Parlamentskorrespondenz Nr. 823 vom 05.07.2022

Festakt im Parlament im Zeichen der Zukunft des Ehrenamts

Nationalratspräsident Sobotka übergibt Studie zur Zukunft des Ehrenamtes an Sozialminister Rauch und Staatssekretärin Plakolm

Wien (PK) – Die Zukunft des Ehrenamts stand heute Vormittag im Mittelpunkt eines Festakts im Parlament. Anlässlich des Abschlusses des Ehrenamtsschwerpunkts des Hohen Hauses übergab Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eine mit Unterstützung der FH Campus Wien erstellte Studie zur Zukunft des Ehrenamts an Sozialminister Johannes Rauch und Ehrenamts-Staatssekretärin Claudia Plakolm. In der Studie sind die im Zuge der Aktivitäten 2021 und 2022 erhobenen Anliegen der ehrenamtlich Tätigen dargestellt.

Sobotka: Ehrenamt ist ein Schatz, der gute Rahmenbedingungen benötigt

Zwar werde heute das Schwerpunktjahr zum Thema Ehrenamt abgeschlossen, die Arbeit an dem Thema werde aber weitergehen, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seiner Rede mit Verweis auf die politische Diskussion einer Reform des Freiwilligengesetzes. Die Studie zur Zukunft des Ehrenamts werde dazu eine wertvolle Orientierung geben. Das Ehrenamt sei für die Engagierten selbst sehr wichtig und damit eine Bereicherung, hob Sobotka aus seiner eigenen Ehrenamtserfahrung hervor. Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, sei ein großer Schatz, für den gute Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten. Dabei brauche es einerseits Absicherung, andererseits aber auch viel Freiheit und damit Fingerspitzengefühl in der Gestaltung dieser Rahmenbedingungen, meinte Sobotka in Richtung der Parlamentsfraktionen und der Bundesregierung.

Welche Punkte des Ehrenamts seitens der Politik gefördert werden sollten und dass das Ehrenamt gut funktioniere, zeige die Studie zur Zukunft des Ehrenamts, meinte Parlamentsdirektor Harald Dossi in seinen Eröffnungsworten.

Rauch: Wir brauchen Ehrenamtliche, um das Staats- und Gemeinwesen zukunftsfähig zu gestalten

Die Gesellschaft brauche Ehrenamtliche, um das Staats- und Gemeinwesen zukunftsfähig zu gestalten, plädierte Sozialminister Johannes Rauch für Wertschätzung, Respekt und Anerkennung ihnen gegenüber. Das freiwillige Engagement habe wesentlich zur Bewältigung der Pandemie beigetragen und sei damit in vielen Bereichen systemrelevant gewesen. Die Gesellschaft sei besonders in Krisensituationen darauf angewiesen, dass das ehrenamtliche Engagement gut funktioniere. Sein Ressort stelle sich dieser Herausforderung und unterstütze unter anderem den Aufbau des ersten digitalen Freiwilligenzentrums. Zudem seien das Freiwilligengesetz, das freiwillige Sozialjahr und das freiwillige Umweltjahr evaluiert worden. Die Ergebnisse würden nun geprüft, politisch diskutiert und gegebenenfalls gesetzlich verankert.

Plakolm: Ehrenamt ist Basis und Fundament für viele Bereiche der Gesellschaft

Das Ehrenamt ist ein Treffpunkt von Menschen, die mehr tun als bloß ihre Pflicht, erklärte Ehrenamts-Staatssekretärin Claudia Plakolm. Österreich lebe vom Ehrenamt wie kaum ein anderes Land. Dieses sei die Basis und das Fundament für viele Bereiche der Gesellschaft. Das Ehrenamt bilde ein Netz, das Menschen verbinde, wies Plakolm auch auf die Bedeutung des Ehrenamts für die psychische Gesundheit hin.

Einigkeit über Reformbedarf und Stellenwert des Ehrenamts bei den Parlamentsfraktionen

In Interviews mit Vertreter:innen der Parlamentsfraktionen bestand Einigkeit über die Bedeutung des Ehrenamts für die Gesellschaft aber auch über den grundsätzlichen Bedarf für Reformen der Rahmenbedingungen. So hob Andreas Hanger (ÖVP) die hohe Beteiligung der Gesellschaft beim Ehrenamt hervor. Bedarf sah Hanger für eine einheitliche Unfall- und Haftpflichtversicherung und die Stärkung der Infrastruktur für ehrenamtliches Engagement.

Eine Novellierung des Freiwilligengesetzes forderte Elisabeth Feichtinger (SPÖ) und trat für ein einheitliches Versicherungssystem, die Einrichtung von Servicestellen und finanzielle Abgeltungen wie Kilometergeld oder die Bereitstellung eines Klimatickets ein. Die anteilige Anrechnung des Ehrenamts an die Pension oder eine zusätzliche Urlaubswoche könnten ein Dankeschön des Staates für die Ehrenamtlichen sein, meinte Feichtinger.

Die Anrechnung an die Pension wäre wünschenswert und würde insbesondere Frauen unterstützen, pflichtete Rosa Ecker (FPÖ) bei. Das Ehrenamt sollte nicht nur bedankt und beklatscht, sondern auch dementsprechend unterstützt werden, forderte auch Ecker bessere Rahmenbedingungen. Ein Gütesiegel für Unternehmen könnte ein Vorteil im Wettbewerb um Arbeitskräfte sein.

Kritisch und schwierig sah Ralph Schallmeiner (Grüne) die Anrechnung des Ehrenamts für die Pension. Es gebe hier Abgrenzungsprobleme und es sei für ihn fraglich, ob diese Maßnahme zum Ehrenamt motivieren würde. Bedarf sah Schallmeiner für bessere Rahmenbedingungen für den Ehrenamtsnachwuchs, für mehr Migrant:innen im Ehrenamt und mehr Frauen im Katastrophenschutz.

Hinsichtlich der Basisfinanzierung gemeinnütziger Organisationen sah Yannick Shetty (NEOS) Handlungsbedarf. Wenige würden "überfördert", aber die meisten "unterfördert". Zudem trat Shetty für eine kreative Mitgliederoffensive ein, um die Menschen wieder ins Ehrenamt zurückzuholen.

Studie zeigt Bedeutung von Ehrenamt und Verbesserungspotenziale

Mit Unterstützung der FH Campus Wien wurde eine Studie zur Zukunft des Ehrenamtes erstellt. Dazu wurden eine repräsentative quantitative Befragung durchgeführt sowie die Ergebnisse einer Podiumsdiskussion, des Crowdsourcing-Projekts des Parlaments und der Open-Space-Veranstaltung "Dialogforum Ehrenamt" ausgewertet.

Über 70% der Österreicher:innen waren oder sind aktuell ehrenamtlich tätig, erläuterte Elisabeth Haslinger-Baumann, Vizerektorin für Forschung und Entwicklung der FH Campus Wien, die Ergebnisse der repräsentativen Befragung (n=1.931). Damit bestehe eine ausgeprägte solidarische Haltung in der Bevölkerung, so Haslinger-Baumann. Das ehrenamtliche Engagement ist nach Altersgruppen relativ gleichmäßig verteilt, bei den 71- bis 75-Jährigen aber am höchsten. Es nimmt mit der formalen Bildung und dem Einkommen der Akteur:innen zu. Sozialeinrichtungen, Sport und Bildungsaktivitäten zählen zu den beliebtesten Tätigkeitsbereichen.

Bei der Open-Space-Veranstaltung "Dialogforum Ehrenamt" wurden im Parlament Verbesserungsmöglichkeiten für die Freiwilligenarbeit gemeinsam mit Expert:innen gemeinnütziger Organisationen diskutiert und im Bericht zusammengefasst. So befürworteten die Teilnehmer:innen zur Absicherung von Freiwilligen unter anderem den Ersatz von Fahrtkosten, die Absicherung bei Unfällen und Vergünstigungen bei Einkäufen. Zudem wurden Zeitrechte wie Urlaubstage oder Freistellungen als zentrale Anliegen festgehalten. Als dringendes Anliegen wurde eine ausreichende Basisfinanzierung der Organisationen vorgebracht. Die Errichtung von Service- und Kompetenzstellen wurde entschieden begrüßt. Außerdem wurde ein Gütesiegel für Unternehmen als Unterstützung einer ehrenamtsfreundlichen Unternehmenskultur von den Teilnehmer:innen diskutiert. Das Einbeziehen von Schulen und das Erschließen neuer Zielgruppen wurde ebenso als wichtig erachtet. Zum Thema Anerkennung der Kompetenzen von Freiwilligen wurden mögliche Wege aufgezeigt, aber auch Bedenken geäußert.

Nicht nur, aber vor allem in Krisenzeiten nehme das Ehrenamt einen Teil der kritischen Infrastruktur ein, indem es die Hilfsbereitschaft strukturiert und wichtige Bereiche abdeckt, meinte Haslinger-Baumann. Es sei daher wichtig, dass das Ehrenamt nachhaltig für die Zukunft abgesichert und die Rahmenbedingungen rund um das Ehrenamt gestärkt werden, hob die Vizerektorin abschließend hervor.

Ehrenamtliche sehen Handlungsbedarf bei Rahmenbedingungen

Die Digitalisierung sei während der Pandemie und besonders während den Lockdowns sehr wichtig für das ehrenamtliche Engagement gewesen, waren sich die ehrenamtlichen Teilnehmer:innen in einer Interviewrunde einig. Insgesamt wären Rahmenbedingungen für die bessere Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf wichtig, meinte Dominik Drljo, Aha-Jugendinfo Vorarlberg. Für eine bessere Absicherung durch Unfall- und Haftpflichtversicherung trat Mateo Palac, Mitglied der Blasmusik und Freiwilligen Feuerwehr, ein. Bei einer neuerlichen Verschärfung der Corona-Maßnahmen müsste sichergestellt werden, dass Ehrenamtliche ihre Arbeit vor Ort und nicht nur über das Telefon erledigen können, forderte Monica Müller vom MOMO Kinderhospiz. Außerdem trat sie für Kostenübernahmen von Ausbildungskosten und für die Ehrenamtskoordinator:innen in den Organisationen ein. Die Anrechnung des Ehrenamts bei der Ausbildung sei insbesondere für junge Menschen wichtig, meinte Laura Schaufler, Österreichisches Rotes Kreuz. Maßnahmen, um mehr Nachwuchs für das Ehrenamt zu gewinnen, befürwortete Leonie Ferscha, Sportunion. (Schluss) pst

Die Studie zur Zukunft des Ehrenamts steht unter www.parlament.gv.at/EHRENAMT/ zum Download zur Verfügung.

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.