Parlamentskorrespondenz Nr. 1314 vom 21.11.2022

Neu im Justizausschuss

Bundesregierung legt Reform des Maßnahmenvollzugs vor

Wien (PK) – Eine menschenrechtskonforme und zugleich auch ressourcenbewusste Modernisierung des Maßnahmenrechts setzt sich eine Regierungsvorlage aus dem Justizministerium zum Ziel. Der Entwurf liegt als "Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022" (1789 d.B.) laut Erläuterungen nach Vorarbeiten in den vergangenen Legislaturperioden vor, die auch ein eigenständiges Maßnahmenvollzugsgesetz (MVG) einschließen würden. Aus Gründen der Dringlichkeit sollen aber vorerst die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des Strafgesetzbuchs (StGB), der Strafprozeßordnung (StPO) und im Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorgezogen und bis auf Einzelaspekte das MVG zu einem späteren Zeitpunkt nachgezogen werden.

Unter anderem soll für die Beurteilung der Gefährlichkeit bei Anlasstaten der zugrundeliegende Strafrahmen für den Maßnahmenvollzug grundsätzlich von einem auf drei Jahre angehoben werden – mit Ausnahmen, so bleibt etwa bei Gefahr für die sexuelle Integrität der Rahmen bei zumindest einem Jahr.

Die Maßnahme zur Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter soll auch auf terroristische Straftäter erweitert werden. Im Strafregistergesetz sollen Regelungen zur effektiven Bekämpfung von terroristischen und staatsfeindlichen Strafsachen sowie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen eingeführt werden. Der Umfang der derzeit vorgesehenen Beauskunftungen im Wege von Strafregisterauskünften und Strafregisterbescheinigungen soll um diese Daten ergänzt werden.

Laut Erläuterungen soll angesichts der stark angestiegenen Zahlen im Bereich der strafrechtlichen Unterbringung eine Nachjustierung bei der gemeinsamen Verantwortung von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Unterbringung für die Behandlung und Betreuung fremdgefährlicher Kranker im Wege einer moderaten Entlastung der strafrechtlichen Unterbringung vorgenommen werden.

Die Frist für die Überprüfung einer Maßnahme soll insofern gesenkt werden, dass über die weitere Notwendigkeit der Anhaltung mindestens einmal jährlich auch tatsächlich zu entscheiden ist, und zwar innerhalb der Jahresfrist ab der letzten Entscheidung.

Eine Diagnostik und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen herausfordernder als bei Erwachsenen, so die Erläuterungen. Dem soll durch besondere Bestimmungen im Jugendgerichtsgesetz Rechnung getragen werden. Die Hauptgesichtspunkte des Entwurfs seien dabei eigene Regelungen zur Anlasstat, zur Höchstdauer einer Unterbringung und zur Beiziehung von kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen sowie die Aufnahme von Sonderregelungen für den Maßnahmenvollzug Jugendlicher. Verbessert werden soll außerdem die Bekämpfung der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut.

Änderungen bei Begriffen und Verfahrensregelungen

Erneuert werden laut den ausführlichen Erläuterungen auch zahlreiche Detailregelungen und Definitionen. Der Begriff "geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad" soll etwa durch eine neutralere, weniger stigmatisierende Formulierung ersetzt werden, nämlich "schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung". Neu heißt es dann auch "strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum" statt "Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher".

Enthalten sind in der Vorlage auch Neuregelungen zur vorläufigen Unterbringung, wie etwa ausdrückliche Regelungen zu Ort und Vollzug. Darüber hinaus geht es um eine Ersetzung der bedingten Nachsicht der Maßnahme durch ein vorläufiges Absehen vom Vollzug sowie eine Möglichkeit zur "Krisenintervention" beim vorläufigen Absehen.

Im Bereich der StPO soll der vorliegende Entwurf übersichtliche und zeitgemäße Verfahrensregelungen zur Unterbringung eines bzw. einer Betroffenen schaffen. Unter anderem geht es auch um eine Klarstellung, dass ein:e Sachverständige:r der Psychiatrie bzw. der klinischen Psychologie während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein muss.

Das Gesetz soll spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten einer Evaluierung unter Einbeziehung relevanter Opferschutzeinrichtungen wie beispielsweise der Gewaltschutzzentren unterzogen werden. (Schluss) mbu