Bundesrat Stenographisches Protokoll 608. Sitzung / Seite 64

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Meine Damen und Herren! Weniger stolz bin ich – das möchte ich Ihnen auch sagen – auf das, was ich heute hier von einzelnen Repräsentanten unserer Kammer aufgrund des freien Mandats gehört habe, und ich bedauere außerordentlich die Vorgänge in Oberösterreich im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Kraftwerksbaus in Lambach.

Hoher Bundesrat! Das ist für mich keine Gelegenheitsäußerung. Das ist nicht bloß der respektvolle Akt der Verbundenheit eines Niederösterreichers mit Oberösterreich – ich bin niederösterreichischer Mandatar, der in Oberösterreich einen Lehrstuhl für öffentliches Recht innehat –, es ist Ausdruck einer Solidarität, die jeder in Österreich aufbringen müßte: für Lambach, für die Entscheidung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, der den Eid auf die Verfassung und damit auch auf den demokratischen Rechtsstaat abgelegt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe zu, daß sich einige in diesem Saal heute recht schwer tun mit der Entscheidung zwischen der Gewissenspflicht, die aus dem auf die Verfassung abgelegten Eid hervorgeht, und der Notwendigkeit, nächstes Jahr die oberösterreichischen Landtagswahlen zu gewinnen. Es wird dem einen oder anderen etwas aufgerechnet, wo es nichts aufzurechnen gibt, wenn man auf dem Boden der Verfassung steht, meine Damen und Herren!

Ich möchte Ihnen sagen, daß ich bereits – ich glaube, es war 1971 – bei der 25. Wirtschaftswissenschaftlichen Tagung in Bad Ischl über Umweltschutz und Rechtsordnung einen Eröffnungsvortrag gehalten habe, als einer der ersten in Österreich – damals war Dr. Erwin Wenzl Landeshauptmann von Oberösterreich. In der "Österreichischen Juristen-Zeitung" ist das nachlesbar, es ist dort veröffentlicht worden. Ich bedauere es außerordentlich, daß sich unser Rechtsbewußtsein, unser Umweltbewußtsein sowie unsere öffentliche Meinungsbildung auf eine Art und Weise weiterentwickelt haben, daß wir heute einen Punkt erreichen, an dem es den Anschein hat – bei manchen Umweltdiskussionen hat es den schon vorher gegeben –, als würde man sich nicht für die Demokratisierung, sondern für die Jakobinisierung einsetzen. Und von dieser Jakobinisierung warne ich, meine sehr Verehrten!

Ich habe mich im Jahre 1985, beim Staatsakt "40 Jahre Zweite Republik", dafür eingesetzt – auch nachlesbar –, daß man die Einrichtungen der direkten Demokratie weiterentwickelt, und ich habe gesagt, der Bundes-Verfassungsgesetzgeber könne dabei vom Landesverfassungsgesetzgeber lernen, was möglich ist. Ich habe auch damals vor der Jakobinisierung gewarnt. In der Zwischenzeit, meine sehr Verehrten, haben wir eine Reihe von Grenzgängen erlebt. Einigen möchte ich nicht den Idealismus absprechen, aber traurig ist, wenn die Grenzgänger das professionell machen, meine sehr Verehrten, wenn man dieselben Personen protestierend bei verschiedenen Anlässen in ähnlicher Kostümierung und mit ähnlichem Engagement erlebt und das Gemeinwohldenken – das uns eigentlich auch mit der Verfassung aufgetragen ist – verlorenzugehen scheint.

Die Position im Oberösterreichischen Landtag, die ich gestern nach meiner Vorlesung in Linz gehört habe – ich werde dort morgen wieder eine Vorlesung halten –, hat mich, das muß ich offen zugeben, in Erstaunen versetzt. Denn hier in diesem Haus ist es so, daß die Sozialdemokratische Partei mit der freiheitlichen Bewegung an und für sich nichts zu tun haben möchte. Man war immer um Differenzierung bemüht, darum, nichts gemeinsam einzubringen. Gestern habe ich im Fernsehen gesehen, daß die Sozialdemokratische Partei im Oberösterreichischen Landtag gemeinsam mit der freiheitlichen Bewegung gestimmt hat. (Ruf bei den Freiheitlichen: Demokratie!) Das – das muß ich Ihnen ehrlich sagen – setzt mich in Erstaunen.

Was so manche Meinungsäußerung, die ich hier von Vertretern der Sozialdemokratischen Partei gehört habe, betrifft, so möchte ich Sie daran erinnern, daß Sie sich, als Sie sich noch Sozialistische Partei genannt haben – jeder macht ja seine Entwicklung durch –, im Falle Hainburg anders verhalten haben. Damals war ich nämlich am Vorsitz im Bundesrat und war ganz erstaunt, wer sich damals aller vor der draußen pulsierenden Volksmenge plötzlich in den Bundesrat geflüchtet hat. So viele Regierungsmitglieder sind noch nie auf der Regierungsbank gesessen. Sie fühlten sich hier geschützt, während die Leute auf der Straße demonstrierten. Sie


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