Bundesrat Stenographisches Protokoll 613. Sitzung / Seite 90

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Nach einem fast "kabaretthaft" zu nennenden Zwischenspiel, in dessen Verlauf von seiten der Rathaus-Grünen, aber auch seitens des Koalitionspartners ÖVP polemische Äußerungen wie "Treppenwitz der Weltgeschichte", "die große 30-Milliarden-Seifenblase" oder "Paketerl" gemacht wurden, soll am kommenden Dienstag das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket, eine Vereinbarung zwischen Bund und dem Bundesland Wien über die Finanzierung verschiedener Investitionsvorhaben, im Ministerrat abgesegnet werden. Bereits im Vorjahr wurde zwischen Bundeskanzler Vranitzky und dem Wiener Landeshauptmann und Bürgermeister eine Art Vorvertrag abgeschlossen. Erst im Mai 1996, also im Vorfeld der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl, kam es zu einer Art Schlußvereinbarung, und zwar im Wege der heute üblichen Vorgangsweise, nämlich eines "Gipfelgespräches" zwischen dem Bundesminister für Finanzen und den Spitzen der sozialdemokratischen Wiener Stadtverwaltung in trauter altkoalitionärer Einigkeit mit den Vertretern der Wiener ÖVP.

Derzeit wird der Inhalt des sogenannten Pakets von den Wiener Sozialdemokraten der Bevölkerung als großer Erfolg ihrer Politik gegenüber dem Bund zu verkaufen versucht, anscheinend um darüber hinwegzutäuschen, daß in all den Jahren sozialdemokratischer Stadtverwaltung und eines sozialdemokratischen Finanzministers – immerhin seit mehr als 25 Jahren – Wien vom Bund stets stärker zur Kasse gebeten wurde, als der Bund nach Wien zahlte. Wien ist im Rahmen des geltenden bundesweit vereinbarten Finanzausgleichs nach wie vor Nettozahler. Trotz der anzuerkennenden Leistung des Bundes zum Beispiel für das Wiener Kulturleben durch die Finanzierung der Bundestheater sind die Leistungen des Bundes zum Beispiel für den Ausbau der Infrastruktur in Wien bisher unzureichend geblieben. Auch das sogenannte 30-Milliarden-Schilling-Paket bringt hier keine Änderung. Vielmehr stellt es, wie auch in zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht wurde, lediglich eine Fortschreibung der schon bisher unzureichenden Unterstützung von Investitionen in die Infrastruktur in Wien durch den Bund dar und enthält Vorhaben, die als reine Bundessache zu qualifizieren sind. Laut Presseberichten hat dies auch der Wiener Stadtrat für Finanzen Edlinger zugegeben und unter anderem erklärt: "Auf genaue Nachfrage, welche Paket-Projekte Wien ohnehin bekommen hätte, gibt Edlinger zu: Zwei der drei im Paket enthaltenen Schulneubauten sind schon im Bundes-Bauprogramm. Auch der Technologie-Park – Gelände altes Gaswerk Leopoldau – war bereits ziemlich fix. Die Albertina, ein reines Bundes-Vorhaben – etwa 300 Millionen –, habe mit Wien nichts zu tun. Dringliche Straßenbau-Vorhaben wie die B 301 oder die Sanierung der Praterbrücke sollen ins Bundesstraßen-Budget für Wien einfließen, eine Trennung sei daher schwer."

Völlig fehlen in diesem Paket die unter anderem für Wien im Hinblick auf die drohende Güter- und Personenverkehrslawine aus dem Osten unbedingt erforderlichen Investitionsvorhaben in die Umfahrung Wiens und die bessere Anbindung Wiens an das international übergeordnete Verkehrsnetz, der rasche Ausbau der Telekommunikationseinrichtungen und vor allem die Vorhaben, die die Ansiedlung von internationalen Großforschungsvorhaben zum Gegenstand haben. So bemüht sich Wien seit längerer Zeit, die Bundesregierung dazu zu veranlassen, die Bewerbung Wiens um das sogenannte EUROCRYST-Projekt aufzugreifen und gegenüber der EU zu vertreten. Auch diesbezüglich enthält das 30-Milliarden-Schilling-Projekt keine Aussage beziehungsweise keine finanzielle Vorsorge, wie überhaupt nochmals festgestellt werden muß, daß dieses Paket lediglich schon bekannte Vorhaben oder reine Bundesprojekte enthält und keine Zukunftsperspektiven für den weiteren Ausbau vor allem der Infrastruktur in der Bundeshauptstadt eröffnet.

Die in dieser Paketvereinbarung angezogene Finanzierung des weiteren U-Bahn-Ausbaues in Wien beziehungsweise der Verlängerung einzelner Strecken – wie der U1 nach Norden und nach Süden oder der U6 nach Stammersdorf – muß als reine Absichtserklärung gewertet werden, da einerseits der vorgesehene Betrag von 10 Milliarden Schilling nur in Etappen zur Verfügung gestellt – entsprechend den bisherigen Vereinbarungen über die U-Bahn-Mitfinanzierung durch den Bund – wird, andererseits die Vorarbeiten über die Grobplanung hinaus noch offen sind. An diesem Beispiel ist ersichtlich, daß auch eine allfällige Arbeitsplatzwirksamkeit einer solchen Vereinbarung, die im Hinblick auf die über dem Bundesschnitt liegende hohe Arbeitslosenrate in Wien von großer Bedeutung wäre, nicht gegeben ist, sondern mögliche Arbeitsplatzwirkungen erst bei einem allfälligen Baubeginn etwa um das Jahr 2000 zu erwarten


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