden erforschen (2193/A(E)). Dies fand auch Anklang bei SPÖ und FPÖ. Die Freiheitliche Abgeordnete Rosa Ecker wollte zudem den Bildungsstand evaluieren.

Laut Wissenschaftsminister Polaschek findet laufend Begleitforschung zu COVID-19 statt. Eine Studie zur sozialen Lage von Studierenden werde bereits vorbereitet, Befragungen dazu würden im Sommersemester 2023 erfolgen, sagte er. Die Studie gehe auch auf COVID-19 ein, daher würde die Umsetzung des Antrags zu Doppelgleisigkeiten führen, begründete Josef Smolle (ÖVP) die Ablehnung des Antrags durch die Koalitionsfraktionen.

SPÖ und FPÖ fordern Schritte gegen Ärztemangel

Vertagt wurde ein Antrag des SPÖ-Abgeordneten Philip Kucher zu Maßnahmen gegen den ÄrztInnenmangel in Österreich (1972/A(E)). Ebenso erging es einem Antrag des Abgeordneten Martin Graf, der die Forderung nach einer Verdoppelung der Zahl der Medizin-Studienplätze enthält (221/A(E)). Kucher argumentierte dafür, die Aufstockung an einen Kassenvertrag zu koppeln, um dem Abgang von Studierenden entgegenzuwirken.

Österreich sei im medizinischen Bereich grundsätzlich ein Bildungsexporteur, führte Smolle (ÖVP) aus. Die Frage sei daher nicht allein mit Ausbildungsplätzen zu lösen. Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, müsse der Standort Österreich attraktiver werden, befand Blimlinger (Grüne). Künsberg Sarre (NEOS) schloss sich den Regierungsparteien an und meinte, es handle sich hier um eine Attraktivierungsfrage, nicht um ein Ausbildungsthema.

Ausschussvorsitzender Graf (FPÖ) will das Thema trotz neuerlicher Vertagung regelmäßig auf die Tagesordnung bringen, um auf den Ärztemangel aufmerksam zu machen. Auch eine moderate Anhebung der Zahl an Studienplätzen sei nicht ausreichend, um das Pensionsloch durch die bevorstehende Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge auszugleichen, warnte er.

Ein FPÖ-Antrag auf eine umgehende Erhöhung der Fachhochschul-Fördersätze (652/A(E)) fand nur die Zustimmung der Oppositionsfraktionen und wurde damit abgelehnt.

NEOS für elektronischen Studierendenausweis

Martina Künsberg Sarre (NEOS) setzte sich für die flächendeckende Einführung eines elektronischen Studierendenausweises an österreichischen Hochschulen ein. Während der Pandemie sei es vermehrt zu Problemen mit der Identitätsfeststellung der Studierenden bei Prüfungssituationen gekommen, argumentierte sie. Zudem wäre es auch im Sinne der fortschreitenden Digitalisierung der Hochschulen wünschenswert (2254/A(E)).

Konzeptionsarbeiten dazu laufen bereits, erfuhren die Abgeordneten aus dem Wissenschaftsministerium. Eine Projektgruppe im Innenministerium sei mit den rechtlichen Fragen betraut. Laut Nico Marchetti (ÖVP) soll Ende 2022 bzw. im ersten Quartal 2023 mit der Ausgestaltung begonnen und operative Lösungen gesucht werden. Zur gesetzlichen Ausgestaltung will Marchetti mit den NEOS zu einem späteren Zeitpunkt das Gespräch suchen. Auch Eva Blimlinger (Grüne) begrüßte das Anliegen, sah aber Schwierigkeiten der Umsetzung aufgrund der Hochschulautonomie. Die meisten Universitäten hätten bereits eigene elektronische StudentInnenausweise, weshalb Lösungen für die Zusammenführung der unterschiedlichen Systeme gefunden werden müssten. Der Antrag wurde von den Koalitionsparteien vertagt. (Schluss Wissenschaftsausschuss) sox/gla