Parlamentskorrespondenz Nr. 627 vom 08.06.2022

COVID-19: Gesundheitsausschuss stimmt für Neuerungen bei Kontaktnachverfolgung und Verkehrsbeschränkungen

Kurzarbeit und Sonderfreistellung für Schwangere ebenfalls reif fürs Plenum

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss brachte heute mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zahlreiche Neuerungen im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maßnahmengesetz auf den Weg. Um die Gesundheitsbehörden zu entlasten und flexibel auf Entwicklungen in der Pandemie reagieren zu können, soll der Gesundheitsminister etwa künftig Verkehrsbeschränkungen allgemein per Verordnung festlegen dürfen. In der Kontaktnachverfolgung sollen Gesundheitsbehörden künftig zu Spitzenzeiten priorisieren und einschränken dürfen. Weitere coronabedingte Sonderregelungen werden bis Ende des Jahres verlängert.

Mit der Kurzarbeit und der Sonderfreistellung für Schwangere passierten auch zwei arbeitspolitische Instrumente den Gesundheitsausschuss. Auf der Tagesordnung stand auch ein Monatsbericht über die Corona-Ausgaben des Gesundheitsressorts. Anträge der Freiheitlichen rund um COVID-19 wurden vertagt.

Änderungen im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maßnahmengesetz

Durch einen umfassenden Abänderungsantrag haben ÖVP und Grüne zahlreiche Neuerungen im Epidemiegesetz und im COVID-19-Maßnahmengesetz auf den Weg gebracht. Der ursprüngliche Antrag (2591/A) zielte lediglich auf redaktionelle Anpassungen ab.

Eine wesentliche Änderung betrifft die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsbehörden. Die Omikron-Welle im Frühjahr 2022 habe gezeigt, dass die Fallabklärung bei sehr hohen Infektionszahlen an ihre Grenzen stoße. Eine durchgängige Kontaktnachverfolgung sei auch bei mehr Ressourcen nicht möglich. Deshalb sollen Gesundheitsbehörden künftig die Fallabklärung einschränken und priorisieren dürfen – allerdings nur, wenn sie den Aufwand objektiv nicht bewältigen können, etwa während Spitzen von Infektionswellen.

Ebenfalls neu ist, dass der Gesundheitsminister künftig Verkehrsbeschränkungen allgemein per Verordnung verfügen darf. Bislang wurden Personen nur individuell per Bescheid in ihrem Verkehr mit der Außenwelt beschränkt oder abgesondert. Die Erfahrungen mit der Omikron-Variante hätten gezeigt, dass bei milden Krankheitsverläufen auch Verkehrsbeschränkungen ausreichen können. Statt einer gänzlichen Absonderung gelten dann Auflagen zum Betreten von gewissen Orten, wie das Tragen einer Maske oder die Einhaltung eines Abstandes. Mit der allgemeinen Verordnung von Verkehrsbeschränkungen will man auch auf den Umstand reagieren, dass in der Vergangenheit Absonderungsbescheide oft nicht rechtzeitig ausgestellt werden konnten. Auch die Einführung von automatisiert erstellten Absonderungsbescheiden bei Vorliegen eines positiven Testergebnisses soll diesem Problem künftig Abhilfe verschaffen.

Außerdem werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, damit der Gesundheitsminister Personen mit einem Schreiben an ihre Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 erinnern kann. Impfdaten sollen außerdem länger als bisher vorgesehen, mindestens bis Ende Juni 2023 gespeichert werden dürfen.

Ralph Schallmeiner (Grüne) betonte, man ziehe mit den Änderungen Lehren aus der Vergangenheit, insbesondere etwa durch die Flexibilisierung des Contact Tracings. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) griff die Rechtsgrundlage für das Erinnerungsschreiben für die Auffrischungsimpfung heraus und bezeichnete diese als wichtig.

Als teuer und wenig sinnvoll kritisierte wiederum Fiona Fiedler (NEOS) solche Schreiben. Außer der automatisierten Bescheiderstellung konnte sie der Novelle nichts Positives abgewinnen. Gerhard Kaniak (FPÖ) bemängelte neben dem Erinnerungsschreiben auch die Vorgangsweise bei den Verkehrsbeschränkungen. Er hegte zudem Zweifel daran, dass eine Zustellung eines automatisierten Bescheids per E-Mail rechtskräftig sein könne. Insgesamt kritisierte er, dass ein derart umfassender Abänderungsantrag so kurzfristig vor dem Ausschuss vorgelegt werde. Philip Kucher (SPÖ) bezeichnete das ebenso als "katastrophale Vorgangsweise". Nicht zuletzt, weil viele Fragen offen bleiben, könne seine Fraktion den Änderungen nicht zustimmen.

Verlängerung von coronabedingten Sonderregelungen

Durch eine im Ausschuss von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS auf den Weg gebrachte Änderung des Suchtmittelgesetzes soll eine Corona-Sonderregelung in Bezug auf Substitutions-Dauerverschreibungen ein weiteres Mal bis 30. Juni 2023 verlängert werden (2589/A). Die behandelnden Ärzt:innen können damit die Dauerverschreibung für Ersatzmedikamente für Drogenkranke mit dem Vermerk "Vidierung nicht erforderlich" versehen. Dadurch ist keine Beglaubigung durch Amtsärzt:innen mehr notwendig.

Ralph Schallmeiner (Grüne) bezeichnete die Verlängerung als sinnvoll. Fiona Fiedler (NEOS) äußerte ebenso wie Philip Kucher (SPÖ) ihre Zustimmung, regte jedoch an, die Regelung ins Dauerrecht zu überführen. Gerhard Kaniak (FPÖ) zufolge widerspreche die Dauerverschreibung dem Grundgedanken der Substitutionstherapie.

Für die Abgabe von COVID-19-Heilmitteln erhalten die öffentlichen Apotheken ein pauschales Honorar in der Höhe von 15 €. Diese Sonderregelung soll nun auch auf die ärztlichen Hausapotheken ausgedehnt werden und rückwirkend mit 21. März 2022 in Kraft treten. Dem entsprechenden Antrag auf Änderung des ASVG sowie weiterer Sozialversicherungsgesetze (2493/A) stimmten im Ausschuss ÖVP und Grüne zu. Mittels Abänderungsantrag legten die Koalitionsfraktionen noch fest, dass die Regelung bis Ende des Jahres 2022 gelten soll.

Ebenfalls bis Ende Dezember 2022 verlängert wird die Regelung, wonach Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich, in Gruppenpraxen, in Primärversorgungseinheiten sowie selbständigen Ambulatorien weiterhin Impfungen gegen SARS-CoV-2 auf Rechnung der Krankenversicherungsträger durchführen können, wobei der Bund die Kosten ersetzt. Werner Saxinger (ÖVP) und Ralph Schallmeiner (Grüne) erläuterten die verlängerten Regelungen. Fiona Fiedler (NEOS) und Gerhard Kaniak (FPÖ) traten dafür ein, die medikamentöse Versorgung von Corona-Erkrankten ins Regelsystem zu überführen, statt Sonderregeln zu verlängern.

Gesundheitsausschuss macht Kurzarbeit und Sonderfreistellung für Schwangere plenarreif

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen schickte der Gesundheitsausschuss auch einen Koalitionsantrag ins Plenum, der für vorübergehend höhere Kurzarbeitsbeihilfen für Betriebe mit nicht-saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten sorgt (2592/A). Bis Ende Dezember 2022 sollen diese Betriebe höhere Beihilfen erhalten als im Gesetz vorgesehen. Konkret soll die Beihilfenhöhe wie in der Phase 5 der Corona-Kurzarbeit um 15% weniger betragen als die ursprünglich COVID-bedingt gewährte Kurzarbeitsbeihilfe. Eine Verordnungsermächtigung für den Arbeitsminister wird insofern erweitert, dass er nun auch zur Bewältigung von besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Obergrenze für Kurzarbeit von 1 Mrd. € für die Jahre 2020 bis 2022 anpassen darf. Bisher galt dies nur für die Bewältigung der COVID-19-Krise. Ein im Ausschuss von ÖVP und Grünen eingebrachter Abänderungsantrag diente lediglich der Behebung eines redaktionellen Fehlers.

Für Ausschussvorsitzenden Gerhard Kaniak (FPÖ) lag eine Fehlzuweisung vor, da es sich nicht um ein Gesundheitsthema handle. Julia Seidl (NEOS) sah das ebenso und stellte daher einen Antrag auf Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales, der jedoch in der Minderheit blieb. Scharfe Kritik übte auch Alois Stöger (SPÖ), für den die Zuweisung in den Gesundheitsausschuss den Parlamentarismus und die Qualität der Diskussion ad absurdum führt. Markus Koza (Grüne) argumentierte die Zuweisung mit der Dringlichkeit des Antrags. Gabriela Schwarz (ÖVP) regte an, die Frage in der Präsidialkonferenz zu klären.

Inhaltlich legte Markus Koza (Grüne) dar, dass es sich nicht um eine Verlängerung der Corona-Kurzarbeit handle, sondern ein Instrument für Unternehmen geschaffen werde, die aufgrund der derzeitigen strukturellen wirtschaftlichen Krise Unterstützung brauchen. Auch Laurenz Pöttinger (ÖVP) betonte, dass es diese Maßnahme aufgrund aktueller Lieferprobleme und der weltpolitischen Lage brauche. Alois Stöger (SPÖ) kündigte an, von Seiten der Interessenvertretung der Arbeitnehmer:innen genau darauf zu achten, dass die Kurzarbeit gut begründet und nicht zur Abfederung von unternehmerischem Risiko in Anspruch genommen wird. Julia Seidl (NEOS) zeigte kein Verständnis für die Maßnahme. Kurzarbeit binde Arbeitskräfte, die anderswo dringend gebraucht würden.

Mit einer im Ausschuss von ÖVP, Grünen und FPÖ befürworteten Änderung des Mutterschutzgesetzes (2593/A) soll der Arbeitsminister ermächtigt werden, die coronabedingte Sonderfreistellung von Schwangeren künftig per Verordnung zu regeln. Im Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister soll dieser ab 1. Juli 2022 durch eine Verordnung festlegen können, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen werdende Mütter ab der 14. Schwangerschaftswoche freigestellt werden dürfen. Das soll ermöglichen, auf neue Varianten des Coronavirus rascher zu reagieren. Gelten soll die Verordnungsermächtigung bis Ende Dezember 2022.

Angela Baumgartner (ÖVP) erläuterte, dass der Dienstgeber oder die Dienstgeberin vor einer Freistellung prüfen müsse, ob die Arbeitsbedingungen für die Schwangere geändert werden können, etwa durch Homeoffice. Von der FPÖ begrüßte Gerhard Kaniak den Schutz von Risikogruppen, wenngleich er gesetzliche Regelungen einer Verordnungsermächtigung vorziehen würde. Elisabeth Feichtinger (SPÖ) ortete eine Verschlechterung für die Arbeitnehmerinnen und Verunsicherung von beiden Seiten.

Bericht über Corona-Ausgaben durch das Gesundheitsressort

Eine Debatte rund um vergangene und geplante Corona-Maßnahmen entstand im Zuge der Behandlung eines Monatsberichts über die Corona-Ausgaben aus dem Gesundheitsressort (III-625 d.B.). Demnach sind im März 2022 Zahlungen für die Bundesländer und die AGES im Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz in der Höhe von 177,16 Mio. € angefallen. Die größten Posten darunter entfallen auf Screening-Programme, Vergütungen für Verdienstentgang sowie Untersuchungen. Für bestimmte den Ländern aufgrund der COVID-19-Krise entstandene Aufwendungen leistet der Bund zudem Zweckzuschüsse. Im März 2022 wurden dafür 238.432 € ausgewiesen, mit denen etwa Impfaktionen finanziert wurden.

Gesundheitsminister Johannes Rauch gab bei dieser Gelegenheit einen Einblick in einige aktuelle Zahlen. Nach der Änderung der Teststrategie im April dieses Jahres wurden bis Juni rund 9,6 Mio. Antigentests in Apotheken abgegeben. Die insgesamten Kosten für Testungen beliefen sich laut Rauch bis Ende Mai 2022 auf 2,6 Mrd. €. Mit Blick auf den Herbst verwies er auf den Variantenmanagementplan, der von verschiedenen Szenarien ausgehe und bei Bedarf das Aktivieren von Maßnahmen erlaube. Im dritten Jahr der Pandemie müsse man einen Modus finden, mit dem Virus zu leben, zeigte sich Rauch überzeugt.

Von der FPÖ nahmen das Gerhard Kaniak, Gerald Hauser und Peter Wurm zum Anlass, um eine Abkehr von der bisherigen Corona-Politik der Bundesregierung zu fordern. Kaniak und Wurm äußerten sich etwa besorgt über die Kapazitäten im Gesundheitswesen. Hauser stellte erneut die Wirksamkeit der Impfung in Frage. Josef Smolle (ÖVP) hielt dem entgegen, dass der Vergleich zahlreicher Studien über europäische Länder einen klaren statistischen Zusammenhang zwischen einer höheren Impfquote und einer geringeren Zahl an Corona-Toten zeige.

Von den NEOS interessierten sich Fiona Fiedler und Julia Seidl für genauere Daten zu den beschafften Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19. Philip Kucher (SPÖ) machte einen Bericht des Rechnungshofes über das Pandemiemanagement zum Thema. Er teilte die Kritikpunkte, dass eine zentrale Koordination gefehlt habe und nicht aus Fehlern gelernt wurde. Ralph Schallmeiner (Grüne) und Gabriela Schwarz (ÖVP) betonten, dass die Kritikpunkte des Rechnungshofes selbstverständlich aufgearbeitet werden müssten. Sie verwiesen aber auch darauf, dass der damalige Gesundheitsminister zu Beginn der Corona-Krise nicht auf einen vorbereitete Pandemieplan zurückgreifen konnte. Johannes Rauch versicherte, er habe seine Mitarbeiter:innen angewiesen, den Kritikpunkten des Rechnungshofes Punkt für Punkt nachzugehen. Alois Stöger (SPÖ) ersuchte in diesem Zusammenhang darum, die Parlamentsparteien einzubinden.

FPÖ-Anträge rund um COVID-19 vertagt

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt wurden mehrere Entschließungsanträge der FPÖ. Mit Blick auf die Zahl der Corona-Toten sehen die Freiheitlichen etwa den Hauptfehler darin, dass die Erkrankten in Österreich zum großen Teil zu Hause sich selbst überlassen wurden (2595/A(E)). Sie fordern daher, einen mobilen und flächendeckenden Visitendienst auf der Grundlage des Epidemiegesetzes einzurichten. Erneut auf der Tagesordnung stand ein weiterer Antrag der FPÖ, wonach das Impfpflichtgesetz am zweiten Tag nach der Kundmachung wieder außer Kraft treten soll (2227/A). Auch ihre Forderung nach Entschädigungszahlungen für Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte durch die Corona-Maßnahmen brachten die Freiheitlichen erneut aufs Tapet (2320/A(E)). (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) kar