Parlamentskorrespondenz Nr. 841 vom 07.07.2022

Pflegereform: Gehaltserhöhungen auch für Heimhilfen und Behindertenbegleiter:innen beschlossen

Mehr Befugnisse für Pflegekräfte, 600 € Ausbildungszuschuss, Bonus für pflegende Angehörige kommt erst im Herbst

Wien (PK) – Vom größten Pflegepaket seit Jahrzehnten sprachen ÖVP und Grüne anlässlich des heutigen Nationalratsbeschlusses von vier Gesetzesinitiativen der Regierungsfraktionen, die in der Fassung von Abänderungsanträgen mit unterschiedlichen Mehrheiten angenommen wurden. Diese sehen unter anderem eine Ausweitung der Befugnisse von Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen, einen Ausbildungszuschuss von 600 € sowie eine Aufstockung des Demenz-Zuschlags vor. Zudem wird der Bund den Ländern 520 Mio. € für Gehaltserhöhungen für Pflegepersonal sowie 225 Mio. € für die Abgeltung von Ausbildungskosten zur Verfügung stellen. Durch einen im Zuge der Sitzung eingebrachten Abänderungsantrag wird gewährleistet, dass auch Heimhilfen und Behindertenbetreuer:innen von den Gehaltserhöhungen profitieren können. Dafür gibt es ein zusätzliches Budget von 50 Mio. €. Da ÖVP und Grüne noch eine Ausweitung des ursprünglich geplanten Bonus von 1.500 € für pflegende Angehörige auf weitere Personengruppen planen, wurde dieser Passus vorerst aus dem Bundespflegegeldgesetz gestrichen. In einem Entschließungsantrag wird jedoch der Minister aufgefordert, eine entsprechende Regierungsvorlage auszuarbeiten.

Insgesamt nehme der Bund mehr als 1 Mrd. € in die Hand, um die Situation im Bereich der Pflege langfristig zu verbessern, hoben die Redner:innen der Koalitionsparteien hervor. Dies werde von sehr vielen Organisationen und Expert:innen ausdrücklich begrüßt. Die Opposition beurteilte das Paket differenzierter. Auch wenn es einzelne Fortschritte gebe, sei die Reform unzureichend und vor allem nicht nachhaltig. Damit werde man den Mangel an Pflegekräften nicht beheben können. Die FPÖ stimmte aufgrund der Dringlichkeit der Maßnahmen dem Paket zu, SPÖ und NEOS hingegen lehnten einen Großteil der Anträge ab.

Mit den Koalitionsanträgen mitverhandelt wurden auch Initiativen der Opposition, die allesamt abgelehnt wurden. So drängte die SPÖ darauf, durch die Einrichtung eines ausreichend dotierten Pflegegarantiefonds kostenlose Pflegeleistungen sicherzustellen, eine Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe zu starten und die Arbeitssituation für Betroffene rasch zu verbessern. Die FPÖ urgierte einen Rechtsanspruch auf sogenannte Übergangspflege im Ausmaß von bis zu 12 Wochen im Jahr. Damit will sie sicherstellen, dass Patient:innen nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden, wenn zu Hause keine adäquate Pflege gewährleistet ist. Den NEOS ist eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich ein Anliegen, um eine bessere Finanzplanung zu ermöglichen. Ebenfalls in der Minderheit blieb ein während der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag der Freiheitlichen, in dem die bundesweite Umsetzung des "Kärntner Pflegemodells" vorgeschlagen wird. 

Rauch: Ein wichtiges Signal an die Menschen in der Pflege und Beginn eines jahrelangen Prozesses

Die für die Pflegereform vorgesehene Summe in der Höhe von 1 Mrd. € sei dringend notwendig, um dort rasch Maßnahmen zu setzen, wo sie überfällig seien, unterstrich Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch. Damit sollen insbesondere die Löhne erhöht, die Arbeitsbedingungen verbessert sowie ein Zeichen der Wertschätzung gesetzt werden. Aufgrund der demographischen Entwicklung werde der Bedarf an Pflegekräften weiter steigen, deshalb müssten rechtzeitig die richtigen Weichenstellungen erfolgen. Durch das Gesetzespaket sei es gelungen, Fortschritte auf allen Ebenen zu erreichen, war der Minister überzeugt, wodurch ein Altern in Würde für jeden Menschen ermöglicht werden soll. Manche Länder in Europa würden Österreich um dieses Paket beneiden. Es sei ihm aber bewusst, dass die heutige Beschlussfassung der Beginn eines jahrelangen Prozesses sei, um die hohe Qualität der Pflege auch in Zukunft sicherzustellen zu können.

Die Eckpunkte der Pflegereform: Höhere Gehälter, Ausweitung der Kompetenzen, Ausbildungszuschuss

Mit dem Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz soll die angestrebte Gehaltserhöhung für Pflegepersonal budgetär abgesichert werden. Der Bund stellt dafür für die Jahre 2022 und 2023 jeweils 260 Mio. € bereit. Gemäß den Vorgaben sind die Mittel für die Verringerung bestehender Gehaltsunterschiede für gleiche Tätigkeiten und für die Abgeltung zusätzlicher Aufgaben durch Kompetenzerweiterungen zu verwenden, wobei Details auf Basis kollektivvertraglicher Vereinbarungen geregelt werden sollen. Zu diesem Zweck werden den Ländern für die Jahre 2022 und 2023 insgesamt bis zu 520 Mio. € überwiesen, welche dann für die weiteren Detailregelungen zuständig sind. Bei – laut Erläuterungen – rund 120.000 im Pflegesektor beschäftigten Personen (Vollzeitäquivalenten), steht durchschnittlich ein Betrag von ca. 2.160 € pro Jahr und Person zur Verfügung.

Weiters soll es Pflegeassistent:innen künftig gestattet sein, bestimmte laufende Infusionen an- und abzuschließen, wenn das für einen Toilettengang oder pflegerische Maßnahmen nötig ist. Pflegefachassistent:innen werden künftig auch subkutane Injektionen und Infusionen verabreichen sowie Venen- bzw. Hautkanülen legen bzw. entfernen dürfen. Außerdem wird die Bestimmung, wonach Pflegeassistent:innen nur noch bis Ende 2024 in Krankenanstalten tätig sein dürfen, aufgrund des hohen Bedarfs an Pflegepersonal aus dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz gestrichen.

Für Erstausbildungen im Pflegeberuf soll es ab September einen steuer- und abgabenfreien Ausbildungszuschuss in der Höhe von 600 € geben. Umzusetzen ist dieser Teil des Pflegepakets allerdings von den Ländern, mit dem vorliegenden Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz werden lediglich die Rahmenbedingungen für die finanziellen Zuschüsse des Bundes von insgesamt 225 Mio. € in den Jahren 2022 bis 2025 geregelt. Damit sollen zwei Drittel des Zuschusses (400 €) abgedeckt, für das dritte Drittel müssen die Länder selbst aufkommen.

Durch Änderungen im Bundespflegegeldgesetz sollte ursprünglich der Bonus für pflegende Angehörige eingeführt werden. Diese Maßnahme wurde durch einen Abänderungsantrag wieder herausgenommen. In Kraft treten wird aber eine monatliche Entlastung von 60 € für Familien mit erheblich behinderten Kindern, da die erhöhte Familienbeihilfe nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet wird. Davon sollen laut Erläuterungen rund 46.000 Personen profitieren. Auch die Fristen für die Beantragung von Pflegekarenzgeld werden verlängert. Um die erschwerten Pflegebedingungen bei dementiellen Beeinträchtigungen der pflegebedürftigen Person besser zu berücksichtigen, wird der pauschale Erschwerniszuschlag zum Pflegegeld für Erwachsene mit einer schweren geistigen bzw. psychischen Behinderung von monatlich 25 auf 45 Stunden erhöht.

ÖVP: Ein guter Tag für die Pflege

Heute sei ein besonders guter Tag für die Pflege, weil dafür insgesamt 1 Mrd. € bereitgestellt werden, hob ÖVP-Klubobmann August Wöginger hervor. Sein Dank gelte dem zuständigen Sozialminister Rauch, der dieses Thema seit seinem Amtsantritt prioritär behandelt und ein sehr gutes Paket auf den Weg gebracht habe. Um den drohenden Personalmangel aktiv entgegenzutreten, werden eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, wie etwa die Gehaltserhöhungen für die Bediensteten im Pflegebereich. Davon umfasst seien nun auch die rund 12.000 Heimhelfer:innen und die Behindertenbegleiter:innen, die ebenso durchschnittlich ein zusätzliches Monatsgehalt erhalten werden. Weiters erwähnte Wöginger den Ausbildungszuschuss von bis zu 600 €, die Verbesserung des Pflegekarenzgeldes, die bessere Unterstützung von pflegenden Angehörigen, die Aufstockung des Demenz-Zuschlags, sowie die geplante Einführung einer Pflegelehre im Rahmen eines Modellversuchs. Den kurzfristig eingebrachten Abänderungsantrag rechtfertigte Wöginger damit, dass die Ausweitung des Angehörigenbonus auf weitere Personengruppen wie beispielsweise Pensionst:innen legistisch gut vorbereitet werden müsse. Dazu brachte er auch einen Entschließungsantrag ein, indem der Minister aufgefordert wird, dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage zu übermitteln.

Abgeordneter Ernst Gödl (ÖVP) qualifizierte das zur Debatte stehende Gesetzespaket als größte Reform seit Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993. Er sei heute sehr stolz, Teil des Nationalrats zu sein. Der Bund nehme mit 1 Mrd. € sehr viel Geld in die Hand, um die Rahmenbedingungen zu verbessern und die Pflegeberufe zu attraktivieren. Besonders wichtig war ihm, dass in Hinkunft bereits die Ausbildung für einen Pflegeberuf honoriert werde und Umsteiger:innen so bald wie möglich ein spezielles Stipendium erhalten sollen. Was die Gehaltserhöhungen betrifft, sei für ihn ganz klar, dass diese auch im Rahmen des nächsten Finanzausgleichs fortgeschrieben werden sollen. Er rief die SPÖ und NEOS auf, diese Verbesserungen anzuerkennen und bei den Beschlüssen mitzustimmen, und zollte den Freiheitlichen Respekt dafür, dass sie "über ihren Schatten gesprungen sind". Die vorgesehenen Maßnahmen für Heimhilfen und Fachsozialbetreuer:innen im Behindertenbereich sowie die diversen Anreize, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, begrüßte Bettina Zopf (ÖVP). Die Pflegereform sei ein wesentlicher Schritt und eine große Vorwärtsbewegung zur Unterstützung des Pflegepersonals, meinte auch Michael Hammer (ÖVP).

Grüne: Maßgeblicher Beitrag zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte

Die Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer sprach von der größten Pflegereform seit Jahrzehnten, die maßgeblich zur Verbesserung der Situation der Pflegekräfte auf allen Ebenen beitragen werde. Ein wichtiger Teil davon sei die Bereitstellung von nunmehr 570 Mio. €, um die Gehälter der Bediensteten aufzubessern. Sie sei sehr froh darüber, dass auch die Heimhilfen und Behindertenbegleiter:innen miteinbezogen wurden, hob Maurer hervor. Weitere Verbesserungen gebe es durch die einheitliche Mehrstundenregelung für Nachtdienste sowie durch die Gewährung einer zusätzlichen Entlastungswoche. Es sei klar, dass noch weitere Schritte folgen müssen, um mehr Personal für den Pflegeberuf rekrutieren zu können, räumte Maurer ein, die u.a. auf das geplante Pflegestipendium in der Höhe von 1.400 € für Umsteiger:innen oder Wiedereinsteiger:innen verwies. Weitere Gespräche soll es auch noch bezüglich der Ausweitung des Angehörigenbonus geben.

Jahrzehntelang sei die Pflegereform in Regierungsprogrammen gestanden, nun komme sie endlich in Umsetzung, zeigte Bedrana Ribo (Grüne) auf. Es sei eine gesellschaftliche Notwendigkeit gewesen, das Problem anzugehen, denn die Hilferufe aus der Pflege seien nicht zu überhören gewesen. Es handle sich um ein komplexes System, da die Zuständigkeiten zum Großteil bei den Ländern und Gemeinden angesiedelt seien. Von Seiten des Bundes werden über 1 Mrd. € ausgeschüttet, um vor allem die Gehälter der Pflegekräfte sowie weiterer Sozialbetreuungsberufe aufzustocken. Diesen Menschen sollte "der rote Teppich ausgerollt werden", da sie eine ganz wertvolle Tätigkeit für die Gesellschaft leisten und dringend gebraucht werden. Es würden natürlich noch einzelne Elemente fehlen, konstatierte Ribo, aber eine einzige Pflegereform könne nicht alles wettmachen, was in der Vergangenheit versäumt wurde. Mit der Pflegereform werden jedenfalls ganz wichtige Schritte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Einkommenssituation der Pflegekräfte gesetzt, unterstrich auch Markus Koza (Grüne).

SPÖ: Pflegepaket ist nicht nachhaltig, bringt keine besseren Arbeitsbedingungen und löst nicht den Fachkräftemangel

Das vorliegende Paket sei weder ein großer Wurf noch eine echte Pflegereform, kritisierte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch, weshalb seine Fraktion einem Großteil der Anträge nicht zustimmen werde. Weiterhin ungelöst sei vor allem die Problematik, dass bis zum Jahr 2030 76.000 zusätzliche Pflegekräfte in Österreich gebraucht werden. Fehlen würden zudem ein Pflegegarantiefonds, der kostenlose Leistungen sichergestellt, eine nachhaltige Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation der rund 158.000 Beschäftigten in diesem Sektor. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, müsste man bei den Einkommen, bei den Arbeitsbedingungen sowie bei der Wertschätzung für die Bediensteten ansetzen, betonte Muchitsch. Besonders ärgerlich sei zudem, dass die pflegenden Angehörigen mit einem Bonus von 4 € pro Tag "abgespeist" werden, wobei von den über 930.000 Betroffenen nur 23.000 Personen diesen überhaupt beantragen könnten. Was es wirklich brauche, sei mehr Angebot an Tageszentren und mobilen Diensten, um ein paar Stunden entlastet zu werden. Muchitsch verwies in diesem Zusammenhang auf das Modell im Burgenland, wo die pflegenden Angehörigen ein Einkommen erhalten und sozialversichert sind. Die SPÖ habe überdies in einem Entschließungsantrag ein Bündel an Maßnahmen vorgeschlagen, das u.a. den Zugang der Pflegekräfte zur Schwerarbeitspension umfasst.

Sein Fraktionskollege Philip Kucher übte vor allem scharfe Kritik an der geplanten Einführung einer Pflegelehre, zumal alle Expert:innen und Fachgesellschaft davor warnen würden. Wenn man von Wertschätzung gegenüber diesem Beruf rede, dann müsse man sie auch leben. Fehlende Nachhaltigkeit bei den getroffenen Maßnahmen ortete Verena Nussbaum (SPÖ), die das Ausbleiben langfristiger Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung bemängelte. Die Interessen der Wirtschaft und nicht der Arbeitnehmer:innen hätten sich durchgesetzt, kritisierte Christian Drobits (SPÖ).

FPÖ: Nur kleine Fortschritte, weitere Maßnahmen müssen folgen

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) wertete es als positiv, dass der nunmehr dritte Grüne Sozialminister es zumindest versucht habe, die "Pflegemisere" anzugehen. Er könne dabei auf die Vorarbeiten der früheren Ressortchefin Hartinger-Klein zurückgreifen, deren Konzept seit drei Jahren in den Schubladen "geschlummert" habe. Das Zustandekommen des Gesetzespakets sei aber wieder äußerst chaotisch gewesen, beklagte er, die letzten Abänderungsanträge seien erst in der Nacht an die Oppositionsparteien übermittelt worden. Dennoch stelle man sich her und wolle die Reform als "epochal" verkaufen, obwohl nun nicht einmal mehr der Angehörigenbonus beschlossen werden soll. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich ein paar Monate Zeit zu lassen und eine ordentliche Begutachtung durchzuführen, zumal die meisten Maßnahmen ohnehin erst Anfang 2023 in Kraft treten, so der Abgeordnete. Was die inhaltlichen Änderungen anbelangt, seien diese etwa im Fall der Ausweitung der Befugnisse der Pflegekräfte, der generellen Überarbeitung der Pflegestufen oder der Förderung der Ausbildung in Pflegeberufen nicht weitreichend genug. Positiv stufte er hingegen die Gehaltserhöhungen ein, die jedoch nicht nachhaltig abgesichert seien, beklagte Kaniak. Da die nun vorgeschlagenen Verbesserungen aber so dringlich notwendig seien, werde seine Fraktion trotz aller Kritik dem Paket zustimmen.

Eine echte Pflegereform statt einem "türkis-grünen Überschriftenschmäh" forderte FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger mittels eines im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsantrags, der in der Minderheit blieb. Dazu schlägt die FPÖ die bundesweite Umsetzung des "Kärntner Pflegemodells" vor, das unter anderem die Einführung eines Pflegeschecks, die soziale Absicherung pflegender Angehöriger, eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen und die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle beinhaltet. Die Maßnahmen der Regierung seien ein erster Schritt, würden aber das Pflegepersonal nicht zurückholen und Menschen nicht für den Pflegeberuf motivieren, forderte Rosa Ecker (FPÖ) Nachbesserungen. Wichtig wäre aus Sicht der Freiheitlichen auch ein Rechtsanspruch auf Übergangspflege.

NEOS für umfassende Kostenanalyse zur besseren Finanzplanung des Pflegesystems

Abgeordnete Fiona Fiedler (NEOS) bewertete das Gesetzespaket als eine dringlich überfällige Anpassung an die Praxis, als echte Reform könne es jedoch nicht bezeichnet werden. So seien etwa die Anpassungen beim Pflegegeld zwar "schön und gut", dem Personal würden sie aber überhaupt nichts bringen. Fiedler hätte sich ein Maßnahmenpaket zur Attraktivierung der Pflegeberufe gewünscht. Auch die Aufteilung der Zweckzuschüsse sei aus ihrer Sicht äußerst hinterfragenswert. Obwohl der Pflegenotstand in aller Munde sei, wisse kaum jemand, wieviel Geld im System sei und "wo es versickere", führte sie weiter aus. Fiedler ging dabei auf einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion ein, in dem der Sozialminister aufgefordert wird, zum Zweck der besseren Finanzplanung eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich in Auftrag zu geben. Einerseits müssten die Betroffenen hohe Summen für die Pflege ihrer Angehörigen daheim aufwenden, andererseits würden die Pflegekräfte dennoch unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden.

SPÖ für vorgezogene Pensionserhöhung und Valorisierung des Pflegegelds

Angesichts der aktuellen Teuerung pocht die SPÖ im Rahmen von zwei Entschließungsanträgen außerdem auf eine vorzeitige Valorisierung des Pflegegeldes mit 1. Juli um 6% und eine vorgezogene Pensionserhöhung. Die Inflation sei auf einem Rekordhoch, die Situation verschärfe sich weiter und die getroffenen Maßnahmen der Einmalzahlungen würden verpuffen, untermauerte Josef Muchitsch (SPÖ) die Forderungen seiner Fraktion. Eine vorgezogene Pensionserhöhung wäre im Unterschied zu den Einmalzahlungen nachhaltig, da sie die Basis für künftige Erhöhungen legen würde, meinte Alois Stöger (SPÖ). Dagmar Belakowitsch (FPÖ) unterstützte die SPÖ-Forderung nach einer Pensionserhöhung und kritisierte, dass beim Teuerungsausgleich für Mindestpensionen kleinere Pensionen knapp über der Ausgleichszulage leer ausgehen würden.

Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen würden mehr als die von der SPÖ geforderte Erhöhung der Pensionen um 6% bringen, rechnete hingegen Markus Koza (Grüne) vor. Dies bekräftigte Ernst Gödl (ÖVP) und bezeichnete die SPÖ-Forderungen als rein populistisch. Einen populistischen Antrag ortete auch Gerald Loacker (NEOS). Eine vorgezogene Pensionserhöhung wäre gegenüber den Beitragszahler:innen nicht gerecht, da diese die Lasten einer Erhöhung tragen müssten und diese auch nur einmal im Jahr eine Kollektivvertragserhöhung erhalten würden. Beide Anträge wurden abgelehnt.

Abkommen mit Brasilien über die soziale Sicherheit

Einstimmig genehmigt haben die Abgeordneten auch ein Abkommen zwischen Österreich und Brasilien über die soziale Sicherheit. Damit wird unter anderem sichergestellt, dass Erwerbszeiten im jeweils anderen Land bei der Berechnung von Pensionsansprüchen berücksichtigt werden. Zudem sollen Doppelversicherungen von Personen, die in beiden Ländern arbeiten bzw. wohnen, vermieden werden. Das Ministerium geht von Mehrkosten von rund 977.000 € bis zum Jahr 2025 aus, wobei sich der Mehraufwand aus Pensionen ergibt, die aufgrund des Abkommens auszuzahlen sein werden. Abkommen wie diese würden es erlauben, in unterschiedlichsten Ländern der Welt zu arbeiten und dabei sozialrechtlich abgesichert zu sein, betonte Kira Grünberg (ÖVP). (Fortsetzung Nationalrat) sue/pst

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