Parlamentskorrespondenz Nr. 410 vom 26.04.2022

Concordia-Preise gehen an Paul Lendvai, Martin Thür und Christa Zöchling

Auszeichnungen für herausragende publizistische Leistungen im Parlament verliehen

Wien (PK) – Paul Lendvai für sein Lebenswerk, Martin Thür zur Pressefreiheit, Christa Zöchling bei den Menschenrechten - für herausragende publizistische Leistungen wurden heute Abend die diesjährigen Concordia-Preise im Parlament in der Hofburg verliehen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hatte gemeinsam mit dem Presseclub Concordia, der diese Auszeichnungen einmal pro Jahr vergibt, zur Verleihung eingeladen.

Sorgsamkeit für und Unantastbarkeit des freien Journalismus rückte Nationalratspräsident Sobotka als zentrale Aspekte der heutigen Veranstaltung in den Fokus. Die hohe Verantwortung der journalistischen Arbeit umfasse unter anderem die Unterscheidung zwischen "Fakt und Fake" und auch Persönlichkeitsrechte zu wahren, etwa, was das Thema mediale Vorverurteilung anbelangt. Insbesondere betreffend die editoriale Verantwortung gilt es aus Sicht des Nationalratspräsidenten, eine Gleichstellung traditioneller Medien und digitaler Plattformen zu erreichen. Gerade auch gegenüber Fake News und Hass im Netz, die zu bekämpfen seien, müsse die freie Presse auch für künftige Generationen abgesichert werden.

Ebenso wie Sobotka sprach die Juryvorsitzende, ehemalige Dritte Nationalratspräsidentin Heide Schmidt, vom Parlament als "Herz der Demokratie", wo diese Veranstaltung heute stattfinde. Kritisch warnte sie allerdings vor einer Aushöhlung der Kontrollinstrumente des Parlaments beim Thema Unbefangenheit und sprach damit den Nationalratspräsidenten direkt an. Was die Wahl der beiden PreisträgerInnen in der Kategorie Pressefreiheit und Menschenrechte betrifft, sei diese letztlich klar ausgefallen, so Schmidt. So setze sich Christa Zöchling seit Jahren dafür ein, betreffend Menschenrechte Bewusstsein zu schaffen. Martin Thür habe eindrücklich beweisen, was er unter dem Kontrollauftrag des Journalismus verstehe.

Der Präsident des Presseclub Concordia, stellvertretender Chefredakteur der Salzburger Nachrichten Andreas Koller hielt fest, dass es von einem hohen demokratischen Niveau spreche, dass KritikerInnen in diesem Haus geehrt werden und sich damit PolitikerInnen dieser Kritik stellen. Auch wenn es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass das Parlament den BürgerInnen gehört, sei das nicht überall so.

PreisträgerInnen für Menschenrechte, Demokratie und Presse- und Informationsfreiheit

Als "lebende Legende", wie JournalistInnen ab einem gewissen Alter als Weiterentwicklung einer "Legende" manchmal bezeichnet würden, nahm der Journalist, Autor und Kommentator Paul Lendvai den Ehrenpreis für sein Lebenswerk entgegen. Von "maximaler Freiheit" im Zusammenhang mit Pressefreiheit berichtete er etwa zu seiner Tätigkeit als Kommentator für die Tageszeitung Der Standard oder zu seinen Jahren beim ORF. Ohne die großartigen Berufe in der Berichterstattung bzw. ohne Schreibende wäre die Gesellschaft "blind und taub und eine leicht lenkbare Masse für jene, die mit Zudeckungsjournalismus eine Zeit des starken Mannes vorbereiten wollen", hob Lendvai die Bedeutung des Journalismus hervor.

Mit den vielzähligen Preisen, die Paul Lendvai bereits verliehen bekommen habe, sei dieser mit dem Concordia-Preis nunmehr wohl nahezu "ausdekoriert", rühmte ihn ZIB2-Anchorman Armin Wolf in seiner Laudatio. Kein Kommentator sehe die Entwicklungen im Osten Europas klarer und kompetenter als Lendvai, der für Österreich die benachbarten und damals doch so weit entfernten Länder im Osten näher gebracht habe. Österreich verdanke ihm seit sechs Jahrzehnten einen weltoffenen, weitblickenden und internationalen Journalismus, der sich an den Weltbesten messe.

Fernsehjournalist und ZIB2-Moderator Martin Thür wurde für seine Recherchen und Transparenz-Klagen zu Gehaltsfortzahlungen von PolitikerInnen und zu Corona-Hilfen ausgezeichnet. Mit den Ergebnissen daraus habe Thür für alle Medien etwas erkämpft und ein neues Instrument für alle JournalistInnen geschaffen, betonte Cathrin Kahlweit, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, in ihrer Laudatio. Sie kritisierte, dass sich Österreich im Ranking für Informationszugang in den hintersten Reihen befinde und es bei dieser Art "gemütlicher" Intransparenz auch nach Missbrauch rieche. Darum sei es umso wichtiger, dass jemand wie Thür den ganzen Weg gehe und sich nicht abwimmeln und einschüchtern lasse, bezeichnete Kahlweit Thür als Kämpfer für seinen Beruf, für die Berufsehre, für die Pressefreiheit und damit für die Demokratie in Österreich.

Martin Thür wies einerseits auf den harten Weg hin, dass es notwendig geworden sei, den Staat zu verklagen, um in dem betreffenden Bereich an die gewünschten Informationen zu kommen. Bezugsfortzahlungen seien jahrzehntelang eine Blackbox geblieben und die Politik schütze ihre schlampigen Verhältnisse. Schlampige Regeln, konkret was Besetzungen mit WunschkandidatInnen seitens aller Parteien betrifft, ortet Thür auch im ORF. Führungsfunktionen im öffentlich-rechtlichen Sender sollten nicht an die gehen, die einer Partei möglichst nahe stehen, sondern an jene, die allen Parteien möglichst distanziert gegenüberstehen, so Thür. Nicht Nähe, sondern Distanz zeichne Journalismus aus.

Der ethische Standard der Distanz verliere jedoch bei existenziellen Notlagen und bei Menschenrechten seine Berechtigung, führte in ihrer Laudatio für Christa Zöchling die Journalistin und frühere Pressesprecherin des UNHCR, Melita Šunjić, ins Treffen. Ihre Reportage "Der Hölle entrissen" machte die profil-Redakteurin Zöchling zur Preisträgerin in der Kategorie Menschenrechte. Šunjić maß vor allem der dreifachen Leistung der Reportage Bedeutung zu. Sowohl das Verfassen einer herausragenden Reportage, als auch, dass Zöchling eine Rolle als Akteurin eingenommen und eine Rettungskette für die Familie bzw. die Richterin in Afghanistan in Gang gesetzt habe. Zudem habe sie die österreichische Flüchtlingspolitik entlarvt, als die Evakuierung nach Luxemburg gelungen sei.

Aus Sicht von Zöchling ist die Reportage in Summe auch ein Stück Aufklärung geworden. Zugleich warf sie die Frage auf, wie der Grundsatz, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren seien, in den Alltag und in die Politik tatsächlich integriert würde. In Luxemburg sei die Aufnahme der Frauen gelungen, weil der dortige Außenminister "nicht nachrechne", sondern handle, wenn er von Frauen in Todesangst höre, die sich in einem Keller versteckt gehalten haben.

Die Preise der heutigen Verleihung stellten die Privatstiftung Dr. Strohmayer (Pressefreiheit), die Bank Austria (Menschenrechte) sowie die Firma Swarovski (Ehrenpreis) zur Verfügung. Die Preisverleihung wurde via Livestream übertragen und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar. (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos von der Preisverleihung finden Sie auf der Website des Parlaments.