Parlamentskorrespondenz Nr. 87 vom 31.01.2023

SPÖ kritisiert in Dringlicher Anfrage "Milliarden-Spekulationsverluste" der Nationalbank

Finanzminister weist Vorwürfe der SPÖ zurück und erwartet ausgeglichene Bilanz der OeNB für 2022

Wien (PK) – Einen Verlust von 2 Milliarden Euro aufgrund spekulativer Geschäfte der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) befürchtet die SPÖ. In einer Dringlichen Anfrage konfrontierte SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer in der heutigen Nationalratssitzung Finanzminister Magnus Brunner mit dem Vorwurf, dass OeNB-Direktor Thomas Steiner, laut Krainer "ein ÖVP-Mann", Milliarden an Spekulationsverlusten in der Nationalbank zu verantworten habe. Das Finanzministerium habe außerdem versucht, das Ausmaß dieser Verluste dem Parlament und der Öffentlichkeit so lange wie möglich zu verschweigen, lautet ein weiterer Vorwurf der Sozialdemokrat:innen.

In den schriftlich vorliegenden Fragen der Dringliche Anfrage an den Finanzminister wollten die Sozialdemokrat:innen Antworten auf eine Reihe von Detailfragen zur Gebarung der OeNB. Sie verlangten auch genaue Auskünfte zu den Änderungen der Veranlagungsvorschriften für die OeNB und über das dabei vorgesehene Risikomanagement. Weiters fragten sie, mit welchen Zielen die OeNB auf Aktienmärkten spekuliere, was im Widerspruch zum bisherigen politischen Konsens über den Umgang mit Steuergeldern stehe. Im Detail erkundigte sich die SPÖ beim Finanzminister auch, welche budgetären Konsequenzen aus den Verlusten der OeNB zu erwarten seien.

Finanzminister Magnus Brunner betonte, dass die Änderungen der Veranlagungsregeln der OeNB in Übereinstimmung mit dem Generalrat der OeNB erfolgt seien. Sein Ressort nehme keinen Einfluss auf die Veranlagungspolitik der OeNB und handle damit im Einklang mit internationalen Vorgaben für den Umgang mit Notenbanken. Der Finanzminister geht davon aus, dass die Nationalbank nach der Auflösung von Rücklagen für 2022 eine ausgeglichene Bilanz vorlegen wird.

Krainer vermutet schwerwiegende "Spekulationsverluste" der OeNB aufgrund falscher Management-Entscheidungen

Die Begründung seiner Dringlichen Anfrage an den Finanzminister leitete SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer mit einer scharfen Kritik an der Personalpolitik der ÖVP ein. Im Fall der Österreichischen Nationalbank (OeNB) entstehe daraus ein Schaden für die Menschen in Österreich. Die OeNB spiele eine zentrale Rolle in der österreichischen Finanzpolitik. Sie verwalte unter anderem die "eiserne Reserve" der Republik. Dabei könnte sie sich auf einen Mitarbeiter:innenstab von Expert:innen verlassen, die ihre gesetzliche Aufgaben in vorbildlicher Weise erfüllen, betonte Krainer.

Aktuelle Entwicklungen in der OeNB würden jedoch ein weiteres Beispiel für das im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss aufgezeigte "ÖVP-System" bieten. Systematisch würden nämlich ÖVP-nahe Personen in Positionen gesetzt, für die sie nicht die nötigen Qualifikationen hätten. Krainer erinnerte an den Fall von Thomas Schmid, der seinen Job als ÖBAG-Chef nicht aufgrund von Qualifikation, sondern der Parteizugehörigkeit erhalten habe. Die Bestellung von Thomas Steiner zum OeNB-Direktor, der für den Geschäftsbereich Treasury und demnach für die Veranlagungen in der OeNB verantwortlich sei, wertete Krainer als einen weiteren politisch motivierten Fehlgriff in einer wichtigen Management-Frage, der die Republik nun teuer zu stehen komme.

Der "Krimi" habe damit begonnen, dass Ende November 2022 in österreichischen Tageszeitungen erste Berichte über Verluste der OeNB von mehreren hundert Millionen Euro aufgrund steigender Zinsen und niedriger Renditen von Staatsanleihen aufgetaucht seien, führte Krainer aus. Am 21. Jänner dieses Jahres habe OeNB-Direktor Thomas Steiner in einem Interview dann eingestanden, dass es nicht nur um ein paar Millionen Euro an Wertberichtigungen, sondern um einen Betrag von nicht weniger zwei Milliarden Euro gehe. "ÖVP-Mann Steiner" habe dabei auch zugegeben, dass nicht die Geldpolitik der EZB für die Verluste verantwortlich sei, sondern dass es um Spekulationsverluste gehe.

Krainer sah damit den lang gültigen politischen Grundkonsens verletzt, wonach mit Steuergeldern keine spekulativen Finanzgeschäfte gemacht werden sollen. Der SPÖ lägen zudem Informationen vor, dass es auf Betreiben von OeNB-Direktor Thomas Steiner in den letzten Jahren zu Änderungen der Veranlagungsregeln der OeNB gekommen sei. Diese Änderungen hätten erst ermöglicht, dass sich die OeNB im hochriskanten Aktienhandel engagieren kann. Dieses Engagement sei gegen den Rat der Expert:innen in der OeNB erfolgt, die explizit auf das hohe Verlustrisiko hingewiesen hätten. "Nun haben wir den Salat", sagte Krainer. Die Veränderung der hausinternen Politik der OeNB, die auf Betreiben von Direktor Steiner erfolgt sei, habe die Österreicher:innen zwei Milliarden Euro gekostet, die verspekuliert worden seien. Zudem würden Expert:innen auch für die nächsten Jahre von Verlusten der OeNB in ähnlicher Höhe ausgehen.

In den nächsten Jahren seien daher keine Dividendenzahlungen der OeNB ins Bundesbudget zu erwarten. Diese Mittel würden aber gerade in der derzeitigen schwierigen Budgetsituation dringend benötigt, um den Ausbau wichtiger Bereiche wie Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Pflege zu finanzieren. Krainer ging auch davon aus, dass seitens des Finanzministeriums versucht worden sei, die Spekulationsverluste der OeNB möglichst lange zu verschweigen. Krainer wollte daher wissen, ab wann Finanzminister Brunner über die Vorgänge in der OeNB informiert war und welche Konsequenzen er für das Budget gezogen habe. Er erwarte sich, dass "dem Nationalrat reiner Wein eingeschenkt" werde, sagte SPÖ-Abgeordneter Krainer.

Finanzminister Brunner: Europaweit Verluste bei Notenbanken

Die Nationalbank habe als Teil des Euro-Systems an den geldpolitischen Anleiheprogrammen der Europäischen Zentralbank (EZB) mitgewirkt, die eben zu Veranlagungsverlusten geführt hätten. So erklärte Finanzminister Magnus Brunner die Verluste der Notenbank. Dabei hielt er fest, die OeNB unterliege wie alle anderen Notenbanken des Euroraums "einheitlichen Finanzierungsvorschriften". Generell habe die Zinsentwicklung im Vorjahr bei den meisten Zentralbanken zu Verlusten geführt.

Gewinnprognosen gestalteten sich laut Brunner auch deswegen schwierig, weil dafür die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank neben der Veranlagung von Währungsreserven eine maßgebliche Rolle spiele. Dennoch wird dem Finanzminister zufolge die OeNB 2022 ausgeglichen bilanzieren, allerdings "unter signifikanter Auflösung von Rückstellung". Die Bilanzerstellung 2022 sei jedoch noch nicht abgeschlossen, sagte er und kündigte den Jahresabschluss der OeNB für März 2023 an. Bei der Budgeterstellung für 2023 sei man im Finanzministerium von einem "geringeren Gewinn der OeNB" ausgegangen, sein Haus befinde sich jedenfalls im regelmäßigen Austausch mit der Nationalbank.

Die Vorhaltung der SPÖ, er hätte die Öffentlichkeit über Spekulationsverluste der OeNB zeitnah informieren und die Verluste begrenzen müssen, konterte Brunner mit dem Hinweis auf die Unabhängigkeit der österreichischen Notenbank. Die Veranlagungspolitik der OeNB erfolge demnach autonom. Als Finanzminister dürfe er darauf keinen Einfluss nehmen, so Brunner, weder hinsichtlich Veranlagungsform noch –volumina. Änderungen bei der Veranlagung seitens der OeNB seien in Übereinstimmung mit dem Generalrat der Bank erfolgt, unterstrich der Finanzminister, und fänden eine "entsprechende Deckung" in den Eigenmitteln der Nationalbank. Außerdem hätten der Gouverneur und der Vize-Gouverneur der OeNB "mindestens zwei Mal jährlich" dem Finanzausschuss bzw. dem Budgetausschuss des Nationalrats über ihre Geldpolitik zu berichten. Zum Risikomanagement für Eigenveranlagungen sagte Brunner, dieser Bereich sei vom Ressort Treasury, das für Veranlagungen verantwortlich zeichne, getrennt.

Ungeachtet seiner Verteidigung der OeNB-Veranlagungen warb Finanzminister Brunner um Unterstützung im Plenum für Reformen in der OeNB, etwa zur Abschaffung der dortigen "Luxuspensionen". In Bezug auf die Finanzmarktaufsicht (FMA), die mit der OeNB bei der Bankenaufsicht eng zusammenarbeitet, habe er bereits angeregt, die entsprechende Verordnung zu prüfen, um Kreditvergaben an Bürger:innen zu erleichtern, sagte Brunner. OeNB und FMA sollten bei Krediten "flexiblere" und bürgernähere Lösungen bieten. (Fortsetzung Nationalrat) sox/rei

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.