Parlamentskorrespondenz Nr. 450 vom 04.05.2022

Nominierte für Simon-Wiesenthal-Preis im Parlament präsentiert

Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust wird heuer erstmals vergeben

Wien (PK) – Vier Zeitzeug:innen und sechs Initiativen sind auf der Shortlist für den Simon-Wiesenthal-Preis, der heuer erstmals für besonderes zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust vergeben wird. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sowie der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich Oskar Deutsch haben heute, Mittwoch, die Nominierten präsentiert. Die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises findet am 11. Mai um 19.30 Uhr im Großen Redoutensaal im Parlament in der Hofburg statt.

Sobotka: Kampf gegen Antisemitismus muss in demokratischer Kultur verankert werden

"Ziel des Simon-Wiesenthal-Preises ist es, die engagierte Zivilgesellschaft vor den Vorhang zu holen und damit auch ein Beispiel zu geben, dem hoffentlich viele weitere Menschen folgen", sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Der Preis soll das Andenken an den Architekten, Publizisten und Schriftsteller Simon Wiesenthal ehren, der es sich nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen zur Lebensaufgabe machte, NS-Verbrecher:innen aufzuspüren und vor Gericht zu bringen.

Auch heute sei der Kampf gegen Antisemitismus noch Teil der besonderen historischen Verantwortung Österreichs, so Sobotka, auf dessen Initiative der Preis ins Leben gerufen wurde. Er betonte, dass es nicht Aufgabe der jüdischen Gemeinschaft sei, sich gegen Antisemitismus zu engagieren, sondern vor allem Aufgabe der Nicht-Jüdinnen und –Juden. Er sieht es als Auftrag des Parlaments, die Einstellungen in der Bevölkerung zu adressieren, damit der Kampf gegen Antisemitismus in der demokratischen Alltagskultur verankert werde. Der beim österreichischen Parlament eingerichtete Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wird den Simon-Wiesenthal-Preis daher künftig jährlich vergeben.

Lessing betont bemerkenswert hohes Interesse in Österreich und international

284 Bewerbungen aus 31 verschiedenen Ländern seien von Mitte August bis Ende September 2021 eingereicht worden, berichtete die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing. Die Zahl der Bewerbungen zeige, dass das Interesse sowohl in Österreich als auch international bemerkenswert hoch gewesen sei. Teilnehmen konnten beispielsweise Privatpersonen, Forschende, Initiativen von Bürger:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs. Von den 274 gültigen Einreichungen waren 175 Eigenbewerbungen, in 99 Fällen wurden die Bewerber:innen von anderen vorgeschlagen. Die jüngste Person, die sich für den Preis beworben hat, ist 17 Jahre alt, die älteste Person 98 Jahre. Die Einreichungen zeigen ein breites Spektrum an Projekten, von Einzelaktionen bis zu laufenden Aktivitäten, und machen das Engagement sichtbar, das es gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust gebe, so Lessing.

Dotiert ist der Preis jährlich mit 30.000 €, wobei 15.000 € auf den Hauptpreis und jeweils 7.500 € auf den Preis für Engagement gegen Antisemitismus und den Preis für Engagement für Aufklärung über den Holocaust entfallen. Eine Jury bestehend aus Wissenschafterinnen und Vertretern der jüdischen Community hat die Shortlist erstellt, auf deren Basis das vom Nationalratspräsidenten geleitete Kuratorium entscheidet. Es sei keine leichte Entscheidung für die Jury gewesen, berichtete die Generalsekretärin des Nationalfonds.

Deutsch: Nennung auf der Shortlist ist bereits eine Auszeichnung

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich Oskar Deutsch betonte, dass alle Nominierten großartige Arbeit leisten. Aus seiner Sicht sei allein die Nennung auf der Shortlist schon eine Auszeichnung. Die Nominierten engagieren sich mit vielen weiteren für eine starke, offene und vielfältige Demokratie. Deutsch rief alle Menschen dazu auf, etwas gegen Antisemitismus zu unternehmen – ob in der Straßenbahn, am Sportplatz oder am Stammtisch.

Für den Preis für zivilgesellschaftliches Engagement für Aufklärung über den Holocaust sind drei Initiativen nominiert, die sich der Dokumentation und Sichtbarmachung sowie dem Gedenken an den Holocaust widmen. Die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz erfasst Akten der österreichischen Justiz zum Umgang mit den NS-Verbrechen. Das Projekt RE.F.U.G.I.U.S. widmet sich der Sichtbarmachung der Todesmärsche ungarischer Jüdinnen und Juden. Die soziale Initiative Zikaron BaSalon bietet eine persönliche Möglichkeit, zu gedenken und den Holocaust zu Hause zu thematisieren.

Die Nominierungen für den Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus sind ebenso vielfältig. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus führt neben Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ein unabhängiges Monitoring antisemitischer Vorfälle durch. Mit digitalem Informations- und Vermittlungsmaterial richtet sich das Swedish Committee against Antisemitism vorrangig an Schülerinnen und Schüler. Andreas Kahrs und Daniel Lörcher sind für ihre Erinnerungsarbeit beim Fußballclub Borussia Dortmund nominiert.

Für den Hauptpreis sind mit Lily Ebert, Zwi Nigal, Karl Pfeifer und Liliana Segre vier Zeitzeug:innen nominiert. Lily Ebert wurde 1923 in Ungarn geboren und überlebte das Konzentrationslager Auschwitz. Heute betreibt ihr Urenkel für sie einen Tiktok-Account mit über 1,6 Millionen Follower:innen. Der 1923 in Wien geborene Zwi Nigal kämpfte unter anderem in der britischen Armee gegen Nazideutschland. Er hält heute Vorlesungen an Schulen in Österreich und Deutschland. Karl Pfeifer wurde 1928 in Baden bei Wien geboren und flüchtete vor den Nationalsozialisten nach Ungarn und Palästina. Er setzt sich in seiner journalistischen Arbeit aktiv gegen Antisemitismus ein. Liliana Segre stammt aus Mailand und wurde 1944 mit 13 Jahren nach Auschwitz deportiert. Bis heute ist sie als Zeitzeugin in Fernsehen, Theatern und Schulen sowie im italienischen Parlament aktiv. (Schluss) kar

HINWEIS: Fotos von dieser Pressekonferenz finden Sie auf der Website des Parlaments.