Bundesrat Stenographisches Protokoll 613. Sitzung / Seite 65

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dere zur akustischen und optischen Überwachung nichtöffentlichen Verhaltens von Menschen. Wir haben uns dabei um eine Balance zwischen einer Verbesserung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsinstrumentarien auf der einen Seite und einer gleichzeitigen Eingrenzung der damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffe in die Privatsphäre des einzelnen und in dessen Persönlichkeitsrechte bemüht. Wir haben uns dabei aber auch an der Rechtsentwicklung unserer Nachbarstaaten, insbesondere der Europäischen Union, orientiert – dies in der Überlegung, daß alles getan werden muß, um zu verhindern, daß Österreich in unzuträglichem Ausmaß ein Ruheraum, ein Ort der Planung illegaler Aktivitäten oder ein Finanzplatz des organisierten Verbrechens wird. Wir haben aber zugleich auch darauf geachtet, daß die Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Bereiche auf das unbedingt Notwendige beschränkt und die Grundsätze unseres Strafverfahrens gewahrt bleiben.

Was die Instrumentarien zur Bearbeitung der Alltagskriminalität anlangt, sollen diese in einer zeitgemäßen Weise verbessert und erweitert werden. Dazu gehört der weitere Ausbau des schon seit einem Jahrzehnt erfolgreich durchgeführten außergerichtlichen Tatausgleiches ebenso wie ein kurz vor Fertigstellung befindliches Konzept der Diversion, also einer vereinfachten und zugleich besser auf den Einzelfall abgestellten Erledigung minderschwerer Verstöße weniger gefährlicher Täter. Dabei soll der Schadenswiedergutmachung und den anderen Interessen der Opfer ein besonderes Augenmerk geschenkt werden.

In dem heute schon mehrfach angesprochenen Drogenbereich liegen dem Nationalrat nicht nur die zu ratifizierenden einschlägigen Konventionen der UNO und des Europarates vor, sondern auch ein vom Bundesministerium für Justiz mitbetreutes neues Suchtmittelgesetz. Durch dieses wird durch Einbeziehung auch der psychotropen Stoffe und der sogenannten Vorläuferstoffe auf der einen Seite das Kriminalitätspotential zwar ausgeweitet, auf der anderen Seite ist die Regierungsvorlage aber bestrebt, den bewährten flexiblen Umgang mit suchtmittelabhängigen Straftätern in systemimmanenter Weise maßvoll weiterzuentwickeln. Es wird also nicht, wie hier gesagt wurde, zu einer Entkriminalisierung kommen, sondern es werden die Betroffenen weiterhin als Straftäter eingestuft. Es werden auch nicht alle Beschaffungstaten in die vorläufige Zurücklegung einbezogen werden, sondern es werden die Voraussetzungen hiefür, nämlich keine schwere Schuld und adäquate spezialpräventive Wirkung, ausdrücklich geregelt sein.

Auch der Vorwurf oder die Behauptung, daß es zu einer kontrollierten Heroinabgabe käme, entbehrt jeglicher Grundlage. Der Entwurf präzisiert bloß die auch heute nach dem geltenden Suchtgiftgesetz, nach den Grundsätzen auch der medizinischen Wissenschaft fundierte zulässige Abgabe von Substitutionsmitteln für schwer Suchtmittelabhängige, insbesondere für schwer Heroinabhängige. Dieses Modell der oralen Substitutionsbehandlung mittels Methadon und Heptadon wird seit zehn Jahren in Österreich mit Erfolg angewendet und ermöglicht es Heroinabhängigen, einer gezielten Arbeit nachzugehen und nicht Beschaffungskriminalität für weiteren Heroingenuß begehen zu müssen.

Ich möchte wirklich eindringlich an alle, auch an Sie, meine Damen und Herren vom Bundesrat, appellieren, das einzig sinnvolle und bewährte Modell "Therapie statt Strafe" nicht grundsätzlich in Frage zu stellen oder an der Finanzierungsfrage scheitern zu lassen.

Noch ein Wort zur Ausländerkriminalität und zu den Verhältnissen in den österreichischen Haftanstalten.

Zunächst muß man sagen, daß die statistischen Unterlagen unter dem Mangel leiden, daß sie keine Differenzierung zwischen den ständig in Österreich sich aufhaltenden Ausländern und den nur vorübergehend sich hier aufhaltenden Ausländern machen, und das erscheint mir in einem Tourismusland, in dem es jährlich etwa 200 Millionen Grenzübertritte und etwa 100 Millionen Ausländerübernachtungen gibt, doch zumindest immer wieder bedenkenswert. Auch die Erfahrungen zeigen, daß der hohe Ausländeranteil unter den Straftätern keineswegs auf die hier ständig wohnhaften Ausländer zurückzuführen ist, sondern auf jene, die sich bloß vorübergehend hier aufhalten.


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