Bundesrat Stenographisches Protokoll 612. Sitzung / Seite 29

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Deshalb bin ich auch froh, daß es in diesem Strukturanpassungsgesetz, neben der Aufrechterhaltung von sozialdemokratischen Grundsätzen, doch gelungen ist, einigen der Steuerschlupflöcher Riegel vorzuschieben. Die Tragik, die ich jetzt angesprochen habe, liegt jedoch darin, daß das oft keine Schlupflöcher sind, sondern viele Maßnahmen im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten korrekt sind. Wie gesagt, dafür habe ich kein Verständnis.

Gerade dort – ohne die Österreicher jetzt als besser hinstellen zu wollen –, wo es über Grenzen hinweg möglich ist, alles zu nutzen, um sich in Österreich der Verantwortung zu entziehen, habe ich absolut kein Verständnis.

Abschließend glaube ich sagen zu können, daß es doch in dieser notwendigen Strukturanpassung, auch wenn es manchen Bevölkerungsgruppen sehr weh tut, manchen nur weh tut, gelungen ist, den wirklich einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen die Belastung in erträglichem Ausmaße zuzuordnen.

Ich hätte mir als Sozialdemokratin und Gewerkschafterin gewünscht, das eine oder andere sozial verträglicher gestaltet zu sehen. Nichtsdestotrotz müssen wir uns zu dieser notwendigen Kurskorrektur, dieser Strukturanpassung, bekennen. Ich denke, daß das ein verständlicher Kompromiß ist und wir alle aufgefordert sind, ihn auch mitzutragen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

11.09

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich kann nahtlos anknüpfen an die regierungskritischen Äußerungen meiner beiden Vorredner. Ich werde mir allerdings als Oppositionspolitiker erlauben, da und dort etwas mehr Polemik hineinzulegen, obwohl es mir schwerfallen wird, Sie zu übertreffen, Herr Kollege Jaud! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich gratuliere Ihnen dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber Ihre Krokodilstränen fließen umsonst, wenn keine Taten folgen, Herr Kollege!

Wir diskutieren heute das Strukturanpassungsgesetz, wobei wir als Oppositionspartei eigentlich dieselben Argumente verwenden könnten, die wir in den letzten zehn Jahren verwendet haben; mit dem Unterschied, daß diesmal nicht nur eine parlamentarische, sondern auch eine breite, öffentliche Oppositionsbewegung stattfindet, weil dieses Strukturanpassungsgesetz und die dazugehörigen Budgets 1996 – und in weiterer Folge auch 1997 – nämlich keine in die Zukunft gerichteten Visionen sind, sondern eine stümperhafte Reparaturanweisung über 25 Jahre Sozialismus und zehn Jahre große Koalition. Herr Kollege Jaud, auch das haben Sie richtig erkannt. (Bundesrat Ing. Penz: Einige Jahre FPÖ!) Nicht freiheitliche Oppositionspolitiker behaupten das, sondern die freie Presse und auch Ihre eigenen Leute.

Hans Sallmutter, Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, hat beispielsweise Ihr Unterfangen als eine "sozial nicht ausgewogene Mogelpackung" bezeichnet. Klaus Firlei, SPÖ-Abgeordneter in Salzburg und Professor für Arbeits- und Sozialrecht, sprach davon, daß hier die Maxime des gerechten Sparens nicht stimmen soll und daß das Paket vor allem jene, die den Sozialstaat am meisten bräuchten, auch am tiefsten treffe.

Auch Erhard Busek, der es sich in der Zwischenzeit schon leisten kann, die Wahrheit auszusprechen, sagt in der Presse, er glaube, daß dieses Sparpaket das Problem der Verschuldung nicht löse. Schließlich seien keine strukturellen Reformen im öffentlichen Dienst, bei den Lehrern oder im Gesundheitsbereich, passiert, und die Eingriffe ins Steuerrecht erhöhten auch nicht gerade Österreichs internationale Verläßlichkeit. Dies sei charakteristisch für die Ära Vranitzky: Es ist immer ein Weiterhanteln. Resümierend vermerkte Erhard Busek das, was er eigentlich wissen muß: Lange Ausdauer im Amt bedeutet noch nicht, daß man tiefe Spuren im Lande hinterlassen hat.


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