Parlamentskorrespondenz Nr. 1307 vom 18.11.2022

Gesellschaftliches Digitalisierungsgesetz 2022: Änderungen bei Online-Unternehmensgründungen und Firmenbuchgebühren passieren Nationalrat

Prüfung von Gesetzeslücken bezüglich Kindesmissbrauch erzielt Einstimmigkeit

Wien (PK) – Das Gesellschaftliche Digitalisierungsgesetz 2022 fand heute eine Stimmenmehrheit im Nationalrat. Damit sollen etwa Online-Firmenbucheintragungen von Einzelunternehmen und zahlreiche Änderungen bei Firmenbuchgebühren in Umsetzung einer EU-Digitalisierungsrichtlinie ermöglicht werden.

Einstimmigkeit erreichte ein auf Basis einer FPÖ-Initiative gestellter Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen, der auf die Prüfung eventueller Gesetzeslücken im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch abzielt.

Gesellschaftliches Digitalisierungsgesetz 2022

Mit dem Koalitionsantrag auf ein Gesellschaftliches Digitalisierungsgesetz 2022 soll eine EU-Digitalisierungsrichtlinie  umgesetzt werden, die die Gründung von (Kapital-)Gesellschaften, die Eintragung von Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten sowie die spätere Einreichung von Urkunden und Informationen zum jeweiligen nationalen Unternehmensregister (in Österreich zum Firmenbuch) vollständig online ermöglichen soll. Neben dem Gesellschaftlichen Digitalisierungsgesetz 2022 haben die Koalitionsparteien umfassende Änderungen von betreffenden Gesetzesmaterien zur Umsetzung der Richtlinie beantragt.

Außerdem sollen künftig auch die Firmenbuchanmeldungen von Einzelunternehmer:innen vollständig online durchgeführt werden können. Die bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft erforderliche Zahlung von Gesellschaftskapital soll nunmehr bei allen Banken aus dem EWR ermöglicht werden, die aufgrund der Niederlassungsfreiheit oder aufgrund der Dienstleistungsfreiheit zum Betreiben von Bankgeschäften in Österreich befugt sind.

Zudem kommt es mit den Anpassungen auch zu zahlreichen Änderungen bei den Firmenbuch-Gebühren. So sollen etwa für die erstmalige Eintragung eines Unternehmens einheitliche Gebühren vorgesehen werden. Eintragungsgebühren für Änderungen im Firmenbuch soll es nur mehr für ausgewählte Tatbestände geben. Mit der Einrichtung der digitalen Bürger:innen- und Unternehmensplattform "Justiz-Online" wird laut Erläuterungen außerdem ein einfacher und bürger:innenfreundlicher Zugriff auf das Grund- und Firmenbuch ermöglicht.

Zadić: Wichtiger Schritt, um Digitalisierung für Unternehmen nutzbar zu machen

Es gehe darum, im Rahmen der Digitalisierung gesellschaftsrechtlich erforderliche Prozesse rascher und effizienter möglich zu machen, erklärte Justizministerin Alma Zadić im Plenum. Da Österreich in diesem Bereich eine Vorreiterrolle eingenommen habe, sei vieles schon im geltenden Recht abgebildet und es müssten nur mehr "kleinere Einzelanpassungen" vorgenommen werden. Beispielsweise könne eine GmbH schon derzeit online gegründet werden. In anderen Bereichen – etwa bei der Verknüpfung der Unternehmensregister der Mitgliedstaaten über das "Business Register Interconnection System (BRIS)" – seien jedoch noch Anpassungen erforderlich, so Zadić.

Erfreut zeigte sie sich über insgesamt 7,5 Mio. €, die Unternehmen an Gerichtgebühren einsparen könnten. Dies sei ein wesentlicher Beitrag dazu, dass Unternehmen direkt Vorteile aus der Digitalisierung ziehen könnten. Auch für die Start-up-Branche seien die Gesetzesänderungen ein wichtiger Schritt, da sie nun "schneller und erfolgreicher" Firmen gründen könnten.

Auswirkungen speziell auf Wiener Zeitung

Die SPÖ kritisierte vor allem die Auswirkungen der vorgesehenen Neuregelungen auf den Weiterbestand der Wiener Zeitung. Dies sei der "Pferdefuß" bei den grundsätzlich begrüßenswerten Anpassungen, wie Selma Yildirim (SPÖ) die Ablehnung durch ihre Fraktion argumentierte. Man nehme der ältesten Zeitung der Welt ihre Haupteinnahmequelle, und anstatt 9 Mio. € im Jahr für deren Erhalt in die Hand zu nehmen, gebe die Regierung lieber 230 Mio. € für "Propaganda" aus, so Yildirim. Zudem sei die Offenlegungspflicht ein wesentliches Kontrollmittel, was damit im analogen Bereich abgeschafft werde, wie Petra Oberrauner (SPÖ) ergänzte. Auch die parlamentarische Praxis, die Begutachtung aus Sicht der SPÖ zu umgehen, indem nur wenige Stunden vor der Justizausschusssitzung der Initiativantrag eingebracht worden sei, bezeichnete Harald Troch (SPÖ) als "handwerklich letztklassig".

Die Wiener Zeitung werde nicht bedroht, sondern in ein neues Medium und "Content-Partner für den Bund" transformiert, entgegnete Michaela Steinacker (ÖVP). Ihr Fraktionskollege Klaus Fürlinger bezeichnete die Funktion des Amtsblattes als "Relikt" und verglich es mit den Ausrufern und Herolden des Mittelalters. Die Koalition werde "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen" und die Wiener Zeitung aufrechterhalten sowie sie gleichzeitig in Richtung eines "digitalen schwarzen Brettes" modernisieren. Die ÖVP-Abgeordneten zeigten daher kein Verständnis dafür, den aus ihrer Sicht wesentlichen Antrag zur Entbürokratisierung abzulehnen. Auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) zeigte sich erfreut darüber, dass nun ohne zusätzliche Gebührenhürden Unternehmensgründungen vorgenommen werden könnten, die ohnehin schon ein gewisses Kapital benötigten.

NEOS-Mandatar Johannes Margreiter äußerte ebenfalls seine Zustimmung zu den Anpassungen, meinte jedoch etwa im Hinblick auf die Beglaubigungsprozesse, dass "noch viel mehr möglich gewesen wäre". Zur Wiener Zeitung bemerkte er, es könne nicht sein, dass die österreichische Unternehmerschaft mit "Zwangsveröffentlichungen" eine Zeitung finanziere. Auch Harald Stefan (FPÖ) sah in den Veröffentlichungen in der Ediktsdatei der Wiener Zeitung etwas "Anachronistisches", auch wenn er für den Erhalt der Wiener Zeitung eintrete. Im Rahmen der Digitalisierungsprozesse dürften die Aspekte der Qualität und der Sicherheit nicht vernachlässigt werden, so Stefan.

Stimmeneinhelligkeit für Prüfung von Gesetzeslücken bei Kindesmissbrauch

Auf Basis einer Initiative der Freiheitlichen, die auf einen Gesetzesentwurf abzielt, in dem das Herunterladen, Hochladen, Weiterleiten oder Veröffentlichen von Pädophilen-Handbüchern und ähnlichen Anleitungen zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen sowie den Verkauf von Kindersexpuppen unter Strafe stellt, brachten ÖVP und Grünen einen eigenen Antrag zur Thematik ein. Damit fordern sie die Justizministerin auf, den entsprechenden Handlungsbedarf zu prüfen. Außerdem soll die Justizministerin evaluieren, inwiefern das Pornografiegesetz in seiner jetzigen Form dem Schutz von Minderjährigen gerecht werde.

Rosa Ecker (FPÖ), die den Ursprungsantrag eingebracht hat, habe nie geglaubt, dass Derartiges in Österreich nicht strafbar sei, wie sie im Plenum sagte. Für sie sei es nicht nachvollziehbar, dass ihr Antrag, in dem ein Verbot von Kindersexpuppen und Handbüchern für Pädophile gefordert werde, zugunsten eines "dürftig formulierten" Antrags der Koalition abgelehnt werde. Dänemark habe die geforderten Verbote bereits umgesetzt. Wer glaube, dass Kindersexpuppen sexuellen Missbrauch an Kindern verhindern könnte, liege falsch, wie Ecker mit Verweis auf Expert:innen ausführte. Kindersexpuppen würden die Fantasien und Fixierung der Pädophilen eher verstärken, wie auch Gudrun Kugler (ÖVP) betonte.

Der Antrag der Koalition stelle keine Einschränkung der FPÖ-Forderung dar, sondern eher eine Ausweitung, entgegnete Agnes Sirkka Prammer von den Grünen. Man komme mit dem vorhandenen rechtlichen Instrumentarium bei Weitem nicht zu Rande mit den kriminellen Möglichkeiten, die das Internet biete und müsse sich eingehend mit der Thematik beschäftigen, um den notwendigen Schutz für Kinder bieten zu können.

Das Strafrecht sei nicht immer ganz auf der Höhe der Zeit, erklärte auch Ruth Becher (SPÖ) und erinnerte daran, dass die Vergewaltigung in der Ehe erst 1989 unter Strafe gestellt wurde. Neben dem gesellschaftlichen Wandel müsse der Gesetzgeber auch den technischen im Auge behalten, was mit dem vorliegenden Antrag passieren solle. Becher plädierte für volle strafrechtliche "Härte" gegen jene, die sich an Kindern vergehen, aber professionelle Hilfe für Pädophile, die dies im Rahmen von Präventionsarbeit verhindern wollen. Petra Bayr (SPÖ) betonte die Bedeutung guter sexueller Bildung, die Kindern sowohl vermittelt, dass Sexualität nichts Böses sei, als auch, dass sie Nein sagen können. Zudem sprach sie sich für eine bessere finanzielle Ausstattung von Beratungsvereinen aus.

Auch NEOS-Mandatar Johannes Margreiter drückte seine Unterstützung für den Koalitionsantrag aus sowie für eine "konsequente und massive Form der Strafverfolgung" im Falle des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. "Mit aller gebotenen Sensibilität" warf er jedoch die Frage auf, ob der Erwerb einer Puppe mit einer verbrecherischen Absicht gleichzusetzen sei bzw. ob man Menschen präventiv als potenzielle Täter:innen behandeln dürfe. Er glaube an "individuelle, alternative Entwicklungsszenarien", die jedem Menschen zugebilligt werden müssten. Auch müsse laut Margreiter darauf geachtet werden, dass Jugendliche nicht zu leicht selbst als Täter:innen im Sinne zukünftiger Strafbestimmungen behelligt werden können. (Fortsetzung Nationalrat) wit

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