Parlamentskorrespondenz Nr. 1115 vom 12.10.2022

Nationalrat: Familienbeihilfe wird künftig automatisch an Inflation angepasst

Auch weitere Familien- und Sozialleistungen steigen 2023 um 5,8%

Wien (PK) – Seit langem wird darüber diskutiert, nun hat der Nationalrat auf Vorschlag der Regierung mit breiter Zustimmung einen entsprechenden Beschluss gefasst: Die Familienbeihilfe und viele weitere Sozialleistungen werden künftig automatisch an die Inflation angepasst. Damit werden sie im kommenden Jahr um 5,8% steigen. Neben der Familienbeihilfe sind davon auch das Kinderbetreuungsgeld, der Kinderabsetzbetrag, Schüler- und Studienbeihilfen, das Schulstartgeld, die Unterstützungsleistung für den "Papamonat" (Familienzeitbonus), das Rehabilitationsgeld, das Wiedereingliederungsgeld und das Umschulungsgeld betroffen. Für das Krankengeld wird eine entsprechende Option geschaffen. Der Beschluss erfolgte in Dritter Lesung einstimmig, trotz Kritik an einzelnen Punkten stimmten letztendlich auch die NEOS zu.

Keine Mehrheit fanden ein Abänderungsantrag der NEOS zum Regierungsentwurf und zwei Oppositionsanträge. Zum einen hatte die SPÖ eine Reparatur des Pensionsgesetzes in Zusammenhang mit der Steuerbefreiung und Unpfändbarkeit von Teuerungsausgleichszahlungen an Pensionist:innen gefordert, weil sie pensionierte Landes- und Gemeindebedienstete benachteiligt sieht. Zum anderen drängte die FPÖ in Reaktion auf die aktuelle Teuerung auf weitergehende Entlastungsmaßnahmen, wobei die Palette der Forderungen von einer Halbierung der Steuer auf Benzin und Diesel über eine Abschaffung der CO2-Abgabe bis hin zur Einführung von Preisdeckeln für Sprit und Grundnahrungsmitteln reichte. Auch auf eine Aufhebung all jener Sanktionen gegen Russland, die negative finanzielle Auswirkungen auf Österreicher:innen zeitigen, pochen die Freiheitlichen.

Außertourliche Erhöhung der Schülerbeihilfen

Neben der Valorisierung vieler Familien- und Sozialleistungen sieht das sogenannte Teuerungs-Entlastungspaket III auch einige weitere Entlastungsmaßnahmen vor. So wird der Familienzeitbonus künftig nicht mehr auf das Kinderbetreuungsgeld angerechnet und die allgemeine Zuverdienstgrenze für Bezieher:innen von Kinderbetreuungsgeld auf 18.000 € angehoben. Zudem ist in Aussicht genommen, das an die Familienbeihilfe gekoppelte Schulstartgeld in Hinkunft bereits im August zu überweisen. Ergänzend haben die Abgeordneten außerdem einstimmig eine Novelle zum Schülerbeihilfengesetz beschlossen, die neben der künftig automatischen Valorisierung auch eine deutliche Erhöhung der Schülerbeihilfen rückwirkend mit September 2022 bringt.

Kritik der Opposition

Die SPÖ bewertete die künftige Valorisierung der Sozialleistungen grundsätzlich zwar positiv, SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek warf der Regierung jedoch vor, viel zu spät zu handeln und insgesamt zu wenig für einkommensschwache Haushalte zu tun. Durch die aktuellen Krisen, würden immer mehr Menschen in die Armutsfalle rutschen, befürchtet sie. Viele Alleinerzieher:innen könnten sich nicht einmal mehr eine warme Wohnung leisten. Konkret vermisst Heinisch-Hosek etwa die Schaffung einer Unterhaltsgarantie.

Für die SPÖ ist es außerdem unverständlich, dass das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe nicht von der Valorisierung umfasst sind. Es brauche ein Maßnahmenpaket, um der Armutsgefährdung arbeitsloser Menschen entgegenzuwirken, hob Michael Seemayer hervor. Ein von ihm dazu eingebrachter Entschließungsantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Unter anderem hatte die SPÖ eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letzteinkommens, eine regelmäßige Valorisierung der Leistungen und eine Verdreifachung des Familienzuschlags gefordert. Auch ein Energiepreisdeckel ist Seemayer ein Anliegen.

Namens der FPÖ äußerte Peter Wurm die Vermutung, dass die Regierung mit der Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen nur von Problemen ablenken wolle, die sie selbst verursacht habe. Zudem braucht es seiner Meinung nach weitergehende Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung. FPÖ-Abgeordneter Erwin Angerer bedauerte in diesem Sinn die Ablehnung des von seiner Partei vorgeschlagenen Maßnahmenpakets zur Abfederung der Teuerung. Die dort enthaltenen Forderungen seien alles andere als skurril, bekräftigte er.

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker wertete die Intention des Gesetzespakets grundsätzlich als nachvollziehbar, zeigte aber kein Verständnis dafür, dass künftig auch das Rehabilitationsgeld an die Inflation angepasst wird. Er sieht dadurch einen Fehlanreiz in das Gesetz eingebaut. Ähnliches gelte für das Umschulungsgeld. Auf der anderen Seite orten die NEOS Lücken: So plädierte Loacker dafür, auch die Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld und die Zuverdienstgrenzen beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld in Hinkunft automatisch zu valorisieren, konnte sich mit einem entsprechenden Abänderungsantrag aber nicht durchsetzen.

ÖVP und Grüne sehen "historischen Beschluss"

Der Kritik der SPÖ hielt Grünen-Familiensprecherin Barbara Neßler entgegen, dass mit dem vorliegenden Gesetzespaket etwas umgesetzt werde, was NGOs jahrzehntelang gefordert hätten und die Politik jahrzehntelang versprochen habe. Statt wie in der Vergangenheit die Familienbeihilfe und die anderen Leistungen "nach Gutdünken" der jeweiligen Regierung zu erhöhen, würden diese nun dauerhaft an die Inflation angepasst. "Wenn die Preise steigen, steigen auch die Familien- und Sozialleistungen", betonte sie. Damit werde der Sozialstaat langfristig krisenfest gemacht. Von diesem "sozialpolitischen Meilenstein" würden, so Neßler, noch viele Familien dauerhaft profitieren.

Das sehen auch ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber (ÖVP), Grünen-Sozialsprecher Markus Koza und die Abgeordneten Karl Schmidhofer (ÖVP) und Meri Disoski (Grüne) so. "Das, was wir hier beschließen, ist historisch", ist Sieber überzeugt. Der Beschluss sei nicht nur längst überfällig, sondern komme gerade zum richtigen Zeitpunkt, hielt Koza fest. Ihm zufolge beschert das Paket den Haushalten allein im kommenden Jahr zusätzliche 360 Mio. €, wobei einkommensschwache Haushalte und Frauen überproportional profitierten. Viele Familien hätten die Valorisierung in der Vergangenheit dringend gebraucht, machte Disoski geltend. Sieber hob zudem die außertourliche Erhöhung der Schülerbeihilfe hervor.

Raab: Familien sind von Teuerung besonders betroffen

Von Seiten der Regierung hoben Sozialminister Johannes Rauch und Familienministerin Susanne Raab die Bedeutung des Gesetzesbeschlusses hervor. Mit der Valorisierung werde der Sozialstaat auf Dauer abgesichert, sagte Rauch. Zudem wies er Kritik an mangelnder Unterstützung einkommensschwacher Haushalte zurück und machte unter anderem geltend, dass eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern und einem Teilzeitgehalt von 1.180 € brutto heuer insgesamt 2.660 € an Entlastung ausbezahlt bekommen habe. Das sei konkret geschaffene Soforthilfe, bekräftigte er.

Da Familien von der aktuellen Teuerung besonders betroffen seien, habe sich die Regierung darauf verständigt, bei den Entlastungsmaßnahmen einen besonderen Fokus auf Familien zu legen, führte Familienministerin Raab aus. Man habe einen Maßnahmenmix aus kurzfristig wirkenden Einmalzahlungen auf der einen Seite und langfristig wirksamen strukturellen Anpassungen auf der anderen Seite auf den Weg gebracht. Konkret verwies sie etwa auf die außertourliche Familienbeihilfe und die Erhöhung von Steuerabsetzbeträgen. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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