Parlamentskorrespondenz Nr. 326 vom 30.03.2022

Strategie gegen Antisemitismus: Umsetzung läuft

Bundeskanzleramt legt Bericht über Maßnahmen zur Sicherung jüdischen Lebens in Österreich vor

Wien (PK) - In ihrem Bericht über die Umsetzung der 2021 beschlossenen Nationalen Strategie gegen Antisemitismus (III-594 d.B.) bekräftigt die Regierung ihr Bestreben, den Fortbestand von jüdischem Leben in Österreich langfristig abzusichern. Dazu sei Antisemitismus in all seinen Formen einzudämmen und ein Bewusstsein für das Erkennen von alltäglichem Antisemitismus zu schaffen, heißt es mit Verweis auf die historische Verantwortung Österreichs, zumal hierzulande eine offene Auseinandersetzung mit der Shoah als dem dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte lange Zeit gescheut wurde.

In seinen einleitenden Worten zum Antisemitismus-Bericht 2021 weist der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich (IKG) Oskar Deutsch auf den besorgniserregenden Anstieg antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Jahren hin. Die Anzahl der Sachbeschädigungen und Massenzuschriften im 1. Halbjahr 2021 lag mit 58 (2020: 53) bzw. 154 (2020: 135) bereits über jener des gesamten vorangegangenen Jahres. Überdies gab es im 1. Halbjahr 2021 acht physische Angriffe, 2020 waren es insgesamt elf gewesen. Dazu kommt die vermehrte Verbreitung judenfeindlicher Stereotype und revisionistischer Geschichtsbilder im Internet und bei Demonstrationen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.

Maßnahmen gegen Antisemitismus

Als Basis für die Verhütung und Bekämpfung von Antisemitismus durch Staat und Zivilgesellschaft verabschiedete Österreich im Jänner 2021 die Nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS). Die EU-Kommission präsentierte im Oktober des Vorjahres die erste EU-Strategie gegen Antisemitismus. Zu den Maßnahmen im Vorgehen gegen Antisemitismus in Österreich zählen laut Bericht Initiativen im Bildungs- und Integrationsbereich ebenso wie Vorkehrungen zum Schutz jüdischer Gemeinschaften und eine effektive Strafverfolgung. Überdies soll ein gesamtgesellschaftlicher Austausch der staatlichen und privaten Institutionen zur Verhütung von Antisemitismus sichergestellt werden. Auf europäischer Ebene wird zur besseren Vergleichbarkeit eine Vereinheitlichung der Dokumentation antisemitischer Vorfälle und Delikte in den Mitgliedstaaten angestrebt.

Unter den strukturellen Maßnahmen Österreichs nennt der Bericht die Einrichtung der Stabstelle Österreichisch-Jüdisches Kulturerbe, zu dessen Sicherung der Nationalrat sich mit einstimmigem Gesetzesbeschluss bekannte. In der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll gemäß Leistungsvereinbarung mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) ein Zentrum für Antisemitismusforschung entstehen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung über Antisemitismus hat das Parlament eine weitere umfassende empirische Erhebung zum Thema beauftragt.

Bildung gegen Antisemitismus

Den Erfolg von antisemitischen Verschwörungserzählungen, wie sie etwa rund um die Corona-Pandemie entstanden, führt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler auf ihre einfachen Erklärungen für komplexe Probleme zurück, indem konkrete Gruppen wie Jüdinnen und Juden als Sündenböcke benannt werden. Besonders in Onlineforen  erreichen derartige Fake News vielfach Breitenwirkung. Bildung, Ausbildung und Forschung stellen somit einen Stützpfeiler für die Strategie gegen Antisemitismus dar. So wurde in der polizeilichen Aus- und Fortbildung ein Seminar zum Thema "Antisemitismus-Früherkennung-Sensibilisierung" eingeführt. Postuliert werden in der Strategie gegen Antisemitismus zudem entsprechende Weiterbildungsangebote für Pädagoginnen und Pädagogen sowie  Lehrende, auch im außerschulischen Bereich, wie in der Jugendarbeit und Elternbildung. Die verpflichtenden Werte- und Orientierungskurse des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) werden ab heuer um ein Modul zur Sensibilisierung für Formen von Antisemitismus erweitert. Ziel dabei ist die obligatorische Auseinandersetzung von Asylsuchenden und subsidiär Schutzbedürftigen mit dem Thema.

Niemals vergessen für die Zukunft

Im Mai 2021 erfolgte der Ankauf der noch vorhandenen Teile des KZ-Außenlagers Gusen durch den Bund. Die Eröffnung der neuen österreichischen Länderausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau fand am 4. Oktober 2021 statt, gefolgt von der durch Österreich initiierten Annahme der Erklärung gegen Antisemitismus im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Auf Initiative des aus Österreich stammenden Holocaust-Überlebenden Kurt Yakov Tutter wurde am 9. November 2021 die Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte im Wiener Ostarrichipark eröffnet. Darauf werden die Namen der knapp 65.000 dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallenen jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich sichtbar gemacht.

Zum Phänomen Antisemitismus heißt es im Bericht, es existiere in unterschiedlicher Ausprägung in allen extremistischen Erscheinungsformen – auch über ideologische Grenzen hinweg. Der rassistische Antisemitismus als ideologische Grundlage nationalsozialistischer Judenvernichtung werde heute oft durch antiisraelischen bzw. antizionistischen Antisemitismus überlagert. Angesichts der weltweiten Entwicklung und nicht zuletzt aufgrund anhaltender Aufrufe zur Vernichtung des Staates Israel und Morddrohungen gegenüber jüdischen Personen von Seiten islamistischer Netzwerke und Gruppierungen sei von einer erhöhten Gefährdung exponierter jüdischer beziehungsweise israelischer Personen und Einrichtungen in Österreich auszugehen. (Schluss) rei